Wiedervereinigung (I) – 1. Moses 42 – 45 (27. September – 4. Oktober)

Alle Brüder Josephs – mit Ausnahme Benjamins, des Jüngsten – ziehen zu ihm nach Ägypten hinauf, um dort Korn für die ganze Sippe zu kaufen. Der Regent erkennt seine Brüder, gibt sich selbst ihnen aber nicht zu erkennen und wirft ihnen vor, hebräische Spione zu sein.

Dass er sich trotz des harschen Tons nach dem Befinden ihres Vaters erkundigt, fällt ihnen vor lauter Furcht gar nicht auf. Joseph erkennt nun aber den Sinn seiner Träume als Jugendlicher, denn seine Brüder verneigen sich tatsächlich vor ihm.

Nach einigem Hin und Her behält er lediglich Simeon als Pfand und fordert die anderen auf, ihm zum Beweis ihrer Ehrlichkeit Benjamin zu bringen. Doch er schickt sie nicht mit leeren Händen zurück! Er lässt ihre Säcke reichlich mit Korn füllen und auch noch das Geld, mit dem sie es bezahlt hatten dazu legen.

Doch der alte Jakob will auf gar keinen Fall seinen Jüngsten auch noch verlieren, nachdem der schon seinen geliebten Joseph verloren glaubt. Darum bleibt Simeon der Gefangene Josephs bis das Korn zur Neige geht. Nun weigern sich die Söhne, ohne Benjamin ein weiteres Mal nach Ägypten zu ziehen und so gibt der alte Mann Benjamin in deren Hände, nachdem sich Ruben und Juda für die Rückkehr des Bruders verbürgt haben.

Mit einer weiteren List gelingt es Joseph die Brüder erneut festzusetzen und – ausgerechnet – Benjamin soll als (fälschlich) entlarvter Dieb Sklave des Regenten werden und in Ägypten bleiben.

Und jetzt bricht die ganze Schuld und Scham aus Juda heraus. Er bekennt alles, was er getan hat, fleht um Gnade für Benjamin, dessen Verlust den Vater umbringen würde und fleht Joseph an, an dessen statt Sklave zu sein, wenn nur Benjamin zum Vater nach Hause darf. An dieser Stelle gibt es auch für Joseph kein Halten mehr! Er schickt alle Ägypter aus dem Zimmer und gibt sich seinen Brüdern unter bitteren Tränen der Freude und Erleichterung zu erkennen. Er bewirtet und beschenkt sie reichlich und lädt sie ein, zusammen mit ihren Familien und mit dem Vater nach Ägypten zu kommen. Die Hungersnot werde noch weitere fünf Jahre dauern und er werde hier für sie sorgen, so dass es ihnen an nichts fehlen werde. Auch der Pharao selbst ist von diesem Vorschlag seines wertvollsten Beamten begeistert. Er schickt sie mit Wagen und weiteren Geschenken nach Kanaan, um alle hierher zu holen.

Jakob kann diese vielen frohen Botschaften, insbesondere jene, dass sein Joseph noch lebt, zunächst nicht glauben. Erst als er die Wagen und die vielen Geschenke sieht glaubt er und will nach Ägypten zu seinem Sohn.

Wir sehen im Verlauf dieser Kapitel die gesamte Entwicklung der Beziehung zwischen Gott und den Menschen. Der harsche Ton, in denen Joseph seinen Brüdern vorwirft Spione zu sein bildet die gesamte Vorgeschichte, einschließlich des Alten Bundes unter Moses ab. Die Menschen haben falsches Spiel mit Gott getrieben. Das ist bei Gott natürlich gar nicht möglich, wenn er es nicht zulässt, aber wir haben ihn betrogen. Dieses Verhalten mündete in einem Bund, in welchem Gott sein Volk unter die Knute eines Gesetzes stellte, wohl wissend, dass sie versagen würden. Dass er ihnen trotz ihrer zahlreichen Verfehlungen immer wieder Gnade erwies und treu zu ihnen hielt, so wie Joseph, der hier die Säcke seiner Brüder reich befüllen lässt und ihnen auch noch das Geld zurück gibt, das ist dem Volk gar nicht aufgefallen. Hier wie dort liegt das Problem in der Aufmerksamkeit der Empfänger der Gnade. Man hört nicht zu und man glaubt nicht, was man mit eigenen Augen sieht („Sie hören, aber sie verstehen nicht – sie sehen, aber sie erkennen nicht!“).

