„Eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts!” - Römer 12 – 16 (24. April – 5. Mai)
Nun wird Paulus praktisch.
Das Evangelium ruft nun einmal nicht zu frommen Sprüchen auf sondern zu tätigem Glauben! Und der offenbart sich in dem, wie wir mit unseren Mitmenschen umgehen – und Paulus macht hier keinen Unterschied zwischen Juden, Judenchristen, Heidenchristen und Heiden. Ob sie nun glauben oder nicht, ob sie Christus als ihren Herren erkennen oder nicht, alle sind von dem einen Gott geschaffen und alle sind daher unsere Brüder und Schwestern.
Paulus dringt zum Kern des Evangeliums Christi vor. Gott hat uns in Christus gerecht gesprochen. Das Evangelium verkündet uns, dass Gott auf unserer Seite steht. Seine Liebe ist uns auf ewig sicher; es gibt für die Kinder Gottes keinen Grund mehr, vor irgendetwas auf der Welt Angst zu haben.
Nicht einmal vor Gott selbst, denn der Heilige Geist, den er in uns legt und der uns mit ihm verbindet, ist der Garant dafür, dass diese Verbindung auf ewig bestehen bleibt.
Wir sind vom höchsten Richter freigesprochen!
An diesem Punkt erinnert sich Paulus an sein Volk, die Juden, die diesen Freispruch abgelehnt haben. Er trauert um sie und würde – wenn er das könnte – jeden Preis für deren Rettung bezahlen.
Doch Paulus korrigiert sich gleich selbst: Nicht jene sind Juden, die es durch Geburt (dem Fleisch nach) sind, sondern jene sind Juden, die es der Verheißung nach sind. Diese Tatsache zieht sich wie ein roter Faden durch das erste Buch Mose.
Weder die biologische Herkunft noch irgendwelche guten Taten machen das Kind Gottes, machen Israel, sondern allein die Vorsehung Gottes, eine von Gott bereits vor der Zeit getroffene Entscheidung. Das erscheint unfair! Noch ehe ich gezeugt war, hatte Gott bereits über meine Sohnschaft entschieden?
Ja, sagt Paulus. Wir alle sind von ihm geschaffen. Nicht das Werk entscheidet über seinen Zweck, sondern der Werksmeister. Das Werk muss den Willen des Meisters nicht verstehen – es kann den Willen des Meisters gar nicht verstehen.
Und so haben es die Propheten des Alten Bundes auch verkündet: Gott wird sich sein endgültiges, sein ewiges Volk aus allen Nationen zusammenrufen. Darunter werden natürlich auch Israeliten sein – der gläubige Überrest – doch das neue, das ewige Israel wird größer sein. Es wird aus Menschen bestehen, die aus Glauben gerecht (gemacht) wurden. Später fügt Paulus noch an, dass Gott sein (erstes) Volk natürlich nicht verstoßen hat. Es wurde um der Heiden willen blind und taub für die Gnade Gottes gemacht, um die Erwählten unter den Heiden zu erreichen und zu retten. Gott wird am Ende diese Blindheit von seinem Volk nehmen und sie werden den Messias erkennen.
Am Ende werden alle gerettet, die Gott erwählt hat, denn diese werden alle voll Glauben ihren Gott anrufen und Gott wird sie erhören – Heiden wie Juden.
Paulus tut sich schwer damit, die Welt in Gerettete und Verlorene einzuteilen und er tut gut daran. Versuchen wir dennoch, eine Quintessenz aus diesen Abschnitten zu ziehen:
Das Evangelium, die Verkündigung der Rettung der Erwählten Gottes, ist an einen begrenzten Teil der Menschheit gerichtet und dieser Teil konnte nur erreicht werden, indem Gott die Herzen seines eigenen Volkes verstockt, sie blind und taub macht für das Evangelium. Doch aus eben diesem Grund, weil Gott hier scheinbar auf Kosten seines Volkes trickst, ist auch sein Dank und seine Liebe für sein Volk überströmend groß. Er hat sich nicht von seinem Volk abgewandt, die Entwicklung der letzten 2000 Jahre beweist vielmehr die zentrale, unverzichtbare Rolle des ersten Volkes im Plan Gottes. Die letzten 2000 Jahre beweisen aber auch, dass wir immer wieder vergessen haben, dass wir an einem Stamm wachsen, den es ohne das erste Volk nicht gäbe.
