1. Samuel 15 (26. + 27. August)

Heute lernen wir den in Vorträgen oft bescholtenen Gott des Blutes und der Rache kennen und müssen uns mit der Bedeutung und der darin enthaltenen Aussagen auseinandersetzen.

Saul war in der Vergangenheit oft recht unsicher auf dem Weg des Herrn vorwärts gestolpert, hatte dessen Wort gerne nach Gutdünken interpretiert und viel zu selten innegehalten, um in Gebet und Meditation Rücksprache mit Gott zu halten. Doch genau zu diesem Zweck wohnte der Geist Gottes in ihm!

Wenn der Bursche nicht zugänglich ist, probiert’s der Chef mit der Brechstange: Samuel taucht beim König auf und verkündet ihm den göttlichen Auftrag; gesprochen aus dem Mund eines Menschen muss er das Wort hören. Der Auftrag: Als vor vielen Generationen die Israeliten in Richtung gelobtes Land zogen, da mussten sie auch durch das Land Amalek, und während die anderen Völker drum herum meist friedlich und freundlich den Israeliten gegenüber waren, so galt das nicht für Amalek. Saul soll daher nun Amalek platt machen, d.h. alles, was in diesem Land lebt, Menschen wie Tiere, töten. Dies ist jedoch kein Kriegszug, sondern das Gericht Gottes, das durch die Sauls Armee über das Land kommt!

„So spricht der HERR der Heerscharen: Ich will strafen, was Amalek an Israel tat, indem er sich ihm in den Weg stellte, als es aus Ägypten heraufzog.“ (1 Sam 15, 2)

Starker Tobak! Gott schickt Saul aus zum Genozid. Töte alle Ungläubigen? Das wäre wohl zu kurz gesprungen, aber gerade, weil sich viele Kritiker des Glaubens an den Gott Abrahams (oder irgendeines Gottes) gerne mit einem solch kurzen Hüpfer begnügen, gehen wir hier mal den einigermaßen vollständigen Weg. Zuerst: Nein, der Gott des Alten Bundes ist vom Wesen her kein fundamental anderer, als der Gott des Neuen Bundes, er hat sein Wesen nicht verändert.

Zur Zeit Sauls haben sich die ersten großen Weltreiche gebildet, das heißt, die Idee des abstrakten Staates, also eines Zusammenschlusses aller Sippen/Großfamilien auf einem bestimmten Gebiet unter einer Führung (König, Pharao…) ist noch relativ neu. Nicht neu ist dagegen die Idee einer oder mehrerer Schutzgottheiten. Archäologische Funde belegen, dass Menschen begannen nach einem höheren über die momentane Existenz hinausreichenden Sinn zu suchen, kurz nachdem sich der aufrechte Gang durchgesetzt hatte. Aus religiöser Sicht könnte man daher interpretieren, Gott hatte den Menschen (der Menschheit) eine Spur gelegt, der sie folgten, sobald sie dazu geistig in der Lage waren. Der Abraham der Bibel markiert den Wendepunkt in dieser Entwicklung. Aus einem unbewussten Folgen einer Spur wird ein bewusstes Wahrnehmen des Spurenlegers. Gott dringt in diese (gefallene) Welt, seine Schöpfung, ein und beginnt die weitere spirituelle Entwicklung zunehmend öffentlich zu steuern. Je nach geographischem und kulturellem Hintergrund entwickelte sich daraus eine Vielfalt verschiedener, konkurrierender Glaubenssysteme und Religionen. Die Bibel erklärt diese Entwicklung symbolhaft im Turmbau zu Babel. Psychologisch ausgedrückt: Die Menschen interpretieren zu jeder Zeit die Eingaben des Geistes mit ihren vorhandenen Voraussetzungen und Möglichkeiten. Bis etwa Mose kann man natürlich oft nicht mit Gewissheit sagen, ob es sich bei den genannten Menschen um historische Personen handelte oder nur um symbolische anhand derer einleuchtend der nächste Schritt in der geistlichen Entwicklung des Menschen dargestellt wird. Tatsache ist, die geistliche Entwicklung des Menschen ist eng an dessen geistige Möglichkeiten gekoppelt oder anders ausgedrückt: geistliche und biologische/geistige Evolution stehen in einem permanenten Wechselspiel.