Joseph erkennt den Sinn und die ganze Tragweite des Handelns seines Gottes in genau dem Moment, als er den Sinn seiner jugendlichen Träume versteht. Das passiert uns oft und meistens bemerken wir es nicht einmal. Gott zeigt uns einen Weg, aber wir sind voller Zweifel und voller (anderer) Erwartungen. Ich erinnere mich heute, als wäre es gestern gewesen, an den Tag, als Gott mir den Auftrag gab, genau das zu tun, was hier auf dieser Seite entsteht. Das ist jetzt über 30 Jahre her! Die Idee, die daraus entstand, tauchte in dieser Zeit immer wieder auf, doch sie hatte nichts mit Bibelbetrachtungen zu tun. Ich bin in dieser Zeit durch viele Täler gegangen, war oft verzweifelt oder resigniert. Gott hatte mir einen Traum gegeben, aber ich hatte ihn nicht verstanden und er musste mich über einen weiten Weg schicken, bis ich bereit war zu erkennen.

Joseph ist in diesem Kapiteln aber auch mehr als in allen anderen ein Bild für den Christus! Wir erleben, wie sehr sich der Regent nach seiner Familie sehnt und wie quälend es für ihn ist, sie in Vielem im Dunkeln zu lassen, weil sie noch schuldbeladen sind und diese Schuld erst abschütteln – und daher zuvor bekennen – müssen, um die Gnade wirklich mit ganzem Herzen zu empfangen und nicht nur mit dem Bauch. Das ist die schwere Aufgabe Jesu. Er kam auf die Welt, um – zunächst nur sein Volk, stellvertretend für alle Kinder Gottes – freudig in die Arme zu schließen und er musste erleben, dass wir dazu nach all den Bitten und Rufen des Vaters immer noch nicht bereit waren.

Also erzählte er uns von dem Schatz, der für uns bereit liegt und von den Voraussetzungen, damit wir diesen, der heute nach dem Beschluss unseres himmlischen Vaters bereits unser Eigentum ist, auch in Besitz nehmen können. Er musste uns schließlich in dieser Welt zurücklassen, aber nicht ohne uns zuzusichern, dass er uns heimbringen werde, wenn wir ihm nur glauben, das heißt unsere Schuld abwerfen indem wir ihm vertrauen. Er sieht in diesem Moment, wie wir uns immer noch winden, uns immer noch an unsere Schuld klammern. Wir haben uns so sehr an sie gewöhnt, dass sie uns zur zweiten Haut wurde. Im Weinen Josephs sehe ich das Weinen unseres Christus, jedes Mal, wenn wir wieder die falsche Abzweigung nehmen. Wir sind seine Familie und er will uns heimholen, aber er kann nicht, weil wir immer noch nicht bereit sind, weil wir – genau wie Israel – viel lieber an die Verderbtheit und Hoffnungslosigkeit der Welt glauben als an einen bereits vor aller Zeit für uns beschlossenen Heilsplan, weil wir immer noch viel überzeugter von den von uns entfachten Kräften dieser Schöpfung sind als von der Kraft des Schöpfers.

Da ist ein Messias mit Glauben und Hoffnung für eine ganze Welt. Es ist die Aufgabe derer, die sich seine Freunde nennen, dass er damit nicht allein bleibt und die Gruppe der Hoffnungsträger stetig wächst.

„Ihr seid das Licht der Welt. Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben.“ (Mt 5,14)

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