Daniel 10 (28. + 29. November)

Der erste Vers/Satz von Kapitel 10 scheint das gesamte Kapitel zusammenzufassen. Dass er an erste Stelle steht, macht den Text nicht verständlicher. Wir nehmen von diesem ersten Vers daher nur die Zeitangabe und lassen den Rest erst einmal unbeachtet. Wir gehen also davon aus, dass der Grund für die Traurigkeit Daniels nicht in der Vision selbst lag. Daniel hat vermutlich aufgrund seiner engen Beziehung zu Gott einfach gespürt, dass da was im Busch war und das ängstigte ihn.

Im dritten Jahr von König Kyrus hat Daniel die wohl größte Vision. Jesus selbst erscheint ihm und obwohl nur Daniel ihn sehen kann, wird er wohl auch von seinen Begleitern wahrgenommen, denn die rennen panisch weg. Die Szene erinnert etwas an die Erscheinung, die Paulus gut 500 Jahre später hatte.

Überhaupt erinnert vieles an die Erscheinungen Jesu nach der Auferstehung. So spricht er Daniel mehrmals mit „Fürchte dich nicht!“ an und mit dem jüdischen Gruß „Shalom“ – „Friede sei mit dir“. So grüßte Jesus seine Jünger, als diese sich ängstlich in einer Dachkammer verbarrikadiert hatten und auch Paulus dürfte diese Worte mehr als einmal bei seinen zahlreichen Kerkeraufenthalten von seinem Herrn vernommen haben. Daniel, der viel geliebte Mann Gottes, rückt damit zum ersten Jünger Jesu auf – über 500 Jahre bevor dessen Zeit auf der Welt anbricht.

Jesus erklärt ihm hier, dass Gott ihn sofort geschickt habe, als Daniel um Erkenntnis bat, er sei aber von Kyros aufgehalten worden. Der Erzengel Michael, der Schutzheilige Israels, sei ihm nun aber zu Hilfe gekommen und nun sei er hier, um ihm die Wahrheit über die letzten Tage zu verkündigen.

Jesus erklärt ihm, dass die Zeit Persiens (Babylon) zu Ende gehe – so sei es im Himmel beschlossen – und sich danach Griechenland zur Weltmacht und damit auch zur Macht über Israel erheben werde. Aber Strippenzieher hinter all diesem Ränkespiel sei letzten Endes er, Jesus, allein unterstützt nur von Michael. Darum werde er ihm nun offenbaren können, was geschehe.

Hier endet Kapitel 10; es ist unmittelbar ersichtlich, dass vom Autor an dieser Stelle kein Kapitelende vorgesehen war, denn dies ist die Einleitung zur eigentlichen Prophezeiung.

Aus diesem Kapitel nehmen wir mit: Gott nimmt in einer Vision erstmals eine menschliche Gestalt an, auch wenn sein Aussehen mehr dem postapokalyptischen Messias gleicht. Er greift damit für seinen Daniel weit voraus, was deutlich macht, was Gott hier mit „viel geliebter Mann“ meint. In Daniel führt Gott die beiden Zeitstränge – die vor- und die nachmessianische – bereits erstmals in Visionen zusammen, denn er ist der erste Prophet Gottes (seit der Gründung der Nation Israel), der aufgrund seiner Verschleppung nach Babylon das Wort Gottes, basierend auf dem durch Moses überbrachten Gesetz, in die Welt trägt.

Was immer Jesus also in den nächsten Kapiteln Daniel für sein Volk sagen und zeigen wird, es gilt letzten Endes auch für das endgültige, das große Volk Gottes, vereint unter Jesus Christus.

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