Richter 20 (14. Mai)

Die Stämme Israels sind erschüttert vom Vorfall und hören sich den Fall des Mannes genauer an. Dieser erzählt die Geschichte tränenreich und fordert Gerechtigkeit. Und wir lesen in diesem Kapitel immer wieder

„Da stand das ganze Volk auf wie ein Mann“ (Ri 20,8)

und danach, was sie gemeinsam beschlossen und taten. Zunächst wird eine größere Truppe Männer zusammengezogen und die Herausgabe der Täter gefordert, doch Gibea lässt sich nicht darauf ein, sondern ruft zur Mobilmachung. Was braucht es um ein in Auflösung befindliches Volk wieder zu einen? Genau: Es braucht einen Anlass der Entrüstung, es braucht einen Feind der all das Böse personifiziert. Ich muss also jemand anderen zum Bösen an sich machen, damit ich selbst gut bin. Hier sahen die Israeliten in allen Benjaminitern Mörder (sonst wären sie nicht mit einer ganzen Armee aufmarschiert um die Auslieferung von Mördern zu fordern) und die Benjaminiter sahen sich von dieser Streitmacht Israels bedroht, die so zum gemeinsamen Feind wurde und mit dessen Hilfe der innerstädtische Egoismus überwunden konnte.

Als der Kampf unausweichlich scheint, befragen die Israeliten ihren Gott, welche Streitmacht zuerst gegen Gibea ziehen soll und Gott sagt: Judäa. Bei der Schlacht sterben 22000 Kämpfer aus Judäa, die Benjaminiter gewinnen.

Israel ist verzweifelt, sammelt sich neu und befragt wieder Gott. Der schickt sie wieder in die Schlacht und dieses Mal sterben 18000 Israeliten.

Beim dritten Anlauf verspricht Gott den Sieg über die Benjaminiter. Dieses Mal sterben 25100 Benjaminiter, beim Kampf um die Stadt kommen noch einmal über 20000 Menschen ums Leben. Nur 600 Benjaminiter können in die Wüste fliehen.

Ein Bruderkrieg mit rund 80000 Toten, was hat sich Gott dabei gedacht? Hat sich Gott wirklich etwas dabei gedacht, soll heißen: Wurde Gott hier wirklich befragt? Die übliche Vorgehensweise war damals, das Los zu werfen. Wir können lesen, dass die Israeliten im Grunde bereits entschieden hatten, gegen die Benjaminiter Krieg zu führen, ehe sie Gott das erste Mal überhaupt befragten (warum sollten sie sonst mit einer riesigen Streitmacht aufmarschieren?) und daher wollten sie nur wissen, wer zuerst angreifen soll. Wie können wir eine brauchbare Antwort von Gott oder gar von einem geworfenen Los erwarten, wenn schon die Frage falsch war?!

Es ist auch nicht zu erwarten, dass die letzte Antwort Gottes wirklich von Gott kam, auch diese war ja bereits bestellt. Die Israeliten fühlten sich gestärkt durch die Bestätigung ihres Hohepriesters. Dies, die Verzweiflung und die militärische Übermacht, ließ sie einen furchtbaren Sieg erringen. Am Ende waren die Benjaminiter fast vollständig ausgerottet.

So - mit ungehemmter und erbarmungsloser Gewalt -stellen Menschen, die keinen Gott mehr haben, die Gerechtigkeit nach ihrem Willen und ihren Vorstellungen wieder her!

So haben die Europäer im Dreißigjährigen Krieg auf deutschem Boden für die „Gerechtigkeit Gottes“ und den „wahren Glauben“ gekämpft; und ich bin sicher, es wurde viel gebetet in dieser Zeit und alle waren sich sicher, dass „dein Wille geschehe“ gleichbedeutend ist mit „mein Wille geschehe“. Am Ende war das Heilige Römische Reich Deutscher Nation durch Krieg, Hunger und Pest beinahe entvölkert. Der Wille Gottes? Nein, das Ergebnis der Entscheidungen und Handlungen von Menschen, die Gott gespielt haben.

Hier eine Geschichte in der Bibel, da Geschichte – haben wir aus einem der beiden etwas gelernt?

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