Wenn Gott Liebe ist, warum lässt er dann all dieses Leid und Elend zu?

Alles fing damit an, dass ich mir wieder mehr Kopfkino – also sprechende Bilder im Kopf – wünschte, um kreative Schreibanlässe für meine Homepage zu haben … also nicht das Elend in der Welt, sondern die Schreiberei hier. Dass ich mir zu diesem Anlass einen Satz Tarot-Karten kaufte, kam an „höherer Stelle“ offensichtlich nicht besonders gut an. Seither habe ich eine Flut sprechender Bilder in meinem Kopf, gegen die die Bildchen auf den Tarot-Karten geradezu simpel, ja armselig sind.

Vielleicht sollte ich einfach mal wieder sonntags in den Gottesdienst gehen, war zu lange nicht mehr da. Die Gedanken anderer anzuhören, ein paar vorformulierte Texte aufzusagen und ein paar durchaus gefällige Lieder zu singen ist sowohl zeitlich wie auch arbeitstechnisch wesentlich weniger aufwändig, als dieses Wirrwarr sprechender Bilder in sequentielle Texte zu pressen. Aber wenn ich ehrlich bin (und wie sollte ich meinem Gott da etwas vormachen können), will ich’s gar nicht anders…

Also, warum lässt Gott das Elend zu? (also jetzt das in der Welt, nicht das in meinem Kopf)

Die Antwort: Ich weiß es nicht! Aber vermutlich muss man einfach mal für all das Elend und Leiden in der Welt gefoltert und ans Kreuz geschlagen worden sein, um das was auf dieser Welt geschieht ertragen zu können. Und vermutlich muss man für die Sünden der Menschen am Kreuz elend und alleingelassen verreckt sein, um die – scheinbar ausbleibende – Reaktion Gottes zu verstehen. Und wahrscheinlich muss man danach vom Tod auferstanden und in den Himmel aufgefahren sein um die Tragweite solcher Sätze wie „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort aus dem Munde Gottes des Vaters“ oder „Wer von meinem Wasser trinkt wird selbst zur Quelle lebendigen Wassers“ in Relation zum Elend dieser Welt sehen zu können.

Als hemdsärmeliger Christenmensch werde ich von Gott vermutlich nie mehr verstehen, als ich für die unmittelbare Erfüllung der mir zugedachten Aufgabe wissen muss.

Demut vor Gott heißt auch, Gott zu vertrauen und ihm bedingungslos zu folgen, auch wenn man seine Entscheidungen nicht versteht.

Doch natürlich habe ich wieder mal ein Bildchen aus dem oben erwähnten Wirrwarr parat, welches vielleicht ein bisschen die Notwendigkeit dieser leidenden Welt zu verstehen hilft. Als Bild dient dieses Mal die Privatschule, in der ich arbeite. Quereinsteiger sind häufig Kinder, die in einer öffentlichen Schule gescheitert sind. Diese Kinder erkennen sehr schnell, dass bei uns die Uhren deutlich anders laufen – kleine Klassen und Konzept und Lehrerkräfte, die darauf ab- und eingestimmt sind, den Kindern vermeidbare Lasten abzunehmen, so dass Raum zur persönlichen Entwicklung bleibt.

Nun teilen sich diese Quereinsteiger in drei Gruppen auf:

Die erste Gruppe Kinder erkennt, dass die Schule zuverlässig für die Basics ihres Erfolges sorgt und nutzt diese Freiheit um mehr zu erreichen, als sie bisher für möglich gehalten hatten. Sie stecken also ihre Ziele höher, arbeiten hart und fordern entsprechend auch von den Lehrern „mehr“! Diese Schüler werden in der Privatschule in der Regel aufsteigen, d.h., die Noten werden besser, vielleicht ist sogar ein Wechsel ins Gymnasium drin. Allerdings brauchen sie dafür großen Rückhalt und Unterstützung auch aus ihrer Familie, denn sie werden sich auf ihrem Weg gegen den Mainstream ihrer Klasse durchsetzen müssen.

Die zweite Gruppe beschließt, da ja nun für die Basics gesorgt ist, jegliche eigene Anstrengung einzustellen. Diese Kinder werden nach kurzer Verbesserung der Noten wieder in die Nähe ihres ursprünglichen Niveaus abrutschen. Die Sicherungsmaßnahmen der Privatschule verhindern lediglich ein Scheitern. Das ist die Mainstream-Gruppe.

Die dritte Gruppe ist im Grunde wie die zweite, nur dass diesen Kindern dann schnell langweilig wird und sie die ungebrauchte Energie für Unfug und Störungen nutzen, was weitere Probleme nach sich zieht. Diese Kinder schaffen es dann manchmal, selbst in einer vollbehüteten Schule zu scheitern, denn Kinder der Gruppen 2 und 3 kommen oft aus einem Elternhaus, bei dem auch die Eltern aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen mit Schule daheim abends und am Wochenende möglichst wenig mit diesem Thema in Berührung kommen möchten. Bei strikter Aufgabenteilung zwischen Schule und Elternhaus funktioniert die Erziehung aber nicht anders als bei gemeinsamem Vorgehen, sie funktioniert überhaupt nicht. Maßnahmen hebeln sich gegenseitig aus und bleiben wirkungslos. Und leider nehmen die Kinder dann auf ihrem Weg nach unten auch immer noch ein paar Kinder der Gruppe 2 mit.

Jesus nutzte für dieses Bild der verschiedenen Voraussetzungen übrigens das Gleichnis vom Sämann und den verschiedenen Böden (Mk 4, 3-9)

Auf die Welt und den Glauben der Menschen übertragen: Gott nimmt den Druck von uns und gibt uns Freiheiten, damit wir entscheiden können, zu welcher Gruppe wir gehören wollen. Es wäre ein Leichtes für ihn, die Autoritätskarte zu spielen und die Welt so zu machen, dass die Menschen ihn als Herrscher erkennen. Dann würden Menschen gute Dinge tun, um sich mit ihrem großen Boss gut zu stellen, aber die guten Taten wären keine Früchte ihres Herzens, ihres Glaubens, sondern pure Berechnung.

Es scheint ganz einfach so zu sein, dass Gott die Blender und Scheinheiligen nicht in seinem Reich haben möchte und eine Welt geschaffen hat, in der diese sich selbst aussortieren. Ob es für einen allmächtigen Gott nicht evtl. auch einen für seine Geschöpfe weniger schmerzvollen Weg gäbe, herauszufinden zu welcher Gruppe ein Mensch gehört? Ich werde ihn fragen, wenn ich ihn sehe…