Lügner

Nicht immer finden wir bei Jesus die Aussage zu einem bestimmten Sachverhalt genau dort, wo wir sie vermuten. Wie Lüge zu verstehen ist, sagt er zum Beispiel auch, während er den Ehebruch erklärt:

„Jeder, der eine Frau ansieht, um sie zu begehren, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen.“ (Mt 5,28)

Was Jesus hier sagt, gilt im Grunde für jede Sünde, auch die Lüge. Sie beginnt im Kopf! Wenn ich also etwas sage und dabei etwas weglasse, um damit von der eigenen Verantwortung abzulenken oder einem Anderen zu schaden, bin ich ein Lügner. Lüge beginnt immer mit der Absicht andere zu täuschen, um aus dieser Täuschung einen Vorteil zu gewinnen.

Menschen, die die Täuschung als legitimes Werkzeug betrachten, sind unseres Vertrauens nicht würdig. Auch darüber hat sich Jesus geäußert, und zwar beim Gleichnis vom Vertrauen und der Ungerechtigkeit:

„Wer in den kleinsten Dingen zuverlässig ist, der ist es auch in den großen, und wer bei den kleinsten Dingen Unrecht tut, der tut es auch bei den großen.“ (Lk 16, 10)

Jesus geht es natürlich immer um das Reich Gottes, doch wir dürfen nicht vergessen, das Reich Gottes ist mitten untern uns. Christen sollen deshalb in dieser Welt Vorbild in Liebe, Güte und Zuverlässigkeit sein, denn die Liebe ist das Zeichen, an dem die Welt erkennen wird, wem wir in Wahrheit nachfolgen. Wenn wir also nicht selbst in den Dingen, die wir tun und sagen, wahrhaftig und zuverlässig sind, wie können wir dann behaupten, dem nachzufolgen, der für uns Weg, Wahrheit und Leben ist? Wie können wir behaupten, Gott zu dienen, wenn wir zuerst uns selbst dienen? Wie können wir glaubhaft machen, dass Christus der uns versprochene aus den Toten auferstandene Erlöser ist, wenn man uns in „den kleinen Dingen dieser Welt“ nicht vertrauen kann?

Wenn du also im wahrsten Sinne des Wortes wirklich begeistert bist von diesem Gott, wenn du ihm vertraust, dann wirst du dich so verhalten, dass andere dir vertrauen können. Diese Regel betrifft die Gedanken, Haltungen und Handlungen jedes einzelnen. Einem Menschen, der mir immer wieder in diesem Punkt in den Rücken fällt, kann ich schließlich überhaupt nicht mehr vertrauen. Er kann nicht mehr Teil dieser von Gott gestifteten Gemeinschaft sein, bis er glaubhaft umkehrt und sich sein Vertrauen durch tätige Reue wieder verdient hat.

Das Reich Gottes wird der Welt durch uns offenbart oder verhüllt!

Aber diese Regel gilt genauso auch für Gruppen und Organisationen!

Die größte Schwäche der Katholischen Kirche ist ihr Umgang mit Wahrheit und Verantwortung, nicht nur bei den vielen kleingeredeten und so lange wie möglich verschwiegenen Fällen von sexueller Gewalt. So nutzt sie nach wie vor eine sehr engstirnige Auslegung der Schrift um den „katholischen Markenkern“ der Kirche zu erhalten. Doch nirgendwo in der Bibel hören wir Jesus seinen Jüngern erklären: „Daran soll die Welt erkennen, dass ihr katholisch seid!“ Wir sind zuerst Christen! Wir sind nur und allein Christen, denn nur Christus ist unser Lehrer!

Ich möchte dabei gar nicht ausschließen, dass es andere christliche Kirchenorganisationen gibt, auf die dieser Vorwurf nicht in ähnlicher – vielleicht sogar genau derselben – Weise zutrifft.

