Hiob 4+5 (30. + 31. Mai)

Und nun passiert, was immer passiert, wenn der Größte strauchelt – der Zweitgrößte erhebt sich. Eliphas, vermutlich der älteste der drei Freunde, ergreift das Wort. Er würdigt zunächst das bisherige Wirken Hiobs für die Gemeinschaft, unterstreicht dann aber sofort die derzeitige Hilflosigkeit des einstigen Helfers. Unheil sei immer die Strafe Gottes für begangene Sünden und nicht ein Mensch sei gerecht vor Gott. Eine durch Gott im Traum geschenkte Vision hätte ihm das offenbart.

Wieder werden wir mit dem Wesen des (gottlosen) Menschen konfrontiert: Im Angesicht des Unglücks erstarren wir, aber mit der ersten Regung beginnt die Suche nach Schuld und Schuldigen, der Gottlose braucht einen Schuldigen um sich selbst freisprechen zu können. Eliphas sieht die Wurzel des Unglücks von Hiob offensichtlich bei Hiob selbst und seiner Familie. Das macht Sinn, denn somit ist die Schuld auf diese eine Familie eingegrenzt und Eliphas ist fein raus. Er darf in dieser Situation den Richter spielen – so seine Einschätzung der erfahrenen Vision.

Natürlich wird eher umgekehrt ein Schuh draus: Es ist viel wahrscheinlicher, dass Gott ihn in dieser nächtlichen Vision genau davor gewarnt hatte: „Spiel dich nicht zum Richter auf, denn du bist nicht gerechter vor mir als Hiob.“

Eliphas dagegen gefällt sich in der neuen Rolle als Lehrer immer besser und läuft zur Höchstform auf. Er hat Erkenntnis und Weisheit und weiß wie es geht; zumindest denkt er das von sich wie die weitere Rede ahnen lässt. In vielen Worten erklärt er die Größe Gottes und rät dem Freund, also aus seiner Sicht inzwischen dem Schüler, die Sache vor Gott zu bringen, der die Welt in allen Belangen lenke. Er hätte daher auch die Macht Hiobs Unglück wieder in Glück zu verwandeln.

Auch wenn Eliphas hier Wahrheit und Erkenntnis Gottes verkündet so ist diese kalt und wird daher wirkungslos bleiben. Eliphas schleudert einem Hungernden das (noch ungeschriebene) Gesetz ins Gesicht! Das Letzte was Hiob im Moment aber braucht ist ein Richter und ein Besserwisser.

Hier und in den folgenden Kapiteln macht uns der Geist Gottes klar: Verkündigung und (hier fehlende) Nächstenliebe gehen Hand in Hand. Und meist kündet die offene Hand besser von der Herrlichkeit und Gnade Gottes als der offene Mund.

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