Corona, Gott und ich

Wir sind uns einig, dass Corona hauptsächlich ärgerlich, deprimierend und gefährlich ist. Und doch weiß Gott auch diese Situation in seinem Sinn zu nutzen.

Die folgende Erkenntnis trage ich schon seit einigen Wochen mit mir herum, sie war plötzlich da, ist also im wahrsten Sinne des Wortes vom Himmel gefallen.

Vor ein paar Wochen fiel es mir zum ersten Mal auf: Wenn ich die Stufen zu unserem Kirchengebäude hinaufsteige, befällt mich ein eigenartiges Gefühl der Fröhlichkeit und Vertrautheit. Irgendwas hatte sich am „Kirchgang am Sonntag“ verändert. Da war schon einmal eine Veränderung und zwar vor drei Jahren, als mich Papa wieder in seine Gemeinde – in meine Familie – gerufen hatte. Ich hatte plötzlich Freude daran, sonntags zur Kirche zu gehen, fühlte mich geradezu bestohlen, wenn es mal nicht klappte.

Dann kam Corona, die Kirchen machten zu und eigentlich fehlte mir nichts. Und als sie wieder aufmachten und es in der Gemeinde hieß: „Wir brauchen Begrüßungsteams – wer meldet sich freiwillig?“ fühlte ich mich so überhaupt nicht angesprochen. Gottesdienste unter Corona-Bedingungen, wozu sollten die schon gut sein. Da sollten sich mal die drum kümmern, die sie so dringend brauchen.

Doch irgendwas bedrängte mich, Gott ließ nicht locker. Da kamen ganz alte Gedanken hoch, Gedanken über die über Generationen hinweg verkündete falsche Lehre: „Wer sonntags nicht in die Kirche geht, kommt in die Hölle!“ Auch wenn diese Lehre Unsinn ist und nichts mit dem liebenden Gott zu tun hat, den ich erfahren darf, diese Dinge wurden in der Familie verkündet, deren Mitglied ich bin. Ich habe Verantwortung für diese Familie und für diese Falschmeldung. Auch wenn Menschen aus den falschen Beweggründen kommen, so kommen sie doch zum Herrn und wenn sie wegen meiner Untätigkeit weggeschickt werden müssten, würde ich mich schuldig machen. Solche Gedanken kann dir nur Gott in den Kopf setzen. (Zwinkersmiley…)

Ich meldete mich zum Begrüßungsdienst, damit das Gewissen endlich Ruhe gibt. Und jetzt kommt’s: Nach der ersten Unsicherheit hatte ich Freude dran! Ja, ich bin ein lausiger Platzanweiser, denn ich strahle so überhaupt keine Autorität aus, aber der Dienst bereitet mir trotzdem Freude. Und über diese Freude hat sich meine Beziehung zuerst wieder zum Gottesdienst geändert und dann – und das ist die Änderung, die mir vor einigen Wochen aufgefallen war – zum Gebäude.

All die Jahre in der Kindheit, als ich von meiner Oma und deren Schwester in die Kirche geschleppt wurde (wobei man mich eigentlich nie zwingen musste) und auch die letzten drei Jahre, war ich eigentlich immer von zu Hause zur Kirche hingegangen. Jetzt, mit diesem Dienst, verwandelte sich dieses Gebäude in eine Art zweites Daheim, denn entweder du bist ein Bediensteter, dann ist es deine Arbeit Menschen zu begrüßen, aber bei Gott fühle ich mich als Freund, Sohn, Erbe, Willkommener, Geliebter, er gibt mir nicht das Gefühl ein Diener zu sein. Das Gebäude wurde über diesen Dienst zu dem, was es immer war: Ein „Daheim“.

Wenn ich also zur Kirche gehe, ist es kein Weggehen mehr. Ich gehe von einem Daheim – nennen wir es das irdische – ins andere Daheim, das himmlische (bzw. dem Ort, der „dem Himmlischen“ auf Erden am nächsten kommt) – und da wird der Kirchgang schon direkt transzendental, denn ich muss das Irdische zurücklassen (was mir im konkreten Fall des Kirchgangs nicht immer leichtfällt) um ins Himmlische zu gelangen. Gott lädt mich nicht ein in sein Haus, er begrüßt mich in meinem himmlischen Daheim, er freut sich jedes Mal, wenn ich zurückkomme. Und diese Freude überträgt sich auf mich, weil ich ja ein Teil von ihm bin und er ein Teil von mir ist.

Als ich heute den vielleicht schönsten Anbetungsgottesdienst ever (in einer natürlich fast leeren Kirche, im Grunde saßen wir nur da in unseren Masken und lauschten den Liedern und Gebeten; viel mehr lässt Corona ja nicht zu im Moment ... doch das macht die Sache nur noch intensiver) erlebte, liebevoll vorbereitet, von den Menschen, die ich dank dieses liebenden Gottes nun meine Kernfamilie in Christus nennen darf, handelte ein Lied von diesem „Heimkommen“. Da fiel die Entscheidung, dass ich heute noch diesen Text schreiben würde. Und so hat Corona, dieses Biest, das es notwendig machte, den montäglichen Bibelkreis entsprechend umzuorganisieren erst diesen Text ermöglicht.

Papa, ich habe vorhin bei den Fürbitten geschwiegen, aber du weißt, dass ich nur einen Wunsch habe. Schenke allen Menschen, die dich suchen, die Erfahrung mit dir und diese Nähe, die du mir schenkst.



Die Familie - global view