Doch Paulus spricht auch immer wieder gerne von der Obrigkeit, der wir gehorchen sollen, weil sie von Gott eingesetzt sei. Doch in Demokratien ist die Obrigkeit ein Konstrukt mit wechselnden Rollen. Am Wahltag ist das Volk die Obrigkeit und es bestimmt gemäß der gesetzlichen Vorgaben, denn in einem demokratischen Rechtsstaat steht niemand über dem Gesetz, die Zusammensetzung des zukünftigen Parlamentes für die ebenfalls im Gesetz genannte Zeitperiode. In Deutschland wählen wir weder die Regierung, noch das Staatsoberhaupt, noch eine bestimmte Koalition, egal, was uns die Wahlplakate glauben machen wollen. Und jeder Wähler ist sich darüber bewusst, dass seine Stimme für die vorgesehene Zeit gilt; ein „ich habe mich geirrt“ ist nicht vorgesehen (und das würde ein Parlament und damit die Demokratie auch handlungsunfähig machen). Nur durch die Wahl, an der jeder Wahlberechtigte in freier, gleicher und geheimer Wahl teilnehmen kann, zählt als Abstimmung. Eine Umfrage einer  - pseudozufälligen – Stichprobe besagt gar nichts! Und hier beginnt schon die Wahrhaftigkeit der Parlamentarier. Wer aufgrund günstiger Umfragen auf vorzeitige Neuwahlen schielt, der missachtet die Obrigkeit … und natürlich auch unsere Verfassung. Das heißt, alle Parlamentarier müssen das einzig erlaubte und anerkannte Votum ihrer Obrigkeit, des Volkes, für die gesetzlich vorbestimmte Zeit respektieren. Wer das nicht kann, der taugt nicht fürs Parlament! Und während dieser Zeit müssen ihre Aussagen wahrhaftig (also unter Beachtung aller Fakten, nicht nur der angenehmen) und verlässlich sein. Verlässlichkeit meint hier zum einen, dass ein Parlamentarier sein Fähnchen nicht nach dem Wind hängen darf (Populismus), aber auch, dass Entscheidungen der davor aktiven Parlamentsmehrheit respektiert werden.

Und schauen wir jetzt auf die Regierung, so stellen wir fest, die Koalitionäre trauen sich nicht über den Weg, d.h., es gibt keine Wahrhaftigkeit und damit auch kein Vertrauen untereinander. Ohne Vertrauen kann man nicht erfolgreich regieren, nicht mal gut arbeiten. Den schlechten (und erst recht den notwendigen aber ausbleibenden ) Entscheidungen gehen zumeist Vertrauensbrüche voraus. Wo kein Vertrauen ist, hilft auch ein Machtwort des Kanzlers nicht mehr.

Aber die Opposition ist nicht besser! Alle in der Opposition befindlichen Parteien arbeiten nach der Maxime, alles, was schlecht für die Regierung ist, ist gut für das Land. Es geht den Parteien in der Opposition nur darum, selbst an die Macht zu kommen oder doch zumindest Zwietracht zu säen. In Wirklichkeit geht es keiner Oppositionspartei um das Land oder die Menschen, es geht nur um sie. Alle Oppositionsparteien, egal ob links, konservativ oder rechts, arbeiten gezielt darauf zu, eine ohnehin schwache Regierung noch weiter zu destabilisieren. Sie tun dies durch Lügen, ja, Lügen. Da sind natürlich die offensichtlichen Lügen: Dinge werden einfach verdreht und falsch dargestellt.

Aber es werden auch Fakten ignoriert, die nicht zur eigenen Ideologie passen, ja sogar gegen eigene Überzeugungen gestimmt, wenn man der Regierung (die im jeweiligen Punkt mal wieder uneins ist) eins auswischen kann. Wieder geht es nicht ums Land, sondern ausschließlich um Selbstprofilierung! Wer unter diesen Bedingungen laut tönt, dies doch alles zum Wohle des Volkes und der Demokratie zu tun, der täuscht und der ist ein Lügner!

Dabei ist eine mit etwas Wahrheit verschleierte Lüge noch schlimmer als die offene Verdrehung der Fakten. Sie täuscht in doppeltem Sinne, denn hier erscheint dann plötzlich sogar die Wahrheit (und sei ihr Anteil noch so winzig) als nicht mehr verlässlich. Doch Vertrauen kann man keinem Lügner!

