Das haben wir im Geschichtsunterricht gelernt: Die Menschen des Altertums beobachteten Phänomene in der Natur. Wenn sie etwas nicht verstanden, erklärten sie das Phänomen oder das Ding, bei dem sie dieses Phänomen beobachteten zu einer Gottheit. Diese beteten sie an; diese Mächte versuchten sie mit ihren beschränkten Mitteln, eingekleidet in mystische Rituale zu manipulieren. Götter waren Felsen, Bäume, Tiere, Sterne am Himmel, Donner und Blitz und andere Naturgewalten usw.
Dann kam dieser Gott Abrahams. Er war anders. Es war einerseits ein persönlicher Gott andererseits drückte er seine Macht natürlich auch über die Elemente der uns umgebenden Welt aus. Wir leben in dieser Welt, wie sonst sollten wir ihn erfahren können. Darüber hinaus – wir erinnern uns – die Menschen suchten Gott in der sie umgebenden Welt. So waren sie es von Alters her gewöhnt. Natürlich kannst etwas nur dort finden, wo du es zuvor gesucht hast!
Mit Jesus Christus eroberte dieser Gott die Welt – Gläubige würden hier einwerfen: Er holte sie sich zurück.
Und jetzt passierte etwas Seltsames … oder auch nicht. Alles, was die Menschen nicht verstanden, erklärten sie mit der Macht und dem Willen Gottes. Dieses Heilige Buch, das die Wahrheit über das Wesen Gottes verkündet, sollte plötzlich auch die Wahrheit über die Fragen, die uns die Phänomene der Welt über deren Funktionsweise stellen beantworten. Jede Antwort der damals noch jungen Wissenschaft, die scheinbar dem Wort Gottes widersprach musste damit falsch sein.
Was war passiert? Die Menschen hatten ein Verbot ihres Gottes missachtet! „Du sollst dir kein Bildnis von mir machen – weder aus Gold noch aus irgendeinem anderen Material noch in deinem Kopf!“ Sie hatten sich ein Bild von ihrem Gott gemacht, ein Bild das sie verstehen konnten. Sie studierten die Bibel und Gott war genau der Teil der Heiligen Schrift, den sie verstehen konnten. Damit hatten sie Gott zu einer Naturgewalt degradiert. Das musste schiefgehen!
Es hat bis ins Zeitalter der Aufklärung gedauert, bis die Menschen diesen Fehler erkannten. Du kannst Naturphänomene, also Fragen aus der uns umgebenden Welt, Fragen der Wissenschaft nicht mit religiösen Postulaten beantworten. Zugegeben: Nicht bei allen Gläubigen ist diese Einsicht bis heute angekommen.
Aber im Großen und Ganzen herrscht heute Konsens darüber, dass sich die Religion nicht in die Belange der Wissenschaft einmischen sollte, zumindest nicht, solange es nicht um elementare, moralische Fragen, also ihr Fachgebiet geht. Die Trennung funktioniert aber auch in die andere Richtung! Gott ist KEIN naturwissenschaftliches Phänomen und kann deshalb auch nicht naturwissenschaftlich erforscht werden. Lediglich die Art und Weise, wie Menschen auf einen anzunehmenden Gott reagieren, kann psychologisch und soziologisch erfasst werden.
So bin ich immer wieder erstaunt, wenn ich im Fernsehen höre, dass ein Wissenschaftler die Existenz Gottes mit wissenschaftlichen Methoden widerlegen möchte. Das geht dann meist so: Ich habe die Welt erforscht und sie ist mangelhaft und grausam. Würde ein Gott denn wirklich …, wenn es einen gäbe?
Was tun diese Forscher? Sie beobachten Phänomene in der Natur (oder im All) und kommen zu dem Schluss, wenn sie Gott wären, hätten sie das alles anders gemacht. Was tun sie aber wirklich? Sie machen sich ein Bild von Gott, vergleichen es mit der Wirklichkeit und stellen fest, dass (ihr geschaffenes) Bild und Wirklichkeit nicht zusammenpassen. Wenn du von Anfang bis hier gelesen hast, kannst du diesen Forschern sagen, was sie falsch gemacht haben und warum das schiefgehen musste.
Soweit so gut. Manchem Menschen ist der Glaube einfach nicht gegeben. Er kann nur akzeptieren, was er sehen oder messen oder sonst wie mit wissenschaftlichen Methoden nachweisen kann. Er kann nur akzeptieren, was er verstehen kann oder was doch zumindest ein anderer Mensch verstehen kann. Dann macht er aber einen Schritt, den ein kluger Mensch als „Sprung in den Glauben“ bezeichnet hat. Er sagt: „Weil ich es nicht verstehe und weil ich es mit meinen Instrumenten nicht erfassen kann gibt es das nicht. Es ist nur existent, wenn ich es nachweisen kann. Und wenn ich sage, dass es nur gibt, wessen Existenz ich beweisen kann, dann ist das die allein gültige, absolute Wahrheit.“
Damit sind diese Wissenschaftlicher geistlich auf der Stufe der Schamanen des Altertums, auch wenn seit dieser Zeit eine schier unvorstellbare Menge neuen Wissens angehäuft wurde. Sie erheben sicht- und messbare Phänomene zu den neuen Göttern, neben denen kein anderer Gott existiert. Objektiv betrachtet sind diese neuen Götter natürlich wieder jene des Altertums, eben sicht- und messbare Phänomene. Klar, man nennt sie jetzt nicht mehr Götter und die mystischen Rituale zur Manipulation derselben wurden durch streng wissenschaftliche Methoden ersetzt. Aber indem man die Wissenschaft als die einzig Wahrheit vermittelnde und Wahrheit enthaltende Instanz proklamiert, bzw. deren alleinige Anerkennung fordert, erhebt man sie zur Religion und sich selbst zu deren Hohepriester, zum Verkündiger der „alleinigen Wahrheit Wissenschaft“.
Ja, Glaube und Wissenschaft sind zwei getrennte Disziplinen, aber eben – das liegt im Sinn der Bedeutung des Wortes „getrennt“ – in beide Richtungen. Den meisten Menschen ist das heute klar, aber halt eben noch nicht allen … sowohl auf der religiösen, wie auf der wissenschaftlichen Seite. Auch auf der wissenschaftlichen Seite hat die Aufklärung den Weg noch nicht in alle Köpfe gefunden.