Daniel 2, 17- 49 (11. + 12. November)

"Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden." (Ps 118,22 + Mk 12,10)

Die vier Gefährten ziehen sich in ihr Haus zurück und erflehen Hilfe von Gott. Der hat offensichtlich nur darauf gewartet und schenkt seinem Daniel in der Nacht eine Vision (ein Gesicht), das ihm Traum und Bedeutung erklärt. Glücklich über die Rettung durch seinen Gott lobt und preist er ihn und zieht vor den König um diesem die geforderte göttliche Weisung zu überbringen.

Gott habe dem König eine Vision geschickt, weil dieser sich in seinem Herzen gefragt habe, wie die Zukunft seines Reiches aussehe. Dabei war Gott – wie es so seine Art ist – überaus großzügig und hat ihm nicht nur die unmittelbare, sondern alle verbliebene Zukunft gezeigt.

Gesehen habe der König ein großes, furchterregendes Standbild, das Haupt aus Gold, Brust und Arme aus Silber, der Rumpf als Erz, die Beine aus Eisen, die Füße aus Eisen und Ton. Wie aus dem Nichts tauchte plötzlich ein Stein auf und zertrümmerte die Füße der Statue, die daraufhin komplett in sich zusammenstürzte und vom Wind verweht wurde. Aus dem Stein wurde ein Berg, der die ganze Erde füllte.

In der Deutung dieses Traumes ist Daniel auch eindeutig:

Der goldene Kopf das sei Nebukadnezar bzw. sein Weltreich Babylon. Gott hat ihn auserwählt, die Welt zu beherrschen. Was Daniel hier verschweigt ist natürlich, dass Gott einen Plan umsetzt – er hat Nebukadnezar also nicht im engeren Sinne auserwählt, er hat in zur Umsetzung seines Planes, sein Heil, seine Gnade über die ganze Welt zu bringen, eingespannt. Mit Nebukadnezar beginnt die Zerstreuung der Juden in alle Welt, die bei der Verkündigung des Messias noch eine wichtige Rolle spielen werden. Vielleicht war das Daniel aber auch so von seinem Gott gar nicht gezeigt worden.

Nach ihm werden weitere Reiche kommen, weniger mächtig als dieses Babylon, aber auch sie werden über die Welt herrschen. Das letzte wird gespalten sein, wie die Füße aus Eisen und Ton. Und dieses letzte Weltreich wird durch einen Stein aus dem Himmel zerstört und vertilgt werden, der am Ende die ganze Welt überstrahlen, beherrschen wird - in Ewigkeit. Nebukadnezar ist beeindruckt von der Deutung Daniels und von dessen Gott und möchte ihn mit Geschenken und Macht überschütten. Doch Daniel möchte nur Berater des Königs bleiben und bittet ihn, diese Macht auf seine drei Gefährten zu verteilen. Aus einem Stützpunkt Gottes im Weltreich Babylon werden nun vier.

Es wurde in der Vergangenheit viel über diese „vier Weltreiche“ orakelt. Zum einen sollte man vermutlich die Zahl Vier nicht unbedingt wörtlich nehmen, denn sie gehört zu den biblischen Zahlen 1, 3, 4, 7 und 12, evtl. auch 5, wobei 1 (Gott), 3 (Dreieinigkeit) und 5 (Pentateuch, Gnade) für Himmlisches und 4 (Himmelsrichtungen, Evangelisten, apokalyptische Reiter,…) und 7 (Schöpfung, in der Offenbarung genannte Gemeinden,…) für Irdisches stehen. 3*4=12 (Stämme Israels, Apostel, …) verbindet Himmlisches und Irdisches. Nach der aktuellen Deutung ist mit dem vierten das Römische Weltreich gemeint, das gespalten war, ehe es unterging und das nach der aktuellen Lesart vor der Wiederkunft des Messias wiedererstehen wird. Mit etwas Fantasie könnte man die Europäische Union („Römische Verträge“, 1957) als dieses wiedererstande Römische Reich interpretieren.

Die Art, wie Daniel das letzte Reich beschreibt, würde aber auch zur UNO oder evtl. noch entstehenden Nachfolgeorganisationen passen. Die UNO wurde 1945, gleich nach Ende des Zweiten Weltkrieges gegründet. Sie ist in der Tat ein eisernes Weltreich, denn es waren die Waffen des Zweiten Weltkrieges, welche die Notwendigkeit einer Weltordnung und einer globalen ordnenden Macht sichtbar machten und im Kalten Krieg und inzwischen zunehmend wieder ist es auch das Eisen der Waffen, das den „Frieden im Reich“ mehr schlecht als recht sichert. Die UNO ist zweifelsohne aus Eisen geschmiedet. Das Reich, das inzwischen die ganze Welt umspannt, ist in der Tat in sich gespalten (hat viele Könige), es ist keine echte Einheit, kein Miteinander, sondern eher ein Nebeneinander und eine organisierte Ansammlung nationaler Interessen. Nichtsdestotrotz werden uns die globalen Krisen und zunehmende Ressourcenknappheit früher oder später dazu zwingen aus dem UNO-Rat eine Art Weltregierung zu zimmern, die Dinge verbindlicher regelt, als das heute der Fall ist. Die Macht der UNO stünde aber auch dann– auch aufgrund der Nationalismen, die wir nie ganz überwinden werden – auf tönernen Füßen.

Die Prophezeiung Daniels würde dann bedeuten, dass die UNO (wie immer sie in Zukunft aufgestellt sein oder heißen mag) das letzte Weltreich ist und dass es die Menschen aufgrund ihrer Egoismen niemals schaffen werden, mit einer für alle gültigen, weltlichen Ordnung ein beständiges, globales, brüderliches Miteinander zu organisieren. Der Umgang mit dem Nächsten, wie in Mt 5-7 definiert, wird damit immer in der Verantwortung des Einzelnen innerhalb seiner Gemeinden auf den unterschiedlichen gesellschaftlichen Ebenen bleiben. Das Leben auf Erden nach Gottes Plan kann von keiner Staatsmacht und keiner weltlichen Organisation verordnet werden. Es kann von Menschen nicht erzwungen werden. Das Leben nach Gottes Plan wird somit bis zum Ende der Zeiten Zeichen geistiger und geistlicher Freiheit des Einzelnen bleiben. Diese gelebte Freiheit ist die Fackel des Neuen Bundes.

Daniel 2, 17-49>>