Hosea 1 – 3 (19. + 20. Juli)

Es ist sinnvoll, zunächst die Wirkungszeit des Propheten Hosea zu betrachten, um seine teilweise recht seltsamen Äußerungen in den historischen Kontext einordnen zu können.

Zur Zeit Hoseas war das Königreich Israel, das unter Salomo seine Blütezeit erlebte und zu einem Großreich herangewachsen war, bereits dem Untergang geweiht. Der Einfluss auf die Region war am Schwinden, selbst das Kernland war inzwischen in zwei Reiche zerbrochen, das kleinere Südreich, südlich von Jerusalem, nach dem einflussreichsten Stamm Juda benannt und das größere Nordreich Israel, das zur besseren Unterscheidung zum historischen Gesamtreich oft auch nach dem einflussreichsten Stamm Ephraim benannt wird. Juda war seinem Gott im Großen und Ganzen treu geblieben, Ephraim betete und opferte zu den Götzen der Nachbarreiche, was der eifersüchtigen Gott Jahwe zurecht als „Hurerei“ beschimpft, denn Israel hatte beim Einzug ins gelobte Land ihrem Gott die exklusive Treue geschworen, die der Kernpunkt des damaligen Deals mit Gott bildete.

Hoseas Äußerungen und Mahnungen beziehen sich daher hauptsächlich auf die Geschehnisse im Nordreich. Kurz zusammengefasst: Gott kündigt Ephraim den Vertrag endgültig und unabwendbar, allerdings nicht, ohne auch bereits eine Wiedereinstiegsklausel zu definieren.

Im ersten Kapitel fordert Gott Hosea auf, selbst das Gesetz zu brechen und sich eine nichtjüdische Frau zu nehmen. Er prophezeit ihm, dass aus dieser Ehe drei Kinder hervorgehen werden, die den Untergang des Nordreiches bedeuten. Der Erstgeborene wird am Königshaus Blutrache nehmen. Entsprechend des Ortes an dem das Königshaus Jehu sich damals mit dem Blut des damaligen Königs versündigt hatte, der Jesreel-Ebene, soll dieser Sohn Jesreel heißen.

Die Namen der beiden anderen Kinder bezeugen die endgültige Abwendung Gottes von seinem Volk.

Die Entwicklung ist zwar nicht mehr aufzuhalten, doch schon zu Beginn des Kapitels 2 keimt Hoffnung für die Zukunft, denn Gott kündigt bereits an, dass er sich ihnen zu gegebener Zeit, wenn das Volk sich wieder unter einem König vereint zuwenden wird. Wieder bezieht sich das Wort auf die Jesreel-Ebene. Diese ist nun das Symbol für den Untergang, sie wird aber auch das Symbol für den Wiederaufstieg sein.

Das ist die typische Vorgehensweise unseres Gottes, der die Fäden auch dann noch sicher in der Hand hält, wenn sie uns längst vollkommen entglitten sind: Er wandelt die durch Menschen verschuldete Niederlage/Katastrophe in einen vom Himmel gegebenen Triumph um.

Ein großer Teil des zweiten Kapitels nimmt die Anklageschrift Gottes gegen sein Volk ein, das er seine Braut nennt: Es hat fremden Göttern für seine Gaben und Zusicherungen gedankt und geopfert. Dafür wird er nun den im Bund mit Moses angedrohten Fluch über sie und ihre Kinder aussprechen, bis sie ihren Fehler einsehen und umkehren. Und Gott kennt auch schon den Ort der Versöhnung: Es wird das Achor-Tal sein. Dort endete seinerzeit die Wüstenwanderung mit Moses und somit wird dieses Tal nun zum Symbol der Hoffnung.

Und wenn das geeinte Israels dies aus reinem Herzen an jenem Tag tun wird, wird Gott sich ihnen ohne zu zögern wieder zuwenden.

