„Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet“ – Teil 2

Irgendwie habe ich so das Gefühl, dass Paps schon anfängt, mich mit Ideen für MC 2025 einzudecken, eine Art Bevorratung für Dürre- und andere Zeiten. Dass er das immer mal tut, kennen wir aus dem Buch Exodus, wo es für das Volk Israel am sechsten Tag der Woche einfach die doppelte Menge Manna vom Himmel gab, weil ja am Sabbat nicht gesammelt werden durfte.

Wundert euch also nicht, wenn der ein oder andere Text von hier im nächsten Jahr unter anderem Zusammenhang wieder auftaucht!

Nun zum Thema:

Neulich fand ich auf Facebook eine Gegenüberstellung: eine Seite „Jesus sagt“, die andere Seite „Mohammed sagt“. Auf beiden Seiten standen immer jeweils nur ein paar Worte eines Satzes aus der Bibel oder aus dem Koran, also für Jesus „liebt, vergebt, helft, …“, für Mohammed „tötet, ermordet, schlachtet … ab“. Die Gegenüberstellung ist also genau das, wovor dringend gewarnt werden muss: Textstellen aus einem Buch aus dem Zusammenhang zu reißen, um den eigenen Standpunkt zu belegen. Darunter stand dann die Frage, wen man denn bei dieser Auswahl an Zitaten als Lehrer wählen würde.

Ich gehe davon aus, dass der Poster sich natürlich zu Jesus als Lehrer bekennt, müsste ihm aber dann ins Stammbuch schreiben, dass er nicht aufgepasst hat, als ihn sein Lehrer unterrichtete. Denn Jesus sagt eben auch:

„Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet! Denn wie ihr richtet, so werdet ihr gerichtet werden und nach dem Maß, mit dem ihr messt, werdet ihr gemessen werden.“ (Mt 7, 1-2)

Mit dem von ihm angewandten Maß den Poster zu messen, wäre in diesem Fall sogar ganz einfach!

Jesus selbst sagt: „Denkt nicht, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen. Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert.“ (Mt 10, 34)

Und wenn Gott im Alten Bund Anweisungen darüber gibt, wie mit Andersgläubigen und Sündern umzugehen sei, so fallen Aufforderungen wie

„Er soll ausgerottet werden“ (4. Mose 15, x)

„der wird ausgerottet werden“ (3. Mose 7, 25)

„Seine Nachkommen sollen ausgerottet werden“ (Psalm 109)

… und wer suchet, der findet. Mit dem nötigen Fleiß lassen sich sicher auch weitere Zitate von Jesus und seinen Aposteln finden, die als Gewaltaufruf missinterpretiert werden könnten.

Ja, missinterpretiert!

Denn schon im alten Testament warnt Gott die Menschen ausdrücklich davor, sich als Richter über andere aufzuspielen. Er allein ist der Richter und sein Gericht wird am Jüngsten Tag stattfinden, wenn alle Menschen die Reife besitzen werden, seinen Richterspruch als wahr und richtig zu begreifen.

Natürlich gibt es in der Bibel auch Stellen, wo Gott die Israeliten als Volk aufruft, über andere Völker in seinem Namen Gericht zu halten oder sogar Könige anderer Völker scheinbar ermächtigt, Richter über sein ihm untreu gewordenes Volk zu sein. Doch wenn man dann etwas weiterliest, stellt man fest, dass diese fremden, ungläubigen Richter am Ende von Gott auch gerichtet werden für ihren Frevel. Sie sind nicht wirklich Richter, sondern Erfüllungsgehilfen, die am Ende auch noch dafür zur Verantwortung gezogen werden – ein schlechtes Geschäft! Und das Volk Israel hat eine Bildfunktion für das heutige Volk Gottes, also die Kirche Christi (zu der am Ende der Zeit auch jene Israeliten (in ganz besonderem Maße!) gehören werden, die dann Christus als Messias erkannt haben). Dabei ist unser Schwert heute allein das Wort – und zwar nicht, indem wir es anderen aufzwängen, sondern indem wir es beachten, achten und – gegen alle Hindernisse und Verführungen in dieser Welt – leben. Menschen sollen durch unser Beispiel von der Wahrhaftigkeit dieses Wortes überzeugt werden und erst dadurch neugierig werden auf die Lehre, nicht durch Indoktrination und manipulative Fragenstellungen, erstrecht nicht durch Gewalt. Das zieht sich (siehe Bergpredigt) wie ein roter Faden durch die ganze Frohe Botschaft. Und wenn wir ehrlich sind, dann ist da bei jedem von uns noch eine Menge Luft nach oben!

Aber ist eine Gegenüberstellung von Aussagen bereits „über andere richten“?

