„… ihr aber habt eine Räuberhöhle daraus gemacht!“

„Und er lehrte und sprach zu ihnen: Steht nicht geschrieben: »Mein Haus soll ein Bethaus für alle Völker genannt werden«? Ihr aber habt eine Räuberhöhle daraus gemacht!“ (Mk 11, 17)

Im Rahmen der Betrachtung des Buches Jesaja bin ich auch wieder an diesen – vermutlich einzigen – Ausfall Jesu erinnert worden. Heute verwenden Prediger für „Räuberhöhle“ lieber den sanfteren Begriff „Kaufhaus“, „Marktplatz“ oder „Markthalle“. Egal, welche Übersetzung ich mir aber ansehe, meistens steht da tatsächlich auch in den modernen der Begriff Räuberhöhle. Auch ohne Kenntnis der alten Sprachen muss ich daher annehmen, das von Jesus verwendete Wort steht in seiner Bedeutung dem Begriff Räuberhöhle näher als die anderen denkbaren Übersetzungen.

Warum benutzt Jesus also solch einen drastischen Begriff? War das wirklich nur der Ausdruck und Ausbruch von angestauter Wut und Verzweiflung über die beharrliche Verirrung des Volkes Gottes?

Bethaus, ein Haus zum Beten, ein Haus zum Innehalten, so kurz vor dem Passah-Fest auch ein Haus der Buße, die auch mit Gebet einhergeht, wobei das Gebet hier dann eher in Form eines materiellen Sühneopfers nebst der zugehörigen Zeremonie geleistet wird. Und genau in diesem Kontext muss die Szene wohl betrachtet werden.

Gott hat mit Moses als Vermittler einen Bund mit dem Volk Israel geschlossen. Hierbei ging es zunächst nicht um Leistung und Gegenleistung, der Bund war niemals ein Tauschgeschäft! Gott beschloss sein Volk zu befreien, weil dies die richtige Zeit dafür war. Die Befreiung war sichtbares Zeichen der Liebe Gottes für sein Volk. Die Liebe verändert den Menschen, das wird jeder Mensch bestätigen, der schon einmal geliebt hat oder gar schon einmal eine Liebe verloren hat und so den Unterschied wahrnehmen konnte.

Genauso verändert auch die Liebe Gottes zu den Menschen die Menschen, die diese Liebe erfahren!

Genauso würde sich auch die Haltung der Menschen aus dem Volk Israel zu ihrem Gott verändern. Einem Gott, der mir Gutes tut, dem werde ich vertrauen. Und wenn ich dann sogar sehe, dass er nicht nur mir Gutes tut, sondern diese göttliche Gnade meinem ganzen Volk zukommt, wenn ich also erlebe, dass Gott das ganze Volk – jeden einzelnen – so liebt, wie er mich liebt, dann wird sich auch meine Haltung zu diesem Volk ändern, denn wie kann ich das nicht lieben, das mein Gott liebt?

Und genau das, diese Haltung, die sich einstellt, wenn ein Volk die Liebe seines Gottes erfährt, ist beschrieben im Gesetz. Die Zehn Gebote sind ein Verhaltenskodex – ein Verhalten, das sich auf ganz natürliche Weise einstellen würde, wenn die Herzen der Menschen nicht in ihrer Natur verhärtet und egoistisch wären.

Also macht man aus dem Kodex ein Gesetz, in dem auch die Konsequenzen für Verstöße aufgeschrieben sind. Das Gesetz Gottes ist also kein Strafgesetzbuch, es trägt nur der Realität Rechnung, dass der Mensch versagen wird und gibt ihm ein Werkzeug, Buße genannt, an die Hand, das ihm helfen soll innezuhalten und eine Verhaltensänderung – eine Haltungsänderung – anzustreben.

Wir wissen, dass auch das nicht gelungen ist!

Die Israeliten entwickelten einen gut durchorganisierten Opferkult, wie ihn jede Religion vorweisen kann, die etwas auf sich hält. Du musst nicht mehr deine Haltung gegenüber Gott und den Menschen überprüfen, es ist nur noch eine Frage deines Geldbeutels, wie viel Schuld du dir leisten kannst!

Doch wir sollten jetzt nicht mit dem Finger auf die Juden zeigen!

Die von Martin Luther geächteten Ablassbriefe waren von der Idee und dem eingesetzten Marketing dahinter genau dasselbe. Sicher, der Zweck war scheinbar viel profaner; durch den Ablasshandel sollte der Apostolische Palast in Rom finanziert werden. Wenn sich eine Kirchenorganisation aber selbst als die Vertreterin Gottes auf Erden betrachtet, ist es nur noch ein rein formeller Unterschied ob dein Geld in einem Feuer auf einem Opferaltar verbrennt oder durch die Finanzierung eines kirchlichen Prachtbaus „zur Ehre Gottes“ verbrannt wird.

Einige Nummern kleiner, aber nicht wirklich anders sah es bis weit ins letzte Jahrhundert mit der Bußleistung eines Katholiken nach der Beichte aus. Diese bestand in der Regel aus einer gewissen Anzahl an Vater-Unsern und Ave-Marien – Sünde gegen Gebet, ein einfaches Tauschgeschäft. Man kann nun mit Recht fragen, welche göttliche Einsicht über sein falsches Verhalten der bußfertige Christ nach dem dritten Vater-unser haben wird, die ihm nach dem ersten noch nicht zugänglich war oder inwiefern das fünfte Ave-Maria aus ihm einen besseren Menschen macht, als er es vor dem ersten war. Im Empfinden von Buße und dem Umgang damit unterscheidet sich diese Praxis nicht vom Schlachten und Verbrennen eines Tieres, auch wenn sie natürlich vom Kostenaufwand erheblich günstiger daher kommt.

Wenn man nun – zugegeben etwas phantasievoller, aber nicht zu abgehoben – einen Blick auf die italienische Mafia legt (die historisch immer eine enge Beziehung zur römisch-katholischen Kirche pflegte), so sieht man, wie aus diesem ursprünglichen Tauschgeschäft – Opfer gegen Schutz – ein sehr einträgliches Geschäftsmodell wurde … und plötzlich klingt der Begriff „Räuberhöhle“ geradezu prophetisch!

Ja, natürlich, auch der größte Prophet des Alten Bundes, Johannes der Täufer rief zu Umkehr und Buße auf, taufte die Menschen sogar zur Buße im Jordan. Doch es muss hier beachtet werden, zu welchem Zweck die Menschen Buße tun sollten:

Der Messias kommt!

Das ist ein freudiges Ereignis, heute würde man sagen ein Grund zum Feiern. Die Buße, die Johannes predigt, ist eine Buße der Vorbereitung zu dieser Feier. In gewissem Sinne verbringst du bei dieser Buße etwas mehr Zeit als üblich im Bad und holst deinen besten Anzug aus dem Schrank. Deine (Buß-)Handlungen geschehen nicht aus Angst, sondern sind Ausdruck schierer Vorfreude auf das Fest!

Dass Buße, also Innehalten und Umkehr, ein inneres Groß-Reinemachen, ein seelisches Sich-Aufbrezeln für die große Sause ist, die ansteht, das wurde in den letzten 2000 Jahren zugegebenermaßen vom selbsternannten Fußvolk Gottes vermutlich nicht hinreichend betont.

Doch die Situation ist heute nicht anders als vor 2000 Jahren!

Christus kommt wieder! Gott hat bisher alle seine Versprechen eingehalten, so wird auch dieses eintreffen. Die Israeliten jener Zeit wussten nicht, wie nahe der Herr bereits war, aber wir wissen das auch nicht.

Das Fest kommt und du bist eingeladen! Du willst doch nicht wie ein Honk auf der Party stehen? Genau dafür ist deine Buße gedacht! Passt die Hose noch? Sind Flecken auf dem Hemd? Ist das Festgewand, das dir vom Gastgeber überlassen wurde noch in gutem Zustand und vor allem griffbereit?

Und zum Abschluss wird es jetzt doch nochmal etwas ernster …

Aber hast du gelesen, was Jesus über die Begleiterscheinungen des Festes gesagt hat? Das ist doch furchterregend, oder?

Ja, da werden Zeichen sein – vielleicht sehen wir die ersten davon schon, ich weiß es nicht – die einen ängstigen könnten. Und zu allen Zeiten sind Menschen auf diesem Planeten unterwegs, Seelenfänger, die mit dieser Angst spielen und sie ausnutzen.

Der Gastgeber, der alle Zeichen vorab angekündigt und somit bestätigt hat, sagt uns aber:

„Habt Vertrauen, ich bin es; fürchtet euch nicht!“ (Mk 6, 50)

Er hat uns versprochen, dass er uns abholt. Ja, es könnte davor heftig werden, doch wir können diese Zeichen nicht abwenden und wir können nicht vor ihnen weglaufen, wenn sie losbrechen. Angst ist ein Reflex, der Kräfte mobilisieren soll, entweder um einen Gegenangriff zu starten oder um wegzulaufen. Bei den Zeichen des Himmels wird beides nicht funktionieren, in Angst zu leben wäre hier darum völlig nutzlos. Angst auszulösen kann damit niemals im Sinne Gottes sein, denn er würde nie nutzlose Dinge von uns fordern oder gar erwarten. Gott macht uns daher frei  auch frei von Angst. Allein das Vertrauen auf die Versprechen Gottes, der alle Versprechen gehalten hat, kann uns über diese End-Zeit (oder – je nach Betrachtungswinkel – Vor-Zeit) helfen.

Gott verspricht dir: „Egal was kommt, du wirst Gast auf meiner Party sein! Ich hole dich persönlich ab.“ Glaube heißt, dieses Versprechen zu glauben, also diesem Gott zu vertrauen und aus diesem Vertrauen heraus zu leben.

Lebe!