Markus 14, 1 – 9 (22. Februar)

Die letzten beiden Tage, ehe der Tod eines Menschen zum Anfang einer neuen Welt wird. Ohne es zu wissen sind die Obersten Priester und die Schriftgelehrten mit ihren Mordabsichten gegen Jesus voll im Plan.

Doch kurz vor dem Showdown ist Jesus noch einmal bei Simon zu einem Gastmahl zu Besuch. Wahrscheinlich ist an diesem Tag keine rechte Stimmung aufgekommen und Jesus dürfte weitestgehend geschwiegen haben. Sein Lehrauftrag war beendet. In diese surreale Situation tritt nun eine Frau, die hier nicht näher genannt wird, und salbt Jesu Haupt mit einem speziellen und sehr teuren Salböl. Die Anwesenden halten dies für eine unverzeihliche Verschwendung, doch Jesus klärt die Gemeinschaft darüber auf, dass diese Frau ihn nur im Voraus für sein Begräbnis gesalbt habe. Gleichzeitig erklärt er, dass Menschen, die zukünftig sein Evangelium verkünden dabei auch immer diese Frau erwähnen werden.

Auch wenn sich diese Erzählung durch alle vier Evangelien zieht, erscheint sie widersprüchlich. Bei Markus und Matthäus ist Jesus zu Gast bei Simon, dem Aussätzigen. Hier hat die Frau keinen Namen und salbt den Herrn im Voraus zum Begräbnis. Bei Lukas geschieht diese Salbung viel früher, nämlich als Jesus im Haus eines Pharisäers, der ebenfalls Simon heißt, zu Gast ist. Hier wird die Frau als Sünderin beschrieben, die diese Salbung als Liebesbezeugung für die Vergebung ihrer Sünden durchführt. Bei Johannes passiert es nicht zwei, sondern sechs Tage vor dem Passah und im Haus von Lazarus. Hier ist es Maria, die Schwester des Lazarus, die Jesus mit teurem Öl im Voraus zum Begräbnis salbt.

Offensichtlich hat sich die Erzählung über den tiefen Liebesbeweis dieser Frau tatsächlich gehalten und so kennt diese Frau jeder, der das Evangelium kennt. Die Frage ist natürlich, wie ausgerechnet bei so einer zentralen Begebenheit eine solche Verwirrung bei den Evangelisten passieren konnte.

Bis auf Lukas datieren alle Evangelisten dieses Ereignis auf die Woche vor der Kreuzigung. Es kann daher angenommen werden, dass Lukas eventuell eine andere Salbung beschreibt und diese Salbung als angenommene Doppelung derselben Geschichte einfach weggelassen hat. Lukas beschreibt auch eher das Leben des Menschen und Gottes Sohnes Jesus Christus. In dieser Erzählung haben andere Personen die Funktion, den Protagonisten in irgendeiner Form zu spiegeln, um sein Wesen verständlicher zu machen. Wer Jesus kennenlernen möchte, der tut dies daher am besten mit dem Lukasevangelium. Johannes offenbart den Plan Gottes, der sich in Jesus Christus erfüllt. Matthäus und Markus verfassen ein „Gebrauchs-Evangelium“, hier wird einer bestimmten Gruppe, einmal den Juden und einmal den Heiden, das Evangelium verkündigt, und zwar in einer Form, in der es einfach weitererzählt werden kann. Leben Jesu und konkrete Aussage für den Glauben des Einzelnen und der Gruppe verschmelzen in einem Text. Hier ist es wichtig, dass diese Salbung erst am Ende geschieht, denn der Liebesbeweis der Frau zu diesem Zeitpunkt zeigt uns, wie Menschen auf Jesus reagieren, die seine Botschaft wirklich ergriffen und begriffen haben: Es ist die bedingungslose Hingabe an einen Menschen, der sich bereit erklärt meine Schuld auf sich zu nehmen und mich auf diese Weise zu retten. Ich schulde ihm im wahrsten und engsten Sinne des Wortes mein Leben, meine unsterbliche Seele.

Maria, die Schwester des Lazarus, hatte dies aber offensichtlich auch begriffen, denn wir erfahren ja bei Johannes, dass Maria den Herrn so sehr verehrte, dass sie – sehr zum Missfallen ihrer Schwester Martha – ihre Gastgeberpflichten vergaß und zu den Füßen des Herrn ganz verzückt seinen Erzählungen vom kommenden Reich lauschte. So verwundert es nicht, dass Johannes ihr das teure Fläschchen in die Hand schreibt.

Lukas verbindet die Salbung mit der Vergebung der Sünden. Hier passt die Erzählung einfach logisch besser in den noch laufenden Lehrauftrag Jesu, der dem Pharisäer in einem Gleichnis erklärt, dass ein Mensch, entsprechend der eigenen Erkenntnis über seine Schuld und deren Vergebung durch Gott ein Gefühl von Dankbarkeit und Liebe gegen diesen Gott entwickelt.

Doch unabhängig von der tatsächlichen Person bleibt hier für uns die Beschreibung einer Haltung gegenüber dem Herrn, wie wir sie uns für uns nur wünschen können: Jesus ist der Anker im Leben eines jeden einzelnen. Er ist der Halt im Treiben dieser Welt ohne den wir verloren wären. Wenn wir das in unseren Herzen wirklich erfassen, begreifen wir, dass diese Frau keine symbolische Handlung begangen hat. Sie nahm das wertvollste, das sie besaß und gab es für einen Moment mit ihrem Herrn. Ihr Handeln ist die Antwort auf das Gleichnis des Kaufmanns, der seine ganzen Reichtümer aufgab für eine besonders schöne Perle (Mt 13, 46).

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