Christus beendet alle Religionen

In der Besprechung zu Kapitel 3 des Matthäus-Evangeliums haben wir erfahren, dass mit Christus alle Religionen der Welt ihr Ende fanden. Wie ist das zu verstehen?

Hierzu muss man die Gemeinsamkeiten aller Religionen erkennen. In einer Religion verbirgt sich Gott hinter einem Mysterium, das heißt, für die normalen Gläubigen ist er nicht greifbar. Gegenwärtig wird er durch einen Hohepriester, der das Gesetz dieses Gottes verkündigt und dessen Einhaltung überwacht. Das Gesetz ist ein Werk aus Verhaltensregeln und regelmäßig wiederkehrenden Ritualen.

Wichtig ist hier zu verstehen: Es ist ein Mensch notwendig, der als Mittler zwischen Gott und den Menschen fungiert. Dies wird in der Regel ein Hohepriester sein oder auch ein Gott-König, also ein König, der die göttliche Macht auf Erden repräsentiert. Außerdem sind die gegebenen Regeln und Rituale streng einzuhalten, denn allein durch sie wird der Bund zwischen den Menschen und ihrem Gott erhalten bzw. immer wieder erneuert. In einer Religion sind es die Werke der Menschen, die das Bündnis mit Gott und damit seinen Schutz und Segen bewirken.

Auch der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs hat sich schließlich auf einen solchen Deal mit seinem Volk eingelassen. Wir nennen ihn den Alten Bund, obwohl er eigentlich der Neue war. Wir (Christen) stehen nämlich unter dem Alten Bund, den Gott mit Abraham geschlossen hatte.

„Er [der HERR] führte ihn hinaus und sprach: Sieh doch zum Himmel hinauf und zähl die Sterne, wenn du sie zählen kannst! Und er sprach zu ihm: So zahlreich werden deine Nachkommen sein. Und er glaubte dem HERRN und das rechnete er ihm als Gerechtigkeit an.“ (1. Mo 15, 5-6)

Da ist von keinem einzuhaltenden Gesetz die Rede, Abraham soll einfach nur dem Versprechen seines Gottes glauben; er soll an Gott glauben – allein der Glaube rechtfertigt Abraham vor Gott. Genau dieser Bund wurde durch Jesus erneuert. Hier war natürlich in der Zwischenzeit einiges passiert, was nun neu eingeordnet werden musste. Gott hatte seinem Volk ein Gesetz gegeben, dieses Gesetz musste daher erfüllt werden.

Weil, soweit es um die Einhaltung von göttlichen Gesetzen geht, alle Menschen aller Religionen kläglich scheitern, musste Gott einen Weg schaffen, das Gesetz für die Menschen, aber ohne deren Zutun zu erfüllen und dieser Weg heißt Jesus!

„Ich, ich tilge deine Übertretungen um meinetwillen, und an deine Sünden will ich nie mehr gedenken!“ (Jes 43, 25)

In Jesus wird Gott Mensch und erfüllt den Vertrag allein – genau, wie er es seinerzeit Abraham zugesichert hatte (1. Mo 15, 9-21).

Im Glauben an Jesus, den Messias, den – in Ermangelung eines besseren Wortes – Sohn Gottes,

„»Ich habe meinen König eingesetzt auf Zion, meinem heiligen Berg!« — Ich will den Ratschluss des HERRN verkünden; er hat zu mir gesagt: »Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt.“ (Ps 2, 6-7)

im Glauben daran, dass Jesus das Gesetz für uns am Kreuz erfüllt und damit den Alten, den Ewigen Bund für uns beim Vater erwirkt – wieder eingesetzt – hat, werden wir von Knechten eines Gesetzes zu Freunden Jesu und zu Kindern Gottes.

Wir müssen Gott nichts mehr beweisen, daher brauchen wir keine Gesetze und keine Rituale mehr. Der Bund, in dem wir mit Gott leben, der wurde von Gott selbst errichtet ohne unser Zutun. Gott verspricht uns in diesem Bund allen göttlichen Segen, ja sogar die Macht über alle irdischen Mächte, denn nicht wir befehlen ihnen, Gott selbst befiehlt ihnen durch uns. Das meint der Begriff „Erben Gottes“.

