Wenn Papst Franziskus eine Abtreibung mit einem Auftragsmord vergleicht …

… dann weiß er sicher, dass ein Aufschrei der Entrüstung rund um den Globus gehen wird, denn das verstehen moderne, aufgeklärte Menschen als frontalen Angriff auf ihre Souveränität und ihre humanistischen Werte.

„Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen sei, Frieden auf die Erde zu bringen. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert! Denn ich bin gekommen, den Menschen zu entzweien mit seinem Vater und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter; und die Feinde des Menschen werden seine eigenen Hausgenossen sein. Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert. Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, der ist meiner nicht wert.“ (Mt 10, 34-37)

Auch wenn der Vergleich hart und unmenschlich erscheint, glaube ich, dass die Entrüstung nicht aus dem Vergleich selbst, sondern auch einer Unkenntnis des Wort Gottes entspringt.

Der Reihe nach:

Wenn der Papst auf einer Audienz sagt oder sagen würde, dass es Mord ist, Menschen in der Dritten Welt verhungern zu lassen, würden ihm die allermeisten Christen zustimmen.

Wenn er sagt oder sagen würde, dass es Mord ist, Menschen auf der Flucht vor Hunger und Krieg im Mittelmeer ertrinken zu lassen, würden ihm die allermeisten Christen zustimmen.

Wenn er sagt oder sagen würde, dem eben Genannten stumm zuzusehen sei Beihilfe zum Mord, würden vermutlich auch die meisten zustimmen.

Wenn er sagt oder sagen würde, jegliche Gewalt, egal ob körperlich, psychisch oder sexuell zerstört eine Seele und damit ein Leben und ist daher moralisch einem Mord gleichzusetzen, wer würde ihm widersprechen? Erst recht natürlich bei einem Krieg, in dem es gerade darum geht, dem Feind mehr Opfer beizubringen, als man selbst zu beklagen hat.

Ebenso würden die meisten zustimmen, wenn er die Ausbeutung und Zerstörung der Umwelt und damit die Zerstörung der Lebensgrundlage nachfolgender Generationen mit einem geplanten Mord vergleichte.

Auch beim Thema Abtreibung geht es um die Wertschätzung von Leben. Christen glauben, dass Gott das Leben gibt, quasi als Leihgabe – das heißt jedes einzelne menschliche Leben ist und bleibt sein Eigentum und wir dürfen nicht darüber verfügen. Das ist die Aussage des fünften Gebotes: Du sollst nicht töten!

Der Papst interpretiert nur die Bibel und die hat sich in den letzten 2000 Jahren und in den 3000 Jahren davor in ihrer Aussage nicht geändert, denn Gott ändert sich nicht. Franziskus nutzt zwar eine harte undiplomatische Formulierung, aber er interpretiert die Bibel richtig.

Warum also der Aufschrei?

Da ist zum einen das Wort „Mord“, es impliziert einen Mörder, einen Schuldigen. Solange der Schuldige eine graue Masse ist, auf deren Entscheidungen und Handlungen man keinen oder kaum persönlichen Einfluss hat, sind die meisten bereit diesen Schuldspruch zu akzeptieren. Das Thema Abtreibung ist dagegen viel persönlicher, hier werden konkrete Personen und damit der in jeder Hinsicht gute Beschützerinstinkt der Humanisten angesprochen. Die Paare/Frauen machen sich die Entscheidung doch nicht leicht, im Gegenteil werden sie auf dem Weg zur Entscheidung und in der Zeit danach durch die Hölle gehen! Das ist sicherlich richtig, aber zeigt das nicht gerade, dass es sich hier um keine gute Entscheidung handelt, egal wie vernünftig sie nach allem Abwägen aller Für und Wider ist? Sollte sich eine gute Entscheidung nicht auch gut anfühlen? (Das gilt nicht nur bei einer Entscheidung „Abtreibung – ja oder nein?“)

Wie Paulus (über die Heiden, also uns) sagte, hat Gott das „Gesetz“ (also das Wissen über richtig und falsch) in unsere Herzen hineingelegt. Hier spricht Gottes Gesetz und sagt uns: „Das ist falsch.“

Ein ganz anderer Punkt ist der erhobene Zeigefinger, der in Richtung des Schuldigen zeigt. Den (den einen Schuldigen) gibt es im christlichen Glauben nämlich gar nicht - zumindest kommt dem Menschen nicht zu, andere schuldig zu sprechen. (Allen, die meinen, sie müssten sich mit Transparenten und Plakaten vor Abtreibungskliniken und -praxen postieren um das Leben zu schützen sei Mt 7,1 mit auf den Weg gegeben: "Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet!") Wir alle sind schuldig vor Gott, weil wir im alltäglichen Leben, in all den Dilemmata, in denen wir stecken oder in die wir uns selbst bringen gar nicht in der Lage sind, mit Herz und Hand nach Gottes Gesetz zu leben – genau darum gibt es ja Jesus! Jesus versöhnt den Menschen mit Gott, weil der Mensch dies aus eigener Kraft gar nicht schafft.

Bleiben wir beim Thema Abtreibung – in der Audienz ging es um Abtreibung von Kinder mit zu erwartenden Behinderungen:

Wer sind die Verantwortlichen/Schuldigen einer Abtreibung: Jeder schaut gleich auf die Eltern und den ausführenden Arzt. Aber was ist mit der Forschung in der Medizin? Wie viele Behinderungen könnten heute durch geeignete pränatale Behandlungen vielleicht bereits im Mutterleib abgewendet werden, wenn unsere Forschung wirklich auf das Leben und nicht auf den maximalen Gewinn ausgerichtet wäre? Wie viele Behinderungen könnten ganz verhindert werden, wenn wir sorgfältiger mit unserer Umwelt umgehen würden? Wie viele Behinderungen von Menschen wären im Alltag für die Betroffenen bewältigbar, wenn die Gesellschaft wirklich auf das Leben und nicht auf die Produktivität des Einzelnen ausgerichtet wäre? Kurzum: Wie viele Eltern würden sich gegen eine Abtreibung entscheiden, wenn sie sich in einer solchen, verzweifelten Situation von der Gesellschaft getragen fühlten? Von einer Gesellschaft, die von Jesus genau dazu aufgefordert wird!

Jede Abtreibung von lebensfähigem, menschlichen Leben ist nach jeder Auslegung von Gottes Wort Mord und jeder dieser Morde brandmarkt uns alle. Wir alle machen uns schuldig – schuldig an dem abgetriebenen Leben, schuldig an den allein gelassenen Eltern, schuldig an Gott, dessen Gesetze wir ignorieren. Ist diese Einstellung weltfremd? Wenn ja, dann, weil Gott der Welt fremd geworden ist. 

Wir sollten uns daher nicht wundern, wenn ein Papst, der sich bei den Themen Tod durch Hunger und Elend, Gleichgültigkeit, Machtstreben und Gier völlig zu Recht in Rage reden kann, eben auch Abtreibung mit Mord vergleicht.

Hätte Jesus diesen Vergleich auch gemacht? Ich weiß es nicht – aber er hätte sich mindestens genau so sehr über die Situation aufgeregt wie Franziskus.

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