In Kapitel 3 gibt Gott nun Hosea den Auftrag sich eine verheiratete aber untreue Frau als Ehefrau auf Zeit nehmen, sprich – der regionalen Tradition folgend: er kauft sich eine Frau auf Zeit, die danach wieder zu ihrem Mann zurückkehren wird. Die Tradition der Ehe auf Zeit, also des geregelten Ehebruchs, hat sich in manchen Regionen des Orients bis heute gehalten. Gott nutzt hier eine heidnische Tradition zur Versinnbildlichung des Weges seines Volkes: Israel ist seinem Gott untreu und hat sich damit selbst entwurzelt. Doch wenn die Zeit verstrichen ist, wird es zu seinem Gott umkehren. Die Umkehr zu Gott wird hier durch eine Entlassung aus einem aus Sicht der Frau erzwungenen Vertrag (es war stets ein Mann, der diesen Vertrag für seine Frau oder seine Tochter einging) dargestellt und damit einer Befreiung gleichgestellt.

Wir sehen in diesen ersten Kapiteln die bittere Enttäuschung eines Gottes über das von ihm erwählte Volk. Über viele Generationen hinweg hat er ihnen die Treue gehalten, hat gleichzeitig deren Untreue ignoriert, doch nun ist das Maß voll und er vollstreckt den Vertrag.

Doch wir erleben auch einen Gott übermenschlicher Liebe, der seinem Volk weiterhin seine uneingeschränkte Treue zusichert, sobald sie wieder bereits sind, diese auch anzunehmen und zu erwidern.

Wir sehen in diesen Kapiteln den Unterschied zwischen dem menschlichen Verständnis von Recht und Gerechtigkeit und dem göttlichen: Menschen, denen Unrecht widerfahren ist, fordern generell Satisfaktion, sei es in Form einer Wiedergutmachung des angerichteten Schadens und Entschädigung oder in Form einer gleichwertigen Schädigung des Verursachers. Genau aus diesem Grund – und ich vermute nur aus diesem Grund – fand auch die „Auge-um-Auge-Zahn-um-Zahn“-Regelung den Weg ins Gesetz, das Gott den Menschen am Sinai gab. Gott kennt die Seinen und weiß, dass sie diese Form des Ausgleichs brauchen. Wenn es nicht exakt geregelt ist, werden sich Menschen selbst „ihr Recht“ nehmen und es wird zu einer ungeregelten Rache- und Lynchjustiz kommen – wir können das durch alle Zeiten bis heute beobachten.

Die göttliche Gerechtigkeit hat nichts mit dieser primitiven Form des Ausgleichs zu tun. Gott sichert uns seinen Segen zu. Gerecht ist für ihn, dass wir diesen Segen ganz bewusst aus seinen Händen annehmen, gerecht ist für ihn, dass jeder Empfänger seines Segens selbst zur Quelle dieses Segens für andere wird. Wenn wir ihn immer wieder zurückweisen, wird er uns früher oder später den von uns gewählten Weg ebnen – mit all den negativen Folgen für uns. Gerecht ist dann für ihn, dass er uns ziehen lässt. Doch wenn dann unsere Fehler so zahlreich sind, dass nicht einmal wir deren Folgen noch ignorieren können, verlangt er nur Einsicht und – daraus folgend - Umkehr, keine Wiedergutmachung. Gott will, dass wir seinem Weg aus Einsicht folgen, nicht aus Angst.

Ich höre gelegentlich in Predigten, die Geduld Gottes sei groß, aber nicht unendlich. Ich glaube, dass diese Behauptung falsch ist. Gottes Geduld mit uns währt ewig, doch sein Plan mit dieser gefallenen Welt hat ein Enddatum, ebenso natürlich sein Plan mit jedem einzelnen von uns. Wenn dieses Datum erreicht ist, müssen wir bereit sein, uns in ganz in seine Hand zu geben. Wer seine Liebe und Gnade bis zu diesem Zeitpunkt nicht angenommen hat, hat sie endgültig abgelehnt und bleibt auf ewig von ihm getrennt. Das in der Offenbarung genannte ewige Feuer der Hölle ist kalt und leer. Es wird keine ewige Höllenstrafe, kein ewiges Brennen der Gefallenen zur Belustigung der Geretteten geben!

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