Psalm 94 (9. + 10. Oktober)

„Gott der Vergeltung, HERR, du Gott der Vergeltung, erscheine! Erhebe dich, Richter der Erde, vergilt den Stolzen ihr Tun! Wie lange noch dürfen die Frevler, HERR, wie lange noch dürfen die Frevler frohlocken?“ (Ps 94, 1-3)

In Psalm 93 besangen wir die Schönheit unseres Glaubens, eine Schönheit, die so anders ist als diese Welt. Ja, die Welt – von oben betrachtet – ist ein Juwel im All und die Welt als ökologisches System ist über Jahrmillionen gewachsen. Nichts kann dieses System zerstören. Natürlich können wir das Gleichgewicht so stören, dass die Welt für Menschen ungemütlich, schlimmstenfalls unbewohnbar wird – doch das wären nur selbstregulierende Maßnahmen dieses Systems. Auch bietet diese Welt genug Raum und Ressourcen, dass alle Menschen satt, gebildet und in Frieden auf diesem Planeten Platz finden könnten und doch ist diese Welt für uns Menschen kein friedlicher Ort. So schön unser Glaube ist, so wenig passt er zu der uns umgebenden Realität.

Und dann beten gläubige Menschen die Verse 1 – 3 des Psalms 94 und rufen verzweifelt nach Gott, damit der es richtet – und nichts verändert sich, zumindest nicht zum Guten! Enttäuschend. Aus Verzweiflung wird Zweifel, aus Zweifel Verleugnung, aus Verleugnung Unglaube. Das ist nachvollziehbar und verständlich.

Wo ist Gott, wenn man ihn mal braucht?

Ja, natürlich, die Ratschlüsse Gottes sind unergründlich und ehe ich in eine unausweichliche Situation kam, hätte es tausend Dinge gegeben, die ich hätte tun können, um diese Situation zu vermeiden. Und wenn es in der Welt ungerecht zugeht und unschuldige Menschen sterben, dann muss ich mich auch da fragen: Was kann ich tun? Was hätte ich tun sollen? Alle müssten sich das fragen! Alle müssten etwas ändern! Jeder müsste bei sich anfangen! Wir sind die Hände und Füße unseres Gottes! Wenn wir das endlich einsähen und danach handelten, dann, ja dann …

Aber keiner tut etwas, warum lässt Gott das zu? Warum erscheint er nicht und beendet das Unrecht?

Hier beginnt der schwierige Teil des Glaubens: Vertrauen, wo man nicht versteht.

Vertrauen ist etwas, das man sich in dieser Welt verdienen muss. Wer einfach nur vertraut ist ein Dummkopf, so haben wir das gelernt. Und doch verlangt dieser Gott, dass wir ihm vertrauen sollen, während diese Welt zusammenbricht. Unmöglich!

Unmöglich?

Wenn alles Tun misslingt, wenn alle Kraft und alles Wollen enden, was bleibt dann noch anderes als Vertrauen? Wir müssen begreifen, dass dieses Vertrauen auf Gott keine Torheit ist, Vertrauen auf Gott ist das einzige, das uns niemand in der Welt – und auch keine andere Macht! – wegnehmen kann, es sei denn wir geben es selbst auf.

Standhaft im Glauben sein heißt: Egal was passiert, halte am Vertrauen in Gott fest. Wenn die Welt zerbricht, wenn dein Leben endet, vertraue auf Gott! Ganz klar, das ist nicht rational begründbar, erst recht nicht „vernünftig“, aber Glaube besiegt Ratio, denn Christus hat die Welt besiegt.

Sei standhaft im Glauben!

„Da wurde mir der HERR zur Schutzburg, mein Gott zum Fels meiner Zuflucht.“ (Ps 94, 22)

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