Eine weitere Sache, die uns immer wieder zu schaffen macht, ist die Vorsehung. Wenn alles Vorsehung ist, wie kann ich dann aus freiem Willen entscheiden? Paulus bleibt diese Antwort schuldig, er stellt ganz richtig fest, dass dies zu verstehen weit außerhalb unserer Möglichkeiten liegt. Er nennt uns aber das entscheidende Kriterium für einen Selbsttest:
„Wenn du mit deinem Mund bekennst: Herr ist Jesus - und in deinem Herzen glaubst: Gott hat ihn von den Toten auferweckt, so wirst du gerettet werden.” (Röm 10,9)
Die Idee, dass der Mensch allein durch Glaube, nicht durch von Gesetzen erzwungenen Werken, vor Gott (der spirituellen Welt) gerechtfertigt werden kann, ist so fundamental neu, dass sie Paulus in den folgenden Abschnitten von verschiedenen Gesichtspunkten her betrachtet, um Unterschied und Konsequenzen deutlich zu machen.
Wer glaubt, dass er durch (in) Christus gerecht ist vor Gott, der hat Frieden mit Gott. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu allen auf der Welt angebotenen Götzen-Religionen. Diese verlangen vom Gläubigen, dass er sich auf die eine oder andere Weise immer wieder mit Gott, mit der Ewigkeit, mit Walhall, dem Nirwana versöhnt. Götzenreligionen bieten in dieser Hinsicht keinen Frieden mit ihren Göttern, denn ihre Anhänger müssen immer wieder beweisen, dass sie würdig sind – genau, wie es einst auch das Gesetz der Juden verlangte. Dass sie es immer wieder beweisen müssen, beweist aber auch, dass sie im Grunde unwürdig sind.
„Nach diesen Ereignissen erging das Wort des HERRN in einer Vision an Abram: Fürchte dich nicht, Abram, ich selbst bin dir ein Schild; dein Lohn wird sehr groß sein. (…) Und er glaubte dem HERRN und das rechnete er ihm als Gerechtigkeit an.” (1.Mo 15,1+6)
Paulus bezieht sich auf diese Stelle im ersten Buch Mose. Diese Geschehnisse liegen einige Zeit nachdem sich Abram von Lot getrennt hatte. Inzwischen hat sich Abram vor Gott für seinen Verwandten eingesetzt, so dass dieser Lot aus Sodom rettet, ehe er die Stadt vernichtet. Es geschieht viele Jahre ehe Gott Abram, der inzwischen von Gott Abraham gerufen wird, als Treuezeugnis die Opferung des eigenen Sohnes fordert. Erst nach der Opferung eines Ziegenbocks anstelle des Sohnes schließt Gott mit Abraham einen Bund und das Bundeszeichen ist die Beschneidung alles Männlichen.
Gott hat also Abraham den Glauben als Gerechtigkeit angerechnet und genau das ist unsere Challenge. Uns wird unser Glaube an das Opfer des Christus für unsere Sünden als Gerechtigkeit angerechnet. Wir werden von Gott gerecht gesprochen für unseren Glauben. Das ist die geschenkte Gnade.