Aber ist die Erlangung der Macht für die eigene Partei nicht legitimes Ziel in einer Demokratie? Ja, das ist sie, solange die gewählten Mittel wahrhaftig, verlässlich sind. Doch ganz offensichtlich geht es nicht um Wahrheit zum Wohle des Volkes, es geht ums Rechthaben zum Zwecke der eigenen Profilierung. Die Parteiräson über das Volk zu stellen ist aber gegen den Amtseid eines jeden Parlamentariers, der ja Beamter, also Diener des Staates, auf Zeit ist. Parteien nötigen die von ihnen ins Parlament entsandten Abgeordneten durch den Fraktionszwang zum Eidbruch, wenn sie immer ideologisch geprägtes Parteiziel mit objektivem Staatswohl gleichsetzen. Volksvertreter, die diese Praxis als üblich und normal akzeptieren, sind objektiv für den Job ungeeignet, der ihre Entscheidungen allein von ihrem Gewissen gelenkt wissen möchte.

Wir sehen, die Regeln, die uns unser Gott gibt, sind keine theoretischen Hirngespinste! Sie sind praktischer Natur und sie sind in jeder Situation anwendbar, denn sie schützen die Gemeinschaft auf allen gesellschaftlichen Ebenen.

Fangen wir heute damit an, wieder verlässlich und wahrhaftig zu werden, wo wir in der Vergangenheit den bequemen Weg gesucht haben, als Individuum, aber auch als Mitglieder von Kirchen, Parteien und anderen Gruppen.

Die Krisen der Kirchen, unserer Demokratie und der Gesellschaft allgemein haben aber die gleiche Wurzel: Mangel an Wahrhaftigkeit und Verlässlichkeit. Der Mangel muss erkannt und durch tätige Umkehr beseitigt werden, sowohl in Kirchen als auch in demokratischen Parteien; ebenso überall, wo Menschen Gemeinschaften bilden.

Eine weitere uns von Jesus mit auf den Weg gegebene Regel lautet:

„Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich; wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut.“ (Mt 12, 30)

Ja, natürlich! Jesus spricht hier vom Reich Gottes, doch das Reich Gottes ist eine große Gemeinschaft. Gemeinschaften funktionieren nur nach dem von Jesus genannten Prinzip, auch in dieser Welt. Klar, bei Gott wird es nur noch eine Wahrheit geben, weil die dann allen bekannt ist. In dieser Welt bildet man aber auch Gemeinschaft, indem man sammelt, nicht zerstreut. Sammeln heißt, sich stets darum bemühen die verschiedenen Meinungen und Überzeugungen zusammen zu führen, so führt man Gemeinschaften.

Es mag einfacher erscheinen, die Gegensätze herauszustellen und sie als absolut unvereinbar darzustellen. Man gewinnt so vielleicht leichter Mehrheiten zur Durchsetzung der eigenen Interessen. Doch man teilt auch eine Gemeinschaft in unversöhnliche Lager; man sammelt nicht man zerstreut. In jeder nur denkbaren Gemeinschaft dieser Welt werden damit Extrempositionen, in einer demokratischen Gemeinschaft extremistische Parteien gefördert.

Dass die hier beschriebenen Formen der Lüge, also Mangel an Wahrhaftigkeit, Verlässlichkeit Vertrauen und damit Gemeinschaft zerstört, können wir täglich erkennen, am aktuellen Fortgang der Weltgeschichte, an der Entwicklung der großen christlichen Kirchen, an Regierung und – allgemeiner – Volksvertretern; ebenso bei unzähligen alltäglichen Anlässen.

Die einst von Cäsar geprägte Strategie „Teile und Herrsche“ ist mit christlichen Werten unvereinbar und widerspricht den Normen und Notwendigkeiten menschlichen Zusammenlebens, denn „Teile und Herrsche“ hat als wirksamstes Werkzeug die Täuschung, also die Lüge.

Wer nun aber lügt um des eigenen Vorteils und Vorankommens bei den eigenen, egoistischen Zielen Willen, wer nun also bewusst Gemeinschaft – die nur durch Vertrauen bestehen kann – durch Lügen zerstört, sei es Individuum, Gruppe oder Organisation, der wird niemals Gemeinschaft mit mir haben können, solange er sein Verhalten nicht ändert. Und ich behaupte: Der wird auch nie Gemeinschaft mit Gott haben, solange er von dieser Sünde nicht abkehrt, umkehrt – falls ihm Gemeinschaft mit Gott etwas bedeutet.

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