Gericht über Sodom und Gomorra – 1. Mose 19 (18. + 19. August)

Eine verstörende Geschichte. Die Engel des Herrn kommen nach Sodom, um das Gericht über sie zu bringen. Am Stadttor begrüßt sie Lot herzlich und bittet – ja bedrängt – sie, bei ihm Quartier zu nehmen. Schließlich willigen sie widerwillig ein.

Bald darauf tauchen Männer aus Sodom am Haus Lots auf und fordern die Herausgabe der Gäste. Ihr Brauch scheint es nämlich, sich an Fremden zu vergehen. Lot schätzt das Gastrecht aber so hoch ein, dass der diesen Monstern seine Töchter zur Vergewaltigung anbietet. Doch die Bedränger bezeichnen nun auch Lot, der schon viele Jahre unter ihