Die Gretchenfrage: Gnade oder Gesetz

Auf diesem Gebiet tobt – auch wenn es keiner zugeben würde – ein gewaltiger Kampf unter den Christen. Gnaden-Prediger verkünden nach den Briefen von Paulus, dass Christen nur durch den Glauben an den auferstandenen Christus vor Gott gerechtfertigt sind und nicht mehr unter dem Gesetz stehen. Und sie gehen dabei noch weiter indem sie davor warnen, sich durch Leben nach dem Gesetz die Gnade verdienen zu wollen: Du kannst nichts aus eigener Kraft tun, um vor Gott gerechtfertigt zu sein. Wenn du versuchst nach dem Gesetz zu leben verhöhnst du den Opfertod Jesu, der durch Tod und Auferstehung das Gesetz ein für allemal erfüllt hat. Dann weist du das Gnaden-Geschenk Gottes zurück, was an Gotteslästerung grenzt! - Dies kann ebenfalls direkt aus den Paulus-Briefen abgeleitet werden.

Das ruft natürlich die Traditionalisten auf den Plan, die mit Recht – bzw. mit Jakobus – darauf hinweisen, dass Glaube ohne Taten tot sei und die daraus ableiten, dass das Einhalten des Gesetzes, also ein bestimmtes aus dem Gesetz abgeleitetes Verhalten vom Gläubigen als Beweis seiner Treue zu Gott unverzichtbar sei. Den Gnaden-Predigern werfen sie vor, sündhaftes Verhalten zu rechtfertigen, schlimmstenfalls setzen sie Gnaden-Prediger mit Inkarnationen des Anti-Christen gleich, die Christen mit der Schrift dazu verleiten, gegen das Wort Gottes zu leben und somit der ewigen Verdammnis anheim zu fallen. So ist das nämlich in der Offenbarung des Johannes für die Endzeit, also die letzte Phase vor dem Jüngsten Gericht angekündigt.

Es erscheint mir an dieser Stelle sinnvoll, mich mal etwas mehr mit dem erwähnten Gesetz zu beschäftigen. Viele werden das Gesetz vermutlich mit den 10 Geboten gleichsetzen, was aber falsch ist. Das Gesetz baut sich über mehrere Bücher des Alten Testaments auf. Es regelt das Zusammenleben der Menschen einschließlich der zu verhängenden Strafen bei Gesetzesverletzungen, das Verhalten vor Gott, Speiseregeln, Opferregeln usw. Kurzum, es beschreibt im Detail, wie gottgefälliges Leben auszusehen hat. Dabei verlangt es, verlangt Gott, dieses Gesetz mit ganzer Hingabe zu erfüllen. Das heißt, wer die Regeln nur dem Wort nach befolgt, aber nicht mit Freude, Leidenschaft und aus voller Überzeugung, der sündigt und bricht den Bund mit Gott, verliert seinen Platz im Paradies und endet im ewigen Feuer. Daher sind auch die Opferregeln, die den Bund mit Gott stärken und ihn im Falle von Sünde mittels Sündopfers (ein makelloses Kalb oder Lamm) wiederherstellen für den Einzelnen mit die wichtigsten Gesetze, sofern man das Vorhandensein einer Rangordnung im Gesetz annimmt (was aber auch falsch ist). Es muss dem Gläubigen auch absolut klar sein, dass die Verletzung der vermeintlich kleinsten Regel des Gesetzes den Bund mit Gott bricht! Flapsig ausgedrückt: Du bist genervt über deinen Nachbarn, der wegen drei frisch gefallener Blätter gefühlt stundenlang mit dem laufenden Laubbläser vor deinem Fenster patrouilliert und denkst für einen kurzen Moment irgendwas Schlechtes über ihn – Peng! – dein Bund mit Gott ist geplatzt. Dir gefällt eine hübsche Frau, die dir auf der Straße begegnet und du denkst dir: „Hmm, die würde ich nicht von Bettkante schupsen.“ – Peng! – Das Höllenfeuer ist dir gewiss. Der Wecker klingelt am Sonntagmorgen, damit du rechtzeitig zum Gottesdienst kommst und du bist für einen Moment missmutig, weil du grad so schön geschlafen hast. Du Heuchler, du Gotteslästerer! Ewige Verdammnis wartet auf dich. Es fallen dir sicher selbst hunderte weiterer Beispiele aus deinem Alltag ein. Die 10 Gebote sind gewissermaßen der Flyer zum Gesetz.

Es muss uns absolut klar sein: Kein Mensch kann das Gesetz einhalten, wir sind also alle verloren. Deswegen sagt auch Paulus: Das Gesetz ist nicht gemacht um uns zu retten, sondern um uns zu verdammen. Es bringt dem Menschen nicht das Leben sondern den Tod. Oder anders ausgedrückt: Wenn du an Gott glaubst, dann macht dir das Gesetz klar, dass du Gott brauchst. Mehr vermag es nicht zu leisten.

