Markus 4 (12. – 15. Januar)

„Innenansichten – Außenansichten“, so könnte man Kapitel 4 überschreiben.

Jesus beginnt mit seiner Lehre in „vollen Lehrsälen“. Die Ufer sind dicht bevölkert mit Groupies und Fans des neuen Predigers. Neue Besen kehren offensichtlich gut. Jesus, der natürlich weiß, dass der Hype um ihn Wellen schlägt und viele der Anwesenden nur an seinen Lippen hängen, weil sie hoffen ein Wunder zu sehen, stellt sich darauf ein und lehrt in Gleichnissen. Gleich das erste handelt von ihm und der Fangemeinde. Das dürften die meisten aber gar nicht bemerkt haben, denn er erzählt „nur“ eine alltägliche Geschichte. Da ist ein Landwirt, der Saatgut aussät und es passiert, was tagtäglich passiert: Ein Teil fällt auf unbrauchbaren Grund und verdirbt, ein anderer fällt auf fruchtbaren Ackerboden und bringt reichlich Frucht. Schließlich ist die Zeit der Ernte da.

Ich kann die Ahs, Ohs und Wows fast hören, die da durch die Menge raunten. Ja, damit kannten sich die Menschen damals aus, endlich mal einer aus dem Volk, endlich mal einer der Klartext redet! Doch wer von den Anwesenden hat wirklich erkannt, dass Jesus hier von ihnen sprach und der Art, wie sie auf das Wort, das er aussäte, reagieren würden? Es können nicht sehr viele gewesen sein, denn selbst die Jünger müssen anschließend nachfragen, was das gerade sollte.

Ihnen und jenen, die nach dieser alltäglichen Geschichte noch Fragen hatten und näherkamen, erklärt Jesus, was er gerade wirklich erzählt hat. Ein Samenkorn fällt so, wie der Sämann es wirft und wird entsprechend der dort gegebenen Möglichkeiten aufgehen und gedeihen, also leben und Leben hervorbringen. Oder es wird tot zur Erde fallen und auch tot bleiben.

Die Saat des Herrn ist da etwas anders gestrickt. Auch sie fällt zwar überall gleichermaßen hin, doch sie ist ganz bewusst so gebaut, dass sie nur fruchtbaren Boden erreicht, genauer: bereichert. Die Kinder der Welt werden das Wort hören aber nicht verstehen und so wird es ihnen wieder genommen werden. Sie sind für das Reich Gottes tot und sie werden tot bleiben. Die Kinder Gottes werden das Wort hören und verstehen und das Wort wird sie verändern. Sie sind für das Leben bestimmt, tragen das Leben Gottes in sich, das nun durch das Wort aufgeht und Frucht hervorbringt: ewiges Leben für sich und für alle die durch sie an das Wort kommen werden.

Denn das ist Mission! Das Wort nimmt den Menschen ein, es macht ihn zum Licht, wie der Urheber des Wortes Licht für die Welt ist. Der Mensch bringt Frucht, weil er das Licht nicht verbergen kann. Er missioniert, indem er durch sein Leben Licht für andere wird. Und weil die Menschen, das zeigen alle alten Kulturen, immer das Licht gesucht haben, wird dieser Mensch wahrgenommen werden und er wird den Leuten nicht aufdrängen müssen, wer oder was ihn licht machte – die ihn als Licht wahrnehmen, werden ihn danach fragen. Zu allen Zeiten zieht es die Menschen zum Licht! Die Kinder der Welt beten die Lichter an, die aus der Welt kommen, die Kinder Gottes beten das Licht an, das von Gott in die Welt kam.

Jesus erklärt am Bild des Samenkorns auch das Wesen des Reiches Gottes. Es ist kein eingegrenztes geographisches Gebiet und auch kein Gebäude. Das Reich Gottes wächst, d.h., es lebt. Das Reich Gottes ist das Leben selbst, das Gott seinen Kindern gibt. Es ist zuerst im Einzelnen und in einzelnen Personen ganz klein, kaum wahrnehmbar, aber Gott, der Gärtner, bringt es in fruchtbaren Grund, hegt und pflegt es und schließlich wächst es in der Gemeinschaft der Gläubigen zu einem Baum heran, der die ganze Schöpfung überragt. Das unscheinbare Samenkorn, das dies alles in Gang setzt, trägt den Namen Jesus!

