Richter 21 (15. Mai)

Die Israeliten sind unversöhnlich! Keiner soll jemals seine Tochter einem Benjaminiter zur Frau geben. Das ist der heilige Eid, den die Sieger am Abend des Triumphes ablegen.

Dann stellen sie fest, dass Gott ja eigentlich ursprünglich 12 Stämme zu seinem Volk berufen hatte und sie ohne den Stamm Benjamin nur noch elf wären. Dumm gelaufen, denn der Eid ist bereits abgelegt und man darf ja vor Gott nicht wortbrüchig werden. Der Eid war also fast so intelligent wie das Versprechen Jephtahs, das Erste zu opfern, das ihm nach siegreicher Schlacht aus seinem Haus entgegen gelaufen kommt – und genauso überflüssig!

Nirgendwo in den Kapiteln davor können wir einen Aufruf Gottes zu dieser Schlacht finden oder gar die Forderung, den Stamm Benjamin auszurotten. Es ist nun nicht mehr zu leugnen: Die Israeliten haben ihren Gott durch einen gleichnamigen Götzen ersetzt. Das ist viel bequemer, der widerspricht nicht so oft.

Aber jetzt haben sie natürlich ein Problem. Auch wenn inzwischen selbst erfunden, begründet sich die Religion des Volkes doch immer noch auf dem Bund Gottes mit den Zwölfen. Es wurde nur der Hauptdarsteller im Zentrum ausgetauscht.

„Not macht erfinderisch“ lautet bekanntermaßen das Sprichwort und nicht „Not macht fromm“. Es wird also ein Stamm oder eine Sippe gesucht, die den Eid nicht abgelegt hat und man wird fündig bei den Bürgern von Jabes. Im Kleingedruckten des abgelegten Eides „keine Heirat mit Benjaminitiern“ findet sich überraschend der Passus, dass alle, die nicht zum Eid erschienen waren, getötet werden sollten. Da lässt sich das Praktische mit dem Nützlichen gut verbinden: Töte alle – bis auf die unverheirateten jungen Frauen im gebärfähigen Alter.

Guter Einfall, doch leider kommen so nicht genug Frauen zusammen. Auf 600 Männer kommen nur 400 Frauen. In der Not beschließt man nun, die Frauen beim jährlichen Erntefest aus der Stadt Silo zu rauben. Durch Wortglauberei soll die Sache ehrbar gemacht werden.

Nach Ende Krieges erkennt man zu spät, dass hier Bruder gegen Bruder kämpfte, anstatt den Irrtum aber einzugestehen, Gott um Verzeihung für die eigene Dummheit und Treulosigkeit zu bitten und gegebenenfalls sogar die Folgen für einen gebrochenen Eid (der wiederum von Gott nie verlangt wurde) als Buße anzunehmen, versuchen die Israeliten ihren Fehler durch weitere Fehler zu korrigieren.

Man muss schon fast Gott danken, dass der Dreißigjährige Krieg keinen Sieger hatte, denn wie die Sieger gehandelt hätten, können wir in Kapitel 21 lesen. Leider ließ der Westfälische Friede ein zersplittertes Reich mit winzigen Fürstentümern zurück und wenn der Fürst Katholik war, so waren auch alle Untertanen Katholiken bzw. mussten es werden oder auswandern; dasselbe galt natürlich entsprechend bei einem protestantischen Fürsten. Im Kleinen geschah daher doch genau das oben Beschriebene: Katholiken und Protestanten blieben sich bis weit ins 20. Jahrhundert besonders in ländlichen Regionen spinnefeind.

Auch wenn auf lokaler und regionaler Ebene – auch erzwungen durch den fortschreitenden Mitgliederschwund bei Katholiken und Protestanten („Benjaminiter“ und „übrige Israeliten“ sterben aus) – zunehmend auf Kooperation und Geschwisterlichkeit gesetzt wird, verhindert die Wortglauberei über die richtige Auslegung des Wortes Gottes bis heute die endgültige Aussöhnung der beiden Geschwister-Kirchen.

„Zu jener Zeit gab es keinen König in Israel; jeder tat, was recht war in seinen Augen.“ (Ri 21,25)

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