Was ist ein Märtyrer?

Die aktuelle Lage lässt es angebracht erscheinen, einmal laut darüber nachzudenken. Eben erklärte ein Gesellschaftsforscher im Fernsehen, nach christlichem Verständnis sei ein Märtyrer ein Mensch, der im Kampf für die Entrechteten gefallen ist.

Ich halte die Beobachtung des Wissenschaftlers für Unsinn.

Schauen wir uns als konkretes Beispiel Stephanus, den ersten Märtyrer der Christen, an (Apg 6+7):

Nach dem Pfingstereignis wächst die christliche Gemeine in Jerusalem; insbesondere Arme und Mittellose treten der neuen Sekte bei, denn hier wird geschwisterlich geteilt, keiner leidet mehr Not. Das Versorgen der Armen macht daher immer mehr Arbeit, so dass Petrus und die anderen Apostel irgendwann entscheiden, diese Aufgabe an andere zu übertragen, um nicht weiterhin ihren eigentlichen Auftrag, die Verkündigung, zu vernachlässigen. Stephanus wird einer dieser Diakone, die sich zukünftig um diese Aufgabe kümmern sollen und er kümmert sich mit Leib und Seele um seine Mitmenschen.

Durch Verleumdung landet er dann aber mit einer Anklage vor dem Hohen Rat, der ihn zum Tode durch Steinigung verurteilt. Kurz vor seinem Tod sieht der den Himmel offen, Jesus am Thron stehend und bittet diesen um Vergebung für seine Mörder.

Ja, auch er hat leidenschaftlich vor seinen Angreifern im Hohen Rat für seinen Glauben gekämpft, jedoch nur mit dem Wort, nicht mit dem Schwert. Er folgte damit den Anweisungen des Messias, der die Anwendung von Gewalt unter allen Umständen ablehnt. Ja, Menschen wenden Gewalt an um andere Menschen zu verteidigen oder aber auch um ihre Interessen durchzusetzen. Christus erklärt uns, dass dies niemals der Wille Gottes ist, nicht für seine Jünger – also für keinen, der glaubt, dass Jesus der Messias ist.

Ein Märtyrer stirbt für seinen Glauben. Er verteidigt ihn aber niemals mit Gewalt, immer nur mit dem Wort Gottes, das ihm gegeben ist. Ein Soldat kann daher ebenso wenig zum Märtyrer werden, wie ein Attentäter – auch wenn beide für sich in Anspruch nähmen, sie würden mit der von ihnen angewandten Gewalt nur ihren Glauben oder die Gläubigen verteidigen. Zwischen Soldat und Attentäter gibt es nur einen Unterschied: Die Aktion des einen kann unter Umständen ganz legal sein, die des anderen niemals – es ist ein rein weltlicher Unterschied, der nichts mit Gott zu tun hat.

Sollte also der Soziologe recht haben mit seiner Interpretation, wie Christen einen Märtyrer definieren, so müssten wir diese Definition – unser Verständnis – dringend korrigieren, ggf. auch entsprechende „falsche Märtyrer“ aus unserer Liste der Heiligen streichen. Mir fehlt das kirchenhistorische Wissen, um das sicher einsortieren zu können. Allerdings hoffe ich, dass die Interpretation des Wissenschaftlers lediglich auf ungenügender Kenntnis der christlichen Botschaft / des christlichen Glaubens beruht, bzw. der Wissenschaftler sich hier des sogenannten „Volksglaubens“ bedient hat, der die üblichen menschlichen Schwächen, wie den Wunsch nach Rache, gerne mal zu religiöser Stärke hochstilisiert und diese dann auf die (getöteten) Gewalttäter projeziert. In diesem Fall hätte sich der Blinde von anderen Blinden, maximal Einäugigen führen lassen – was wieder mal zeigen würde, wie wichtig es ist, sich regelmäßig mit „dem Wort“ auseinanderzusetzen.

Und was ist mit den Kriegen und der Gewalt im Alten Testament?

Zunächst einmal fällt auf, dass bei den beschriebenen Kämpfen immer auch himmlische Mächte im Spiel waren. Wenn Ungläubige starben, dann auch immer durch direkte Einwirkung Gottes. Todesurteile mussten nach dem Gesetz immer von einem ordentlichen Gericht und immer bei einer regulären Verhandlung über eine konkrete, bei der Verhandlung anwesenden Person gefällt werden. Jesus ersetzte jedoch das Todesurteil durch Vergebung – „nicht siebenmal sondern siebenundsiebzigmal“. Kein menschlicher Richter kann ein Gottesurteil fällen!

Aber am wichtigsten: Die gefallenen Soldaten wurden ehrenvoll bestattet – sie wurden niemals zu Märtyrern erhoben!