Auch im Himmel ist Advent! – Jona (21. – 24. Dezember)

Wer kennt nicht die Geschichte von Jona und dem „Walfisch“? Eigentlich ist ja – mal ganz abgesehen davon, dass der Wal ein Säugetier ist – in der Bibel nur von einem großen Fisch die Rede, aber klar, wenn der einen Mann verschlucken und nach drei Tagen wieder ausspucken kann, dann muss der schon die Ausmaße eines Blauwals haben.

Auch wenn uns die Geschichte förmlich in die christliche DNA eingraviert ist, doch nochmal ganz schnell ein paar Worte zum Inhalt: Gott beruft den Juden Jona, den Heiden in Ninive Gericht und Vernichtung zu verkünden. Der hat aber keine Lust und bucht den nächsten Transfer per Schiff nach Tarsis. Doch Gott lässt nicht mit sich verhandeln und blockiert die Pläne Jonas (die Sache mit dem großen Fisch). Der gibt schließlich nach und tut, wie ihm befohlen wurde. Doch – oh weh! – die Bürger von Ninive tun Buße und Gott bestellt das Gericht wieder ab. Dies erzürnt nun Jona, der meint, sich hier völlig überflüssig zum Affen gemacht zu haben und er beschließt in der Wüste zu schmollen. Hier erklärt ihm Gott nun Grund und Zusammenhang der göttlichen Gnade; es ist Mitgefühl und Mitleid, etwas zu dem selbst Jona in der Lage ist und das er daher nachvollziehen kann. Wieder was gelernt!

Wie viele andere, kann auch ich mich in der Geschichte des Jona wiedererkennen und das erinnert mich daran, dass Gott mir von Anfang an klar machte, er hat mich nicht ausgewählt, weil ich so anders bin, sondern, weil ich genau wie die anderen bin und deshalb alles, wovon ich erzähle, für andere von Bedeutung sein könnte. Deshalb werde ich hier – mal wieder – persönlich und erzähle meine Jona-Geschichte (die es sicher schon mehrfach hier auf diesen Seiten gibt, aber jetzt das erste Mal in diesem Zusammenhang).

Mein Vater starb als ich zwei Jahre alt war. Wenn seine Mutter und deren Schwester mir also von Gott als „himmlischen Vater“ erzählten, war das halt so, denn die Tatsache, dass er für mich nicht greifbar war, hatte er ja mit meinem leiblichen Vater gemeinsam. Ein Vater, der da ist und auch nicht da ist, war die Wirklichkeit meiner Welt. Da mir beide nicht greifbar waren, gab es auch keine Konkurrenz zwischen den beiden.

Vermutlich, weil er einfach „da“ war in meiner kindlichen Wirklichkeit, habe ich seine Existenz auch nie hinterfragt. Ich hätte ja auch nie die Existenz meines leiblichen Vaters hinterfragt.

Geschmerzt hat mich aber jedes Mal, wenn mir meine Großmutter die Strafe Gottes androhte, weil ich mal wieder ungehorsam war. Welches Kind, das Gott als – ziemlich allmächtigen – Vater angenommen hat, würde das nicht schmerzen. Und als mein Pfarrer im Religions- und im Erstkommunionsunterricht dann sogar einen Gott mit Krämerseele verkündete, einen der jede Minute nachzählt, die ich bete oder im Gottesdienst zubringe und der rachsüchtig Respektlosigkeit und Unglaube bestraft, da ging ich innerlich auf Distanz. Natürlich fehlen einem Neun- oder Zehnjährigen noch Worte und Argumente, aber ich spürte einfach: Was hier vom Pfarrer verkündet wird, das ist nicht mein Gott. Mein Gott ist anders, mein Gott ist lieb.

Vielleicht hat mich genau dieses verkündete Gottesbild später aus der Kirche getrieben, vielleicht war es aber auch einfach jugendliche Bequemlichkeit und Ignoranz.

Mit etwa 19 Jahren hat Gott mich das erste Mal gerufen und es hatte damals schon mit Schreiben zu tun. Bei einem Spaziergang auf dem Michaelsberg erschien mir der untere Kapellbergweg plötzlich als „das Paradies“ und in meinem Kopf entstand eine ganz andere Schöpfungsgeschichte, eine, in der – wen wundert’s bei der Vorgeschichte – die Vertreibung in Wirklichkeit eine Flucht war und eine vom Menschen nicht angenommene Gnade Gottes somit den Platz der ursprünglichen Strafe (also der Vertreibung) einnahm. Ich verstehe heute, dass Gott mich schon damals einlud, mich etwas tiefer auf seine Geschichten in der Bibel einzulassen. Aber es blieb zunächst bei dieser einen Erzählung.