Nun, zur Zeit Sauls, sind wir mitten im Zeitalter der Staatenbildung. Alle zu diesem Zeitpunkt existierenden Staaten und besonders deren Könige sahen sich legitimiert durch die Macht ihres Gottes oder ihrer Gottheiten. Alle sahen sich aufgerufen, diese Macht auch geographisch auszudehnen. Indem sie das Machtgebiet ihres Gottes/ihrer Gottheiten ausdehnten bestätigten sie ihrem Volk die eigene göttliche Berufung oder gar Herkunft, d.h., durch Kriege festigten sie ihre Macht – das Zeichen einer Götzenreligion, ist der Drang zur Verbreitung des eigenen Glaubenssystems durch Verdrängung/Unterwerfung der anderen. Ja, richtig erkannt, die Eroberung fremder Länder und Kontinente im Namen Christi war Götzendienst, denn diesen Auftrag hat es im Wort Gottes niemals gegeben. Aber zurück zu Saul. Warum ruft Gott Saul zu dieser Gewalttat auf? Weil alle Götter (auch die selbstgemachten) von den Menschen so wahrgenommen wurden. Menschen opfern ihren Göttern Tiere, ja sogar andere Menschen, um sie zu bestimmten, gewünschten Reaktionen zu überreden – Gott führt einen Opferdienst ein (bei dem er Menschenopfer ausdrücklich ausschließt!), weil die Menschen das von einem Gott erwarten, aber er ändert den Sinn: Die göttlichen Gaben sind Segen, also Geschenk, die Opfer dienen nur noch der Bestätigung/Erneuerung des Bundes. Die Menschen führen Krieg um die Macht ihrer Gottheiten zu demonstrieren, natürlich wird auch Gott sein Volk in Kriege führen, sonst wird er nicht ernst genommen werden. Gott holt die Menschen dort ab, wo sie sich gerade befinden.

Aber genau wie schon beim Opferdienst, haben auch Kriegsaufträge Gottes einen anderen Sinn als Eroberung, der ist nur Nebeneffekt. Sie sind Zeichen des Gerichts, das am Ende der Zeit über die ganze Welt kommen wird. Amalek hatte sich gegen die Israeliten und damit gegen Gott gestellt. Daher schickt Gott nun das Gericht über sie, das sie ohnehin erwartet. Grausam? Aus heutiger Sicht ja, in der damaligen Zeit fast an der Tagesordnung. Auch hier: Gott steht in der Konkurrenz zu menschengemachten Götzen, er muss handeln, wie es von einem Gott in jener Zeit erwartet wird, damit er überhaupt ernst genommen wird. Aber Gott ist auch hier eindeutig und eindeutig anders, als die anderen Götter: Die Israeliten sollen keinen Gewinn aus diesem Kriegszug ziehen (Plünderungen am Ende der Schlacht waren fester Bestandteil der Kriege und Motivation für die Kämpfer, Sold war eher nicht zu erwarten), dieser Krieg ist eine Übung des Gehorsams nicht der Macht.

Und Saul versagt! Seine Soldaten töten zwar das Volk, Agag, der König von Amalek wird aber gefangen genommen (vermutlich um von ihm irgendwelches Lösegeld zu erpressen oder sich sonst an ihm zu bereichern) und die wertvollen Tiere werden mitgenommen. Als Tüpfelchen auf dem i lässt Saul sich noch als Kriegsheld feiern und eine Statue von sich errichten, damit das Volk was zum Anbeten hat, d.h. er rühmt seine Größe und Macht, nicht die seines Gottes. Was Gott nicht erwähnt hatte – und das tut er nie – dies war die letzte Chance, die er Saul geben würde, seine Treue und seinen Gehorsam zu beweisen.