Ob sich die Jünger nach diesem lehrreichen Tag der Größe, Macht und Herrlichkeit bewusst sind, der sie allein aufgrund der Tatsache von Jesus auserwählt worden zu sein teilhaftig wurden und sind, überprüft er bei der gemeinsamen Überquerung des Sees Genezareth in einem Boot. Es kommt plötzlich ein Sturm auf, wie das aufgrund der geographischen Lage des Sees gar nicht mal so unüblich ist und das Boot, wohl eher eine Nussschale, droht abzusaufen. Derweil „schläft“ Jesus an einem Ende des Bootes, dem Evangelisten scheint es wichtig, zu erwähnen, dass der Meister auf einem Kissen liegt, als ob dieses den hohen Wellengang von Jesu Gleichgewichtssinn abgehalten hätte.

Was tun die Jungs nun? Richtig, sie geraten in Panik und wecken Jesus: „Herr, kümmert es dich nicht, dass wir umkommen?“ (Mk 4,38). Jesus droht dem Wind und der See ist wieder ganz ruhig. In der Verwunderung, dass der Kerl auch dem Wetter befehlen kann, fällt ihnen wohl gar nicht seine Frage auf: „Habt ihr keinen Glauben?“ (Mk 4, 40). Man könnte hier herauslesen, die Furcht sei für diese Zwölf unbegründet gewesen, weil ja der Herr bei ihnen war und in der Prophezeiung über ihn nirgendwo zu lesen war, dass er in einem tiefen Wasser ersaufen würde. Man könnte also herauslesen, dass er ihnen beibringen wollte, ihm zu vertrauen, ihm zu glauben. Aber das taten sie ja, sonst hätten sie ihn nicht geweckt, in der Hoffnung, dass er noch irgendwas machen kann.

Jesus versucht seinen Schülern hier beizubringen, was es bedeutet ein Jünger Jesu, also ein Kind Gottes zu sein. Wir sind die Hände und die Füße Gottes! Wir sind autorisiert und auch aufgerufen in seinem Namen zu handeln! Hätte es also auch funktioniert, wenn einfach Petrus oder alle Zwölf dem Wind befohlen hätten still zu sein? Könnten also auch wir einfach der Welt befehlen, die Dinge zu unterlassen, die uns gefährden, z.B. dem Klima befehlen stabil zu bleiben?

So einfach ist es vermutlich nicht, denn Jesus hatte nichts getan, was den Wind ausgelöst hat, wir haben dagegen unser Klima sehr gründlich selbst versaut. Es geht bei dieser Lehre auf dem See daher vielmehr darum, wie wir Bedrohungen begegnen sollen: Bestimmt, ohne Furcht und mit dem vollen Vertrauen auf Gott, d.h. unserem Glauben. Genau wie der Glaube unsere inneren Dämonen in Schach zu halten vermag, kann er es auch mit den äußeren.

Und wie geht das? Jesus macht es vor. Sein Aufstehen und sich gegen den Wind drehen ist das Bild für sich der Bedrohung in den Weg stellen. In seiner Aussage: „Werde still!“ (Mk 4, 39) ist eine Zieldefinition festgelegt. Zieldefinition (Aussage) und Aktion (sich gegen den Wind stellen), beides sind in konkreten Situationen unverzichtbare Komponenten tätigen Glaubens. In dieser Kombination – Zieldefinition*, Aktion, Glaube – haben die Kinder Gottes in dieser Welt unbegrenzte Macht, wenn es darum geht, als Füße und Hände Gottes dessen Willen zu erfüllen. Leider reicht unser Glaube auch heute meist nur zu einem verzagten: „Herr, kümmert es dich nicht, dass wir umkommen?“

Und was war doch gleich nochmal sein Wille?

Markus 4 >> 


 

* Was das Formulieren einer Zieldefinition für uns Normalsterbliche so schwierig macht, ist die Tatsache, dass Jesus hier nicht sagte: „Wind, lass uns mal zusammensitzen und ausdiskutieren, wie du zur Freude anderer weiterhin in der gewohnten Weise wehen kannst, aber ohne dieses Boot zu gefährden.“ Jede zielführende Aktion hängt leider immer von einer geeigneten Zieldefinition ab.