Psalm 111 – 114 (6. – 8. November)

„Wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, den wird in Ewigkeit nicht dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, wird in ihm zu einer Quelle von Wasser werden, das bis ins ewige Leben quillt.“ (Joh 4, 14)

Natürlich lobten die Psalmisten in den Psalmen 111 – 114 ihren Gott, wir hatten es ja schon davon: Nicht nur im Empfang einer Gabe, sondern auch in deren dankbaren Entgegennahme, also dem Teilen der Freude über deren Empfang mit dem Geber, steckt eine Kraft, vermutlich die Wesentliche, die es vermag, das Band zwischen Schöpfer und Geschöpf zu erhalten und zu stärken.

Doch auf den zweiten Blick prophezeien diese Psalmen die Weihnachtsbotschaft! Auch hiervon hatten wir es schon: Gott vermag es, aus allem, was uns bewegt – sei es gut oder schlecht – eine Prophezeiung zu machen, denn er knüpft den ganz großen Bogen, der diese ganze Weltzeit überspannt.

Schauen wir etwas genauer hin:

In Psalm 111 wird die von Gott ausgehende Gnade und Weisheit besungen, die in Psalm 112 im „gewaltigen Samen auf Erden“ mündet, mächtig und stark; kein anderer als unser Herr ist gemeint:

„er wird ewiglich nicht wanken; an den Gerechten wird ewiglich gedacht.“ (Ps 112, 6)

Psalm 113 besingt das Wunder der Erscheinung des Herrn. Im Vers 9 hat der Psalmist sicher an Sara, die Frau Abrahams gedacht. Aus unserem Blickwinkel ergibt sich aber ein Hinweis auf Johannes den Täufer, bzw. auf seine Eltern Zacharias und Elisabeth.

Psalm 114 schließlich, der das Wirken Gottes bei der Wanderung seines Volkes von Ägypten ins gelobte Land beschreibt, besingt die Macht Gottes, die durch den Messias in dieser Welt wirkt.

„Eine Stimme ruft: / In der Wüste bahnt den Weg des HERRN, ebnet in der Steppe eine Straße / für unseren Gott! Jedes Tal soll sich heben, / jeder Berg und Hügel sich senken. Was krumm ist, soll gerade werden, / und was hüglig ist, werde eben. Dann offenbart sich die Herrlichkeit des HERRN, / alles Fleisch wird sie sehen. / Ja, der Mund des HERRN hat gesprochen.“ (Jes 40, 3-5).
Es lohnt sich, einmal Psalm 114 (oder durchaus auch 111 – 114) und Jesaja 40 nebeneinander zu legen.

Dabei gibt uns Gott auch gleich einen Einblick in seine Arbeitsweise:

In Abraham offenbart sich der Wille Gottes in einer Verheißung: Sein Same soll Segen über alle Völker bringen. Gott fordert hier nicht, sondern rechnet dem Abraham dessen Glaube an die Verheißung als Gerechtigkeit an. Basis des Bundes ist also Gnade auf Seiten Gottes und Glaube auf Seiten des Menschen. In einem ersten Schritt erfüllt er diese Verheißung, indem er aus den Hebräern Israel, das Volk Gottes formt und diese ins gelobte Land führt. An dieser historischen Begebenheit ist alles symbolisch, alles auch Prophezeiung. Gott stellt das Volk unter das Gesetz, d.h., es ist ein anderer Bund, als der Abraham verheißene. Gleichzeitig geht Gott aber seinem Volk ins gelobte Land voraus – am Tag als Rauch- bei Nacht als Feuersäule. Genau dies wiederholt sich in Jesus: Der Messias ist uns in das (ewige) Reich der Verheißung vorausgegangen. Moses verarbeitet Tradition und Geschichte des Volkes im Pentateuch zum Gedenken und zur Ehre Gottes. Vermutlich ohne es bewusst wahrzunehmen, bauen er und die Propheten nach ihm beim Verarbeiten der Geschichte und den daraus gezogenen Lehren für das Volk Prophezeiungen über den zukünftigen Messias ein. Die Psalmen 111 – 114 machen dabei deutlich: Jeder Psalmist hat für sich und seine Zeit (unabhängig von den anderen) einen Lobpreis für Gott geschrieben, passend zur aktuellen Zeit und Situation. Eine Prophezeiung wird erst daraus erst viele Jahre später, als eine Redaktion die verschiedenen Schriften zu der einen Heiligen Schrift zusammenfassen und diese vier Psalmen in genau dieser Reihenfolge einfügen. Für Menschen ohne Glauben ist dies freilich eine Anhäufung von Zufällen, eine Art positive Verschwörungstheorie. Der Gläubige erkennt folgendes: Es ist Gott, der hier plant und handelt, denn der rote Faden fügt sich über viele Generationen zusammen und ist erst vom Ende her zu erkennen. Es ist Gott, der die positiven und negativen Erfahrungen der von ihm Auserwählten nutzt und ihnen bei der Verarbeitung die richtigen Worte in den Sinn gibt, so dass sie eben nicht nur – ganz bewusst – ihrem Volk eine aktuelle Lehre an die Hand geben, sondern – gelenkt von Gott – gleichzeitig eine Prophezeiung einbauen, deren Gültigkeit erst spätere Generationen nach deren Erfüllung erkennen können.