Wir sind vor Gott gerecht, weil er uns diese Gnade gewährt, nicht, weil wir irgendetwas getan hätten, was uns vor Gott rechtfertigt. Dies schließt nicht aus, dass wir trotzdem Gutes tun, wie es uns Christus gebietet, ganz im Gegenteil! Doch Gerechtigkeit aus Gnade schließt aus, dass man etwas tun könne, um Gerechtigkeit zu erlangen. Wer sich darauf verlässt, stützt sich auf das Gesetz – und die vorigen Kapitel machten deutlich, dass das Gesetz nicht rettet sondern verurteilt. Egal, wieviel Gutes ein Mensch tut, wenn er es tut, um damit vor Gott gerecht zu werden, der fällt über die Fallstricke dieses Gesetzes.
Wenn aber nichts, was wir tun, uns vor Gott gerecht machen kann, dann auch nicht die Taufe, die Kommunion, die Firmung, die Konfirmation, die Mitgliedschaft in einer Kirchenorganisation, die Priesterweihe, das Zölibat, die regelmäßige Teilnahme an den sonn- und feiertäglichen Gottesdiensten oder irgendetwas sonst, was in Kirchen als Heil bringend angeboten und angepriesen wird. Mit all diesen Dingen drücken wir – äußerlich – unsere Nähe zu unserem mächtigen Freund aus. Wenn wir glauben, spüren wir dann auch diese Nähe und diese gefühlte Nähe wird dann ein Anreiz sein, die wiederholbaren Rituale so oft wie möglich zu wiederholen. Es ist erfüllend und unglaublich schön, die Nähe Gottes zu spüren. Wer glaubt, wird sich früher oder später aus diesem Gefühl heraus um tätige Nachfolge bemühen, weil er auch dort auf jedem Schritt die Nähe seines Gottes spüren kann. Unser Gott ist ein Gott in (der) Bewegung.
Wer aber nicht glaubt, wird – außer vielleicht etwas Gruppendynamik – nichts erfahren, was seinen Alltag und sein Leben trägt, was sein Leben nachhaltig verändert.
Die Gerechtigkeit Gottes offenbart sich in seiner Gnade, erklärt Paulus im dritten Kapitel des Römerbriefes. Im Gesetz Gottes offenbart sich dagegen die Ungerechtigkeit des Menschen.
„Denn der Zorn Gottes wird vom Himmel herab offenbart wider alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen, die die Wahrheit durch Ungerechtigkeit niederhalten.” (Röm 1,18)
Paulus kündigt den gottlosen Menschen das harte Gericht Gottes an. Mehr noch: Gott kennt die ihm Untreuen genauso gut wie seine Freunde und er hat Macht über die Angehörigen beider Gruppen. Erstere hat er ihrem eigenen Verderben ausgeliefert – Gott achtet nicht die Person, wertet nicht nach Äußerlichkeiten, aber er sieht in das Herz jedes einzelnen Menschen. Ist dort Finsternis, so werden diese Menschen in Finsternis wandeln und ihrer Handlungen bringen Finsternis und Gericht über sie und jenen, die ihrem Vorbild folgen.
Doch der Plan Gottes verheißt nicht allen einfach nur Friede, Freude, Eierkuchen!
Die Menschen dieser Welt sind von ihrem irdischen Wesen her gottlos und dem Zorn Gottes verfallen, der am Tag des Gerichts ebenso offenbar werden wird wie dessen Gnade. Menschen ohne Gott seien schutzlos ihren Begierden ausgeliefert, die sie unablässig zur Sünde verführen, so der Apostel. Als fast noch schlimmer brandmarkt Paulus die Haltung vieler Ungläubiger, sich solche haltlosen, verlorenen Menschen zum Vorbild zu nehmen, also gottloses Verhalten durch Bewunderung und Nachahmung zu fördern.
Gleich im ersten Satz an die Gemeinde in Rom macht Paulus deutlich, worum es im Kern seines Auftrages geht: Gott hat ihn zu den Heiden geschickt, damit er diesen das Evangelium von Christus verkündet; kein neues Evangelium, sondern das Evangelium, das schon vor der Geburt Jesu durch Propheten und heilige Schriften bei den Juden verkündet worden war.