„Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich; wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut.“ (Mt 22, 30)

Viele Jahre bezog ich diesen Satz Jesu hauptsächlich auf Sektierer, Menschen, die ihr Verständnis von Evangelium und Auftrag unseres Herrn als das einzig wahre ansehen und daher andere auffordern, ihre bisherigen Gemeinden zu verlassen und der propagierten beizutreten, um gerettet zu werden.

Gott allein rettet! Und er hat dies getan durch Christus, also Jesus, den er selbst uns in Psalm 2 als seinen Sohn angekündigt und vorgestellt hat.

Es gibt folgerichtig keine aus dem Wort abgeleitete Lehre, kein „Spezialfall“, die die Macht hätte auch nur eine einzige Seele zu retten, indem man ihr folgt!

Insofern wird es natürlich Gruppen geben, denen sich Gott durch sein Wort in etwas anderer Weise offenbart hat als anderen. Es gibt einen Grund für die große Geduld unseres Gottes. Doch über alle Unterschiede hinweg ist dieselbe Heilszusage unseres Gottes gültig. Wer also seine Erkenntnis über die der anderen stellt, offenbart sich in diesem Punkt als Irrlehrer, der nicht sammelt, sondern zerstreut, indem er Gläubige verunsichert und versucht, sie von ihrer Gemeinschaft zu trennen. Ein solcher Irrlehrer ist ein Wolf im Schafspelz.

Wie gesagt, bisher bezog ich Mt 22,30 ausschließlich auf jene Gruppe von Menschen.

Doch ich beobachte, wie sich immer mehr Menschen von den etablierten Kirchengemeinschaften abwenden und wie Kirchenfürsten diesen Prozess geradezu begrüßen.

Habt ihr nicht zugehört? Erkennt ihr nicht, was ihr da tut? Es gibt zwei Wege eine Gruppe zu trennen. Die erste ist, man lockt Mitglieder aus der Gruppe weg, die zweite Möglichkeit ist, man ekelt sie von innen aus der Gruppe hinaus. Ihr nutzt die zweite Möglichkeit und die ist noch schlimmer als die erste.

Als Jesus zu Petrus sagte: „Auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen“ so meinte er damit den Glauben, der Petrus das wahre Wesen seines Rabbi offenbart hatte. In vielen Punkten hat Jesus deutlich gemacht, dass er keine Hierarchie wünscht, sondern wahre, ehrliche Geschwisterlichkeit. Die Hierarchie, die sich dann in der ersten Gemeinde und allen weiteren Gemeinden herausbildete, hatte organisatorische Gründe. Eine Gruppe braucht in dieser Welt Ordnung und Koordination, um sich nicht in Chaos und Wirkungslosigkeit aufzureiben. Doch wir haben nur einen Lehrer und nur der zeigt uns, was Glaube für jeden persönlich bedeutet. Es gibt in dieser Weltkirche keine Einrichtung, die über den Gläubigen steht oder dazu berufen wäre, den Glauben allgemeingültig zu definieren und es gibt kein Amt, das über den Gesetzen der Welt stünde, weil es Gott aus der Welt herausgehoben hätte. Wenn Gott euch in diesem Punkt die letzten Jahrhunderte gewähren ließ, dann damit ihr erkennt, dass es so nicht funktioniert. Es gibt keine offizielle Glaubenslehre neben dem Evangelium, es gibt keine von Gott eingesetzten Ämter (nur von Gott geduldete) und es gibt in dieser Welt(zeit) keine Gerichtsbarkeit, die über der weltlichen stünde.

„Jeder ordne sich den Trägern der staatlichen Gewalt unter. Denn es gibt keine staatliche Gewalt außer von Gott; die jetzt bestehen, sind von Gott eingesetzt.“ (Röm 13,1)

Darüber hinaus werdet ihr natürlich auch vor Gott Rechenschaft ablegen für alles, was ihr getan, unterlassen oder verschwiegen habt. Ihr habt bei Gott kein Amt, erst recht genießt ihr bei ihm keine Immunität, die zuerst aufgehoben werden müsste.

Unsere Führung hat versagt und versagt weiterhin. Sie verrät mit jedem Tag, den sie diesen Weg weitergeht, unseren Herrn. Ist es da nicht Christenpflicht Widerstand zu leisten?

Nein. Das bekannteste Opfer fehlgeleiteter und machtzentrierter Kirchenpolitik wurde ans Kreuz geschlagen und er hatte seine Haltung zum Widerstand bei seiner Verhaftung „dem anderen Jünger mit dem Schwert“, Petrus, sehr deutlich gemacht und – bezogen auf die Bergpredigt – kann es hier nicht nur um gewaltsamen Widerstand gehen, sondern auch um den gewaltlosen.

Können wir also gar nichts tun?

Petrus selbst zeigt einige Wochen später, dass wir durchaus tätig sein können und müssen, als er vor dem Hohen Rat bekundet:

„Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ (Apg 5, 29)

Dieser eine Satz ist der gültige Leitfaden.

Wir haben die Kirchenführung, die wir haben und müssen akzeptieren, dass sich Gott etwas dabei gedacht hat (siehe Röm 13,1). Doch über dieser Führung steht Gott, sein Wort und unser Auftrag, der durch dieses Wort verkündet wird.

Wenn diese Kirchenführung nun etwas von uns fordert, das unserem Auftrag entspricht, so folgen wir dieser Aufforderung mit ganzem Herzen und aller Kraft, denn sie kommt von Gott. Wenn diese Kirchenführung aber etwas von uns fordert, das unserem Auftrag – Generalüberschrift „Nächstenliebe“ – widerspricht, so müssen wir Gott mehr gehorchen als den Menschen, denn keiner in der Kirchenführung ist qua Amt ein „Stellvertreter Gottes“, egal, was Definitionen der Organisation in diesem Punkt behaupten. Gott spricht zu uns in vielerlei Gestalt, auch durch andere Menschen, jegliche festgelegte Institutionen endeten aber an jenem Karfreitag und wurden durch keine neuen ersetzt.

Dieser Weg wird in vielen Punkten kein schöner sein, denn oftmals werden wir nicht das bekommen, was unserer Erkenntnis nach gut und richtig wäre. Dinge werden sich viel langsamer entwickeln, als es uns gefällt. Unter Mose starb eine ganze Generation in der Wüste, ehe man in das gelobte Land kam und Mose selbst kam auch nicht hinein. Wir müssen uns auch an den Gedanken gewöhnen, dass wir – möglicherweise – das gelobte Land, die erneuerte Kirche, zwar in der Ferne sehen aber nicht mehr betreten werden. Wenn Gott es so entschieden hat, führt unser Weg durch die Wüste und wir müssen ihn gehen.

Neben dem, was innerhalb der Kirche möglich und nicht möglich ist, bleibt natürlich weiterhin die weltliche Rechtsprechung. Dass sich Täter und Komplizen dieser weiterhin zu entziehen suchen, darf nicht länger akzeptiert werden. Entsprechendes gilt für Regelungen im Kirchenrecht, die gegen weltliches Recht verstoßen. Das ist aber Aufgabe der weltlichen Gewalten der einzelnen Staaten.