Als Erben Gottes sind wir frei von allen Verpflichtungen unsere Gerechtigkeit und Rechtmäßigkeit vor Gott zu beweisen. Menschen, die (an) Christus glauben, sind damit auch befreit von allen Religionen. Die (wahren) Nachfolger Christi werden vom Geist Gottes geführt, nicht von rein äußerlichen Regeln und Ritualen. Mit unserem Bekenntnis zu Christus wird kein Bund mit Gott geschlossen (wie das bei einer Religion der Fall wäre), diesen Bund hat Gott mit jedem von uns bereits durch Jesus geschlossen. Mit dem Bekenntnis nehmen wir das Geschenk an, denn wie wir mit diesem Geschenk umgehen und ob wir es Teil unseres Lebens werden lassen, das überlässt Gott nach wie vor uns.

Haben wir aber im Herzen verstanden, was dieses Bekenntnis und dieser Glaube für uns bedeutet, dann sind wir für alle Religionen dieser Welt verloren. Warum sollte ein Mensch sich äußerlichen Regeln und Ritualen unterwerfen, wenn Gott ihm bereits die Rettung zugesichert hat?

Das hat sich seinerzeit Paulus auch immer wieder gefragt, ganz besonders bei den Galatern. Ihnen wurde das befreiende Evangelium verkündigt und kurze Zeit später wollten sie Juden, genauer Proselyten, werden. Es drängt die Menschen offensichtlich in äußere Regeln und Rituale. Diese haben einen weitaus höheren Wiedererkennungswert als im Herzen getragene innere Werte.

Und so wundert es nicht, dass sich auch aus dem christlichen Glauben nach einer gewissen Zeit eine Religion entwickelte. Es ist wichtig zu erkennen, dass diese Religion von Gott geduldet aber nicht gestiftet wurde. Geduldet im Sinne von:

„Ob ihr nun esst oder trinkt oder sonst etwas tut — tut alles zur Ehre Gottes!“ (1. Kor 10, 31)

So ist es uns erlaubt, uns auch in einer Religion, mit Regeln und Ritualen häuslich einzurichten, wenn uns dies denn hilft, Gott zu Ehren. Gefährlich wird es, wenn sich diese Religion zu verselbständigen beginnt, wenn der rechte Glaube plötzlich wieder vom Einhalten und Beibehalten von Regeln und Ritualen abhängt, denn dann steht nicht mehr unser Gott, sondern die von uns geschaffene Religion im Zentrum.

Während der Glaube an Gott dynamisch ist, denn Gott ist bei den Menschen und geht mit ihnen, sind Religionen erstarrt. Das bemerken wir dann, wenn die Gläubigen plötzlich anfangen zu diskutieren. Es ist ihr Glaube, es ist die dem Glauben innewohnende Dynamik, die sie immer wieder aus erstarrten Strukturen ausbrechen lässt. Gott ist stärker als jede Religion; der Glaube ist stärker als jede Religion.

Diskussionen über die weitere Entwicklung einer Religionsgemeinschaft, sich ausbreitende Ausbrüche aus den erstarrten Strukturen dieser Gemeinschaft sind damit keine Zeichen eines schwächer werdenden oder gar schwachen Glaubens, sie sind die unübersehbaren Zeichen eines lebendigen Glaubens. Die Entscheidungsträger einer solchen diskutierenden Religionsgemeinschaft sollten sich über diese Zeichen freuen, sie begrüßen und moderieren, ja die ständige Erneuerung der Organisation mit ihrer ganzen Kraft fördern.

Eine Religion kann ein Werkzeug des Glaubens sein, solange es an die Bedürfnisse der Gläubigen angepasst ist und bleibt. Wer dagegen erzwingen möchte, den Glauben an das Werkzeug anzupassen, der tötet den Glauben.