Gott geht nun mit Samuel ins Gebet und erklärt ihm, dass er Saul durch einen anderen König ersetzen wird, er setzt Saul also offiziell ab. Als Samuel dem König diesen Gottesentscheid mitteilt, erklärt dieser sein Handeln damit, dass er ja nur getan habe, was das Volk von ihm erwartet hätte. Wie gesagt: Es war damals üblich, dass die Kämpfer nach der Schlacht alles mitnehmen, was von Wert ist. Als Samuel ihm klar macht, dass diese Ausrede an der Untreue nichts ändert, bittet der König ihn, mit ihm zurück zu den Ältesten zu gehen und seinen Heldenmut in der Schlacht zu rühmen. Noch einmal bestätigt er, dass es ihm nicht um seine Treue zu Gott geht, wie sein gebetsmühlensartiges „Ich habe gesündigt“ vermuten lässt, sondern ausschließlich um seine Außenwirkung.

Samuel geht mit ihm zurück, aber statt ihn zu feiern, fordert er dass man ihm denen gefangen genommenen König bringt. Daraufhin tötet er ihn, wie Gott dies befohlen hatte.

Schließlich geht der Prophet zurück nach Rama. Er wird  den von Gott gestürzten König bis zu seinem Tod nicht wiedersehen.

 

Fazit: Gott verlangt vom Menschen Treue. Wir haben in anderen Büchern der Bibel bereits öfter gesehen, dass dahinter kein Misstrauen Gottes steckt, sondern ein Erziehungsziel. Aus eigener Kraft können wir nicht zu Gott gelangen, darum müssen wir ihm treu sein, d.h., seinen Weisungen vertrauen und folgen.

Wer aus Geschichten wie dieser schließt, dass der Gott Abrahams blutrünstig und rachsüchtig wäre, ignoriert die Zeit, in der Gott dem Volk diese Anweisungen gab. In der Interaktion mit dem Menschen ist Gott auf die durch den Menschen der jeweiligen Zeit anerkannten Mittel und Zeichen göttlicher Macht angewiesen, wenn er nicht deren freien Willen beschneiden möchte. Das Neue Testament belegt eindrücklich, dass Gott zielstrebig an der Abschaffung dieser Mittel arbeitete. Das heißt, er verwendete sie, um den Menschen deutlich zu machen, dass sie letztendlich nicht zielführend sind. Wer meint, es hätte doch auch genügt, wenn er’s uns einfach gesagt hätte, der ignoriert die Natur des Menschen.

Wer aus Geschichten wie dieser schließt, dass es einen von Gott autorisierten Aufruf zur gewaltsamen Bekehrung der Ungläubigen, sei es durch Kreuzzüge oder andere Heilige Kriege, gäbe, der ignoriert mehrere tausend Jahre nachfolgender Erziehungsarbeit dieses Gottes. Unbelehrbarkeit ist aber kein Zeichen außergewöhnlich starken Glaubens und Treue zu Gott, sondern Zeichen beharrlichen Unglaubens, wie durch das Wort Gottes selbst an vielen Stellen des Alten und des Neuen Testaments belegt. Dies gilt auch für gewaltfreie (oder auch passive Gewalt durch Blockade), unbelehrbare Glaubenskrieger, die beispielsweise den rechten Glauben an der korrekten Ausführung bestimmter Riten oder am Festhalten überkommener Traditionen festmachen. Die „Tempel- und Altarreligion“ mit genau festgelegten Opfer- und Bußzeremonien und fester Aufgabenverteilung wurde durch den Opfertod Jesu am Kreuz abgeschafft und durch die ersten Apostel auch nicht wieder eingeführt. Konventionen sind nicht per se schlecht, wenn man aus ihnen aber Eckpfeiler des Glaubens macht, wird Glaubenspraxis schnell zum Götzendienst.

 

1. Samuel 15 >>