Psalm 90 (3. + 4. Oktober)

„Lass deinen Knechten dein Walten sichtbar werden, und deine Herrlichkeit ihren Kindern! Und die Freundlichkeit des Herrn, unsres Gottes, sei über uns, und das Werk unsrer Hände fördere du für uns“ (Ps 90,17)

Moses philosophiert in diesem Gebet über das Leben eines Menschen in den Augen Gottes.

Er erkennt die Macht und die Ewigkeit Gottes und wie klein und unbedeutend ein Menschenleben dagegen erscheint und wie kurz es ist, wenn man nicht jeden einzelnen Tag als Geschenk erkennt und als solches bewusst annimmt.

Moses bittet Gott darum, sich seinem Volk zuzuwenden und es mit seiner Gnade zu segnen. In dieser Gnade sollen sie ihren Gott und seine Hinwendung zu ihnen erkennen.

Wenn man das Gebet so liest, erscheint der Inhalt auf den ersten Blick selbstverständlich. Natürlich ist das Leben kurz, und wenn man irgendwann im letzten Drittel seines Lebens zurückblickt, dann erscheinen viele Dinge, in die wir so große Mühe gesteckt haben, unbedeutend und nichtig. Natürlich wünscht man sich in dieser Situation Erkenntnis und nochmal genauso viele Jahre in Glück und Zufriedenheit. Ein Wunsch, der im späten Herbst des Lebens leider zumeist unerfüllt bleibt. Der Blick auf das nahende Ende lässt dann den „Grimm“ Gottes noch bitterer erscheinen.

Und gerade darum ist die Bitte des Moses am Ende des Psalms so wichtig!

Das Wirken Gottes in meinem Leben erkennen können, darin liegt der Segen für mich, denn in seinem Wirken erkenne ich seine Freundlichkeit, sein Wirken bewirkt, dass ich die unnützen Dinge, die nur Kraft kosten, erkenne und die Kraft finde, sie abzulegen und dass ich die Dinge, die mich zu diesem freundlichen Gott hinführen umarme und festhalte. Nur in diesem Vertrauen lasse ich zu, dass Gott meine Hände führt – denn nichts ist für einen Menschen schwieriger, als (oft vermeintliche) Kontrolle abzugeben … und dazu, noch an jemanden abzugeben, den man erst danach als freundlich – ja, als überhaupt existent – erkennt.

Und so verbirgt sich die Hauptbitte in diesem Gebet in Vers 14: „Sättige uns früh mit deiner Gnade“ – je früher im Leben wir Gottes Gegenwart und Wirken erkennen, desto besser für uns, desto erfüllter wird unser Leben sein, wenn wir einmal zurückblicken.

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