Nun liebt dich Gott aber und lässt dich nicht fallen, nur weil du Mensch bist. Deswegen ist es logisch, dass er einen mordsmäßigen Aufwand treibt, um dich zu retten. Du kannst das Gesetz nicht einhalten, dann schickt Gott einen Menschen, der das kann – und weil es kein Mensch kann, kommt er selbst als sein eigener Sohn. Nur Gott ist ohne Sünde und kann daher als Mensch sein eigenes strenges Gesetz einhalten. Peng! Gesetz erfüllt. Die Sünden sind aber immer noch in der Welt und verlangen ein Opfer. Gott macht das größte Opfer selbst und opfert seinen Erstgeborenen (Jesus ist das vollkommende Lamm). Peng! Bund wiederhergestellt. Und wie ist das mit zukünftigen Sünden, die den Bund ja inzwischen wieder gebrochen hätten? Gott weckt seinen Sohn von den Toten auf und macht ihn zum Richter über die Welt. Peng! Ein ewig gültiges Opfer. Du bekennst dich zu deinem Retter dem lebendigen Christus und Gott sieht seine Makellosigkeit, wenn er dich sieht. Du bist nicht ohne Sünde, aber Gott sieht deine Sünden nicht mehr. Denn – wie gesagt – er liebt dich über alles und will dich bei sich haben um JEDEN Preis.

Das heißt: Ich kann tun was ich will und bin auf jeden Fall gerettet? Hier beginnt es scheinbar kompliziert zu werden. Aber nur scheinbar. Mit Christus und dir verhält sich das wie mit einem Ehepaar; die Ehepartner werden sich, das haben Forschungen bewiesen, über die Jahre immer ähnlicher. Wenn du dich auf ein Leben mit Jesus ehrlich und aufrichtig einlässt, wird dich das verändern. Während du dich mit „diesem Christus“ beschäftigst, d.h., die Schrift studierst, Zwiesprache mit Gott hältst, dich mit anderen (der Gemeinde Jesu, auch „Kirche“ genannt) über deine persönlichen Erfahrungen mit Jesus austauschst in Gottesdiensten und anderen Veranstaltungen, du jede Gelegenheit nutzt, Gemeinschaft mit Christus zu haben, z.B. im Abendmahl, wird Jesus dich mehr und mehr auf seine Seite ziehen. Anders ausgedrückt: Jesus hat das Gesetz erfüllt nicht aus Pflicht sondern aus Leidenschaft, daher wird es auch dir immer besser gelingen, nach dem Gesetz zu leben – dort, wo es Jesus für dich für relevant hält. Du wirst es aber nicht als Pflichterfüllung wahrnehmen, es wird dir ein Bedürfnis sein. Die Erfüllung des Gesetzes wird für dich aber nicht mehr Voraussetzung sein, um Gemeinschaft mit dem Erlöser zu haben (also erlöst zu sein), sie wird die Folge dieser gewährten Gnade sein.

Voraussetzung ist natürlich auch hier, dass du keine Scheinehe mit Jesus führst. Glauben ist für den Christen gleichbedeutend mit Vertrauen. Vertraue darauf, dass Gott durch Jesus bereits alles für dein Heil getan hat und jeden Tag für dich tut. Lass dich aus diesem Vertrauen heraus von Gott leiten in jedem Moment deines Lebens. Höre nicht auf Stimmen, die dir einreden wollen, dass Gott sich von dir abgewendet habe, weil du nicht gut genug seist. Sobald du seine Gnade angenommen hast, lässt Gott dich nicht mehr los. Die Zweifel aus der Sünde kommen immer von dir, nicht von Gott!

Und die Folgen der Sünde sind ebendas: Die Konsequenz aus falschem Verhalten. Sie sind keine Strafe Gottes, sie sind kein Zeichen, dass Gott sich von dir abgewandt hätte. Zur Liebe gehört Freiheit (letztes Posting) und zur Freiheit gehört (Eigen-)Verantwortung.

Damit ist auch klar, dass ich in Gnaden-Predigern nicht die Inkarnation des Bösen sehe. Sie verkündigen das Wort Gottes. Wer etwas anderes behauptet, hört ihnen nicht mit Herz und Verstand zu, sondern nur zu dem Zweck, sie zu widerlegen. 

Merke: Was das Wort Gottes in dir bewirkt hängt davon ab, in welchem Geist du es hörst!

Zusammenfassung: Die Gnade Gottes ist ein unverdientes Geschenk, das er uns durch seinen Sohn Jesus zuteilwerden ließ. Du kannst nichts tun um dir dieses Geschenk zu verdienen außer es von Herzen anzunehmen. Bereits durch die Annahme dieses Geschenkes erfährst du Rettung. Was du in deinem Leben tust, tust du daher nicht für dein Seelenheil, sondern alles ist Ausdruck der Liebe Gottes zu dir. Nicht du handelst, sondern Christus handelt durch dich. Du musst es nur - aus freiem Willen - zulassen, genauso wie du zuvor das Geschenk der Gnade angenommen hast.

Aber Achtung! Das Leben des Christen ist durch Wandel gekennzeichnet. Prüfe regelmäßig was sich in deinem Leben tut. Was hat sich seit dem letzten Innehalten verändert? Sei dabei ehrlich zu dir selbst. Wenn sich längere Zeit nichts (mehr) tut, könnte es sein, dass die Gewohnheit gesiegt hat. Sie ist dein größter Feind. In der Gewohnheit - manchmal auch einfach durch Rückkehr zu alten Gewohnheiten - kannst du dich von Gott abwenden ohne es zu merken (die Sache mit dem freien Willen!). Wenn du das bemerkst ist es Zeit für eine Umkehr zu Gott. Aber selbst in Sachen Selbsterkenntnis und Umkehr hilft dir Gott, wenn du ihn darum bittest. Denn wie gesagt: Gott will dich haben - um jeden Preis! Aber er nimmt dich nur ganz (die Sache mit den zwei Herren!).