Jahre später fischte ich einen Flyer aus dem Briefkasten, in welchem sich das neu gegründete Leben-mit-Vision-Team im Ort zu Wort meldete und die Empfänger einlud, gemeinsam mit ihnen aktiv zu werden. Das Flugblatt sprach mich so direkt an, dass ich es mehrere Wochen aufbewahrte – aber letzten Endes wieder nicht aktiv wurde. Der zweite Aufruf Gottes verhallte wie der erste.

Erst etwa 20 Jahre später hatte mich Gott dann soweit. Fast schon aus Trotz, weil etwas nicht so lief wie von mir geplant, meldete ich mich als Freiwilliger bei der Kirchengemeinde und landete genau bei den Personen, die seinerzeit diesen Flyer verteilt hatten. Gott hat einen sehr langen Atem und einen feinen Humor!

Alle Gründe, die ich in den Jahren davor vorgeschoben hatte, nicht in dieser Gemeinde aktiv zu werden, waren mit einem Schlag ungültig. Es fühlte sich vom ersten Moment wie „heimkommen“ an und das ist heute noch so. Ich bin an dem Ort, an dem Gott mich haben wollte, ich bin endlich daheim.

Ja, ich kenne natürlich alle Probleme dieser Katholischen Kirche und ich kenne alle Gründe, aus diesem Verein auszutreten. Doch Gott hat mich nicht in die Organisation „Katholische Kirche“ geschickt (etwas, das mir auch erst mit der Zeit klar wurde). Er hat mich zu Menschen geschickt, Menschen, wie es viele in dieser Organisation gibt, Menschen, die „Kirche“, die wahrhaftig Kirche sind. Menschen, die ein Zeichen Gottes brauchen, ein Zeichen Gottes, das ich sein darf. Auch in Ninive war nicht, was Jona tat oder sagte, nicht die Prophezeiung das Zeichen, sie trat ja nicht einmal ein, Jona selbst war das Zeichen, das hatte er nur nicht verstanden. Doch wenn ich mir die Geschichte Jonas anschaue, so wurde nicht nur den Bewohnern Ninives geholfen, einem nach Meinung Jonas ebenso verabscheuungswürdigen Ort, wie es heute für manche Christen die Katholische Kirche ist, es wurde viel mehr noch Jona geholfen, denn er kam Gott auf diese Weise viel näher, als er es sein ganzes Leben davor war und Gott offenbarte ihm eine Seite von sich, die er offensichtlich vorher nicht kannte. Genau das ist es, was Gott auch mir sagte: „Du willst mich näher kennenlernen? Ich bin da – bei diesen Menschen!“ Und endlich – und sei es nur aus Trotz – habe ich ihm zugehört.

Aus heutiger Sicht gilt für mich, dass die oft zitierte „Freiheit des Christenmenschen“ meist völlig falsch interpretiert wird. Nein, Gott lässt uns keine Freiheit, wenn es um die Erfüllung seines Planes und unseren Anteil (und sei er noch so winzig) daran geht. Wir können uns wie Jona natürlich von unserem Auftrag abwenden, können versuchen zu fliehen, aber wir kommen nicht weg. Aus dem Plan Gottes gibt es kein Entrinnen und das ist auch gut so. Wenn wir den Plan Gottes für uns nicht annehmen, so werden wir in den davon betroffenen Bereichen unseres Lebens auf der Stelle treten. In den Bereichen unseres Lebens, die Gott für sich reserviert hat, können wir nicht selber lenken. Wir gehen entweder seinen Weg oder wir verlieren die Kontrolle über diesen Bereich, befinden uns im Bauch des Fisches.

Das ist jedoch ein gutes Zeichen. Gott sieht dich und er verliert dich nicht aus den Augen. Du weißt im Moment nicht genau, wo es hingehen soll? Gott weiß es, und wenn die Zeit reif ist, wirst du es auch wissen. Auch du wirst zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort ein Zeichen Gottes für Menschen sein, die dieses Zeichen dann gerade brauchen. Was du dann sagst oder tust, das wird eine freundliche Zugabe sein. Manchmal wirst du auf deinem Weg gehen und manchmal wirst du stehen, aber der Weg führt dich zum Ziel. Darauf kannst du vertrauen.

Auch im Himmel ist Advent! Gott zündet für jeden einzelnen von uns eine Kerze an, denn so wie wir auf den Sohn Gottes warten, wartet er auch auf uns!

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