„Jede Schrift ist, als von Gott eingegeben, auch nützlich zur Belehrung, zur Widerlegung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, damit der Mensch Gottes gerüstet ist, ausgerüstet zu jedem guten Werk.“ (2. Tim, 3, 16-17)

Natürlich haben Glaube und Verschwörungstheorie hier einen wesentlichen Berührungspunkt: Die Zusammenhänge sind erst vom Ende her zu sehen. Die Möglichkeit, dass etwas erst nachträglich hineininterpretiert wurde, ist damit auch beim Evangelium nicht auszuschließen. Dass aber etwas möglich ist, ist noch kein Beweis dafür, dass es tatsächlich so ist. Bei Verschwörungstheorien gibt es immer Gegenbeweise, die selbstverständlich von den Anhängern dieser Theorien nicht anerkannt werden. Fürs Evangelium gibt es keinen Gegenbeweis. Dass Glaubensaussagen naturwissenschaftlich nicht nachweisbar sind, ist ein gültiges Argument, aber kein Gegenbeweis. Der Gläubige steht hiermit vor einer Glaubensfrage: Glaubt er in diesem Punkt Gott (dem Wort Gottes) oder glaubt der dem geäußerten, wissenschaftlichen Zweifel. Und da der Gläubige in der Regel die Existenz Gottes in seinem Leben auf die eine oder andere Weise persönlich und in positiver Weise lebensverändernd erfahren hat, ist die Behauptung der Bibel eine Bestätigung seiner Erfahrung. Der Gläubige nutzt das Wort Gottes als Verstärker eines bereits in ihm verwurzelten Glaubens, nicht als Beweis. Dem steht eine unbewiesene These der Wissenschaft gegenüber. Auch die Aussage: „Was nicht bewiesen werden kann, existiert auch nicht!“ ist letzten Endes nur ein Glaubens-Postulat. Es bietet ihm einen Glauben an, in dem alle seine positiven Erfahrungen mit einer höheren Macht Einbildung sind, er letzten Endes wieder allein in dieser Welt steht, ausgestattet mit einem Leben, dessen einziger Sinn die Fortpflanzung zur Erhaltung der eigenen Art ist. Für ein Wesen, dessen Denken die Grenzen der Zeit überwindet und das sich bisher in einem transzendentalen Zusammenhang sah und fühlte, ein sinnloses Dasein, nicht viel mehr als eine Vorhölle. Welchen Grund sollte der Gläubige haben, seine Situation zu verschlechtern?

Gläubige finden in den Psalmen 111 – 114 die vier Ebenen der Erlösung der Kinder Gottes:

  • Gottes Wille
  • Gottes Verheißung
  • Die Offenbarung/Erfüllung der Verheißung in Christus
  • Das Wirken der sich uns in Christus offenbarten Macht und Gnade in der Welt

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