Ja, denn jede solche Gegenüberstellung ist wertend und hat im Grunde nur den Zweck, sich selbst über andere zu stellen („ich bin besser als …“) und sich über diese Argumentation das Recht zu nehmen, andere abzuwerten, das ist Richten! Richten im biblischen Sinne bedeutet, sich über andere zu stellen und ein abschließendes Urteil über ihren Glauben zu fällen. Beim Richten im biblischen Sinne geht es nicht um unschuldig oder schuldig (wir alle sind schuldig!), sondern um richtig und falsch, um Wahrheit und Irrtum. Und hierzu meint Jesus auch:

„Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht? Oder wie kannst du zu deinem Bruder sagen: Lass mich den Splitter aus deinem Auge herausziehen! - und siehe, in deinem Auge steckt ein Balken! Du Heuchler! Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge, dann kannst du zusehen, den Splitter aus dem Auge deines Bruders herauszuziehen!“ (Mt 7, 3-5)

Das schließt sich direkt an das Verbot über andere zu richten an, steht also in direktem Zusammenhang mit dieser Aussage. Es gibt genügend Splitter im Auge der Christenheit und jeder Christ findet in seinen Augen auch mindestens einen. Da ist genug zu tun für ein ganzes Leben!

Ruft der Lehrer Mohammed seine Schüler zur Gewalt gegen Ungläubige auf? Es gibt definitiv eine gewisse Anzahl „Gläubiger“, die das so sehen und entsprechend handeln. Ich kann das aber nicht sagen, denn ich kenne den Koran nicht gut genug. Vorstellen kann ich es mir von jemandem, der sich als Freund Jesu bezeichnet aber nur schwer. So kenne ich in meinem direkten Umfeld Menschen, die nach der Lehre Mohammeds leben und an deren Entscheidungen und Handlungen ich mehr christliche Züge erkenne, als an denen mancher Christen. Insofern erscheint es mir selbstverständlich, dass Nächstenliebe als Auftrag auch im Zentrum des Korans steht und dort für die Menschen offenen Herzens leicht zu finden ist. 

Dass es Menschen gibt, die es schaffen Wort und Auftrag Gottes falsch zu verstehen, trifft auf alle drei Religionen zu, die sich zum Gott Abrahams bekennen. Es gibt daher keinen Grund, dass Mitglieder einer Gruppe mit dem Zeigefinger auf die andere(n) zeigen. 

Und was die teilweise martiale Sprache der Bibel betrifft: Dieses Buch entstand vor 4000 bis ca. 2000 Jahren und es wurde von Menschen geschrieben. Diese Menschen waren von Gott auserwählt und wurden von ihm geführt und gelenkt, aber sie hatten immer noch einen freien Willen und waren Kinder ihrer Zeit und ihrer Welt. Genauso sind ihre Texte formuliert! Gott gab diesen Menschen die Inspiration in Gedanken, Bildern und Visionen, die Worte wählten sie aber selbst. Selbst wenn der Knecht Johannes in der Offenbarung schreibt, dass ein Engel ihm den Auftrag gab, alles, was er hört und sieht aufzuschreiben, so konnte er dafür nur die Worte und Bilder aus seiner Welt, der realen wie der ihm aus Erzählungen bekannten mythologischen nutzen. Es ist ziemlich sicher, dass die Propheten, Apostel und sonstigen Boten Gottes heute andere Worte für dieselben Aussagen wählen würden. Vermutlich würde sogar Jesus heute andere Gleichnisse erzählen, um uns Gott, das Himmelreich und unser eigenes Verhalten zu erklären und zu verdeutlichen.

Auch wenn ich damit einigen besonders frommen Moslems vermutlich auf die Füße trete: Genau das trifft auch auf die Inspirationen zu, die Gott Mohammed gab! Mohammed hat Dinge so weitergegeben, wie er sie mit seinem Verstand begreifen konnte. Er hat das mit großer Sorgfalt und sicher auch mit sehr großer Liebe zu diesem sich ihm offenbarenden Gott getan. Aber was völlig außerhalb seines Verständnisses über die reale und mythologische Welt lag, musste er in ihm bekannte Muster einsortieren, um sie weitergeben zu können. Und: Hätte Gott ihn etwas anderes erzählen/schreiben lassen, dann hätten es seine Zuhörer nicht verstanden und es wäre gleich wieder in Vergessenheit geraten. Noch mehr gilt das für all die großen Männer, die, ähnlich den Aposteln und historischen wie heutigen Kirchenlehrern, nach Mohammed die Idee des Islam weiterführten und die Lehre ihres Lehrers deuteten, interpretierten und weiterentwickelten!

Der große Lehrer in Glaubensfragen ist Gott allein und er holt seine Kinder dort ab, wo sie stehen. Das ist ewig gültige Pädagogik!

Natürlich müssen die Kinder, egal welcher Religion sie sich zugehörig fühlen, dann auch irgendwann mal bereit sein, unter dieser (göttlichen) Führung und dem Erfahrenen auf den eigenen Füßen weiterzugehen und dürfen nicht an dem Punkt verharren, wo sie einst von ihrem Gott aufgesammelt wurden. Das Wort Gottes ist keinem Zeitgeist unterworfen, die Worte, in die wir es kleiden aber schon,. Das Wort behält ewige Gültigkeit, die es erklärenden Worte müssen immer wieder neu erarbeitet werden. Darum fordert Gott uns (Juden, Christen und Moslems) auf, sein Wort immer und immer wieder zu lesen und es uns immer wieder neu zu erschließen. Sprache und ihr Verständnis sind einem ständigen Wandel unterzogen. Gott möchte aber in und von den Menschen aller Zeiten verstanden werden!