Gott als Zentrum – 1. Könige 12 – 13 (23. – 26. August)

Genau dieses Zentrum bricht weg mit dem Tod von König Salomo. Genau genommen war es ja schon zum Ende seiner Regentschaft weggebrochen. In diesen beiden Kapiteln erfahren wir nun, welche „Götter” diese Lücke besetzen.

Die zehn Nordstämme machen den Anfang. Plötzlich stellen sie fest, dass Steuern und Abgaben zu hoch seien und fordern von Salomos Sohn und Nachfolger Rehabeam mehr Freiheit und weniger Staat. Eben noch begeistert ihrem weisen König Salomo gefolgt, empfinden sie die Situation jetzt plötzlich unerträglich. Die Antwort auf die Frage, woher dieser Sinneswandel kommt, ist schnell gefunden: Wenn der eine Gott nicht mehr das Zentrum des Lebens bildet, dann füllt das Individuum diese Lücke und das Individuum schafft sich irdische Götter. Ein weiser Mann sagte einmal, wenn der Mensch aufhört den Schöpfer anzubeten, dann beginnt er die Schöpfung anzubeten. Anbetung ist immer!

Die Schöpfung bietet uns viele Götter an. Alles was wir begehren kann unser Gott sein. Wo also nicht der eine Gott ist, dann sind sehr schnell viele Götter und wir brauchen Zeit und vor allem Mittel, diese anzubeten. Der Ruf nach mehr Freiheit und weniger Staat (in einem im Grunde funktionierenden Staat) ist ein Zeichen, dass das Individuum mit seinen vielen Göttern an die Stelle des einen Gottes getreten ist. In einem Kirchen- oder Gottesstaat wie dem alten Israel tritt das besonders heftig zutage, in säkularen sogar in laizistischen Staaten sind die Mechanismen aber dieselben. Ohne eine anerkannte ordnende Kraft im Zentrum zerfällt die Ordnung in viele Einzelinteressen. Kennzeichen weltlicher Götter sind kleine, konkurrierende, aufstrebende und wieder zerfallende Zweckgemeinschaften, angetrieben von Egoismus. Der für die Gemeinschaft lebensnotwendige über die eigenen, momentanen Bedürfnisse hinausreichende Gemeinsinn – biblisch: der Geist der Kirche – verliert Strahlkraft, Attraktivität und letzten Endes auch Macht.

Und wie reagiert die Macht darauf?

Wir sehen es in Rehabeam. Sie reagiert mit Drohungen, Schüren von Ängsten und Druck. Rehabeam droht mit mehr Staat, mehr Regelungen, mehr Repressalien. Da er auch sein eigener Gott ist, kann er sich nur auf jene Dinge verlassen, von denen er glaubt, dass sie ihn stark machen.

Keine Reaktion ohne Gegenreaktion.

Die zehn Nordstämme sagen sich los von König Rehabeam und gründen ihr eigenes Reich. Jerobeam, einst vor Salomo nach Ägypten geflohen, wird zum König des Nordreiches „Israel” ernannt. Er erkennt schnell, dass sein Reich ein eigenes spirituelles Zentrum braucht und gibt seinem Volk gleich zwei solche Orte: Dan und Bethel. Niemand nimmt Anstoß daran, dass er ausgerechnet goldene Kälber als Bildnisse für Gott wählt, jene Symbole, die einst beinahe zum vorzeitigen Ende des Bundes Gottes mit seinem Volk geführt hätten. Es zeigt sich, Geschichtskenntnis und -verständnis sind zur richtigen Einordnung aktueller Geschehnisse unverzichtbar. Dies gilt sowohl für Staat wie auch für Kirche. Das Geschichtsbuch der Kirche ist freilich die Bibel (oder wäre entsprechend im alten Israel die Tora gewesen). In beiden Fällen geht es aber nicht um Chronologie, sondern um das Erkennen von Zusammenhängen, von Schleifen und Wiederholungen.

Die Geschichte von Jerobeam zeigt uns noch etwas: Der König vollzieht in den neuen Kultstätten genau dieselben Riten, die auch in Jerusalem stattfinden. Den Menschen genügen offensichtlich diese rein äußerlich zelebrierten Riten. Ohne Kenntnisse über die Hintergründe und Zusammenhänge wird aus Glaube eine Bilderreligion (theologisch: Götzendienst). Es ist nicht unwahrscheinlich, dass einige Teilnehmer von diesen Religionsevents beseelt nach Hause kamen und in ihrem neuen Anführer einen Befreier, einen Messias, zu erkennen glaubten. Die dunkelste Seite auf einem Weg ohne Gott und auf der Suche nach Anbetungsmöglichkeiten in dieser Welt ist das Anhangen des Volkes an einen „Messias”, einem Menschen, dem man bedingungslos vertraut und alles glaubt, einem Führer (oder Gruppe um ihn), dessen Wort Gesetz und jede Rede gegen ihn Lüge ist, gegen die man sich – auch mit Gewalt – wehren muss. Das „auserwählte Volk”, das sich aufgerufen fühlt, sich gegen die Feinde von außen und innen mit allen Mitteln zu wehren, ist das Zerrbild des Gottesvolkes; es ist ein Volk das einen Menschen an die Stelle des Messias setzt – ein sich von Gott abgewandtes, gottloses Volk. Wer den Antichristen sucht, der suche hier, nicht in sogenannten „satanischen Gemeinschaften”.

Auch wenn die Bibel kein naturwissenschaftlich, historisches Buch ist, bei dem jedes einzelne, erwähnte Ereignis einem archäologischen Datum zugeordnet werden kann, so zeigt dieses Buch doch sehr detailliert, dass Menschen seit Menschengedenken anbeten und dass dieser eine Gott der Israeliten eine einende Kraft auf die Menschen ausübt, die offensichtlich stärker ist, als die eines jeden anderen Stammesgottes. Letztere sind alle untergegangen, als deren Kulturen untergingen. Die Kraft des Gottes Abrahams, Isaaks und Jakobs ist ganz offensichtlich nicht von der Überlegenheit einer Kultur abhängig, ganz im Gegenteil! Das Wort Gottes erreicht die Menschen über die Grenzen der Kulturen hinweg. Sowohl der alte Bund durch Mose als auch der neue Bund durch Christus zogen ihre Dynamik aus der Schwäche des Kulturraums Israel. Das Gesetz des Alten Bundes verbreiteten sich nach der Zerschlagung Israels durch die Nachbarvölker und die Verschleppung der Israeliten. Das Evangelium Christi verbreitete sich durch die (weltliche) Schwäche der ersten Christen, die vor der dominanten Leitkultur fliehen mussten.

Der Kraft des Gottes Abrahams, Isaaks und Jakobs offenbart sich in den Schwachen!
Das unterscheidet diesen Gott auch von der letzten verbliebenen kulturübergreifenden Religion: dem Kapitalismus.

Dass sich Gottes Stärke in der Schwäche der Menschen offenbart, ist aber zu diesem Zeitpunkt der Geschichte noch auf plötzlich aus dem Nichts auftauchenden Propheten beschränkt.

Jerobeam lässt neben den beiden Kälbern in Bethel und Dan viele heidnische Höhen und Altäre errichten. Das ist für ihn nichts Besonderes; viele Götter zu haben und anzubeten, ist Teil der ägyptischen Kultur, in der er so viele Jahre gelebt hat. Ein Gott für jede Angelegenheit, so denkt und fühlt er und das ist auch das „spirituelle Weltbild" der Individualisten und Egoisten, denn im Grunde ist doch jeder sein eigener Gott. Jerobeam macht die Sache also nicht schlimmer, er ist nur der Mann an der Spitze dieser spirituellen Bewegung.

Und am Ende einer weiteren Dekade plus-minus ein paar Jahre, knien auch Juda und dessen König Rehabeam vor den weltlichen Göttern.

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