Psalm 102 (18. – 20. Oktober)

„Denn meine Tage sind in Rauch aufgegangen, und meine Gebeine glühen wie ein Brand. Mein Herz ist geschlagen und verdorrt wie Gras; ja, ich habe vergessen, mein Brot zu essen.“ (Psalm 102)

Die Eindrücke aus dem Buch Hiob rücken ins Bewusstsein beim Lesen des Psalms 102. Ein Mensch, am Ende seiner Kraft und Weisheit fleht zu Gott. Und genau als solches Bitt- und Flehgebet ist der Psalm auch gemeint. Leiden und sich verlassen fühlen sind genauso Bestandteil unseres Glaubens, wie die Hoffnung, Freude, Liebe. Jesus macht uns in seinen Lehren darauf aufmerksam, dass es sich bei unserer Nachfolgerschaft um keine romantische Schön-Wetter-Religion handelt, wenn er sagt „Wer mir folgen will, der nehme sein Kreuz täglich auf sich und folge mir nach“ (Lk 9,23) und etwas später „Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen“ (Joh 15,20)

Auch wenn wir Kinder Gottes sind, so leben wir doch in dieser Welt und leiden an ihr wie alle anderen auch. Und als ob das nicht schon Last genug wäre für ein Leben, sorgt auch das Festhalten am Glauben – dann, wenn es brenzlig wird – oft zusätzlich für Häme und Verachtung.

Darum erinnert der Psalmist im zweiten Teil an die Treue Gottes zu seinem Volk. Gott bewahrt uns nicht vor den Unwegsamkeiten dieses Lebens, er sagt uns nur zu an unserer Seite zu sein. Und was der Psalmist nur als Verheißung kannte und woran er glaubte, das hat Gott uns in Christus bereits offenbart. Die dem Volk Israel verheißene Rettung ist bereits Wahrheit. Aus der Zusage unseres Herrn schält sich freilich heraus, dass es dabei nicht um die Wiederherstellung irgendwelcher irdischer Territorien geht – Gott gehört die ganze Schöpfung, warum sollte er auf einem winzigen Flecken der Erde ein weltliches Königreich (wieder-)errichten? Auch das individuelle Leben eines Menschen ist vor allem von äußeren und persönlichen Voraussetzungen abhängig.

Doch ob ein Mensch sein „Schicksal“ als Fluch oder Segen empfindet, das hängt von Beziehungen ab, zuerst den Beziehungen innerhalb der Familie und der Umgebung, später zunehmend auch von der Beziehung zu Gott und der Familie, in die er uns stellt.

Ohne diese Beziehungen gehen unsere Tage auf diesem Planeten schnell „in Rauch auf“ und wir verzweifeln am Leben selbst. Beziehungen strukturieren dieses Leben und bringen es in einen Gesamtzusammenhang, geben dem Einzelnen Bedeutung. Ohne Beziehungen sind wir ein einzelnes Blatt, das der Wind verweht, mit Beziehungen sind wir ein Wald, der auch dem Sturm trotzt.

Und wenn Gott Wurzel dieser Beziehungen ist, dann ist dieser Wald auf Ewigkeit gegründet und auch der Sturm der Zeit kann ihn nicht angreifen.

In den Momenten tiefer Verzweiflung erinnert uns dieser Psalm, dass wir als Kinder Gottes nicht alleine sind.

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