Ein zerbrochenes Herz – Psalm 69 (26. – 28. November)

Im Gegensatz zu Psalm 68 ist hier eindeutig, welche Emotionen David zu diesem Psalm trieben. Er war verzweifelt, vielleicht depressiv aufgrund einer länger andauernden Krankheit, welche die Welt um ihn herum noch bedrohlicher erscheinen ließ, als sie es ohnehin schon war.

„Schlachtopfer für Gott ist ein zerbrochener Geist, ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verschmähen.“ (Ps 52, 19)

Nicht nur die Stille öffnet also unser Herz für den Segen Gottes, auch die schiere Verzweiflung.

Die Bilder, die David hier empfängt sind nun allerdings wenig erfreulich. Das würde aber auch keinen Sinn machen. Einem Menschen in tiefer Not hilft nichts weniger als ein „Kopf hoch! Alles halb so schlimm!“

Und so gibt Gott David hier Bilder, die über seine eigene Not hinausreichen. Die Bilder Gottes spiegelt verschiedene Aspekte der augenblicklichen Situation des Leidenden wieder und führen auf diesem Weg weiter. In diesen Bildern sagt Gott: Ich, Gott, sehe deine Situation und bin bei dir und ich zeige dir Auswege, auf denen ich dich begleiten werde.

So lesen wir von einem geschundenen Körper, von Hohn und Spott aus der Umwelt. Davids Klagen weisen dabei Parallelen zur Passion Christi auf. Es ist unwahrscheinlich, dass David genau die im Psalm geschilderte Not und Bedrohung erfuhr, aber seine Situation öffnete sein Herz für ebendiese von Gott gesandten Bilder; er empfand die Leiden Christi. Doch bei aller empfundenen Gemeinsamkeiten wird Jesus anders reagieren, als David hier fordert.

In seinem Elend bittet David von Gott, die von ihm wahrgenommenen Schuldigen hart zu bestrafen und sie direkt in die Hölle zu schicken:

„Rechne ihnen Schuld über Schuld an, damit sie nicht eingehen in dein Heil!“ (Ps 69, 28)

Jesus rief in dieser Situation aber:

„Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ (Lk 23, 34)

Vergebung ist der von Gott gegebene Ausweg; es ist der einzige Ausweg.

Wir sehen aber an David, dass eine solch vollendete Form der Liebe einem gewöhnlichen Menschen schwerfallen wird. Die eigene, unmittelbar erlebte Not führt einen Menschen zunächst einmal zwangsläufig in eine Isolation. In dieser Situation erlebt er sich zuerst und vor allem in Abgrenzung zu seiner Umwelt und so – insbesondere, wenn in guten Zeiten kein belastbares Vertrauensverhältnis aufgebaut wurde – auch in Abgrenzung zu seinem Gott. Natürlich lebt David darüber hinaus auch zur Zeit des Alten Bundes, in der es noch um Rache (Gottes) und Sühne geht, in der Vergebung noch durch Opfer erkauft werden muss – und sei es nur als Bild für die später geschenkte, vollkommene Vergebung, von der wir heute wissen, die David aber nur aus Visionen kannte. Aber wenn wir ehrlich sind, in Zeiten der Not, wenn wir Bedrohung erfahren, sind wir mit unseren Herzen nicht allzu weit weg vom Alten Bund. Und so sehr wir uns mühen, dies zu überwinden, sobald wir unsere Haltung erkannt haben, es gelingt meist nicht sehr nachhaltig – wenn überhaupt.

Gott hat David aus gutem Grund als Bild für Jesus gewählt. Er ist noch näher an unserer Lebenswirklichkeit dran, er stolpert und stürzt über die Herausforderungen und Fallen dieser Welt, wie jeder andere Mensch. Und dann klagt er und fordert Gerechtigkeit, genau, wie wir das in solchen Situationen tun. Gott sagt uns hier: Ich habe Menschen wie David zu meinen Kindern gewählt, dir zum Zeichen. Auch wenn du stürzt, bin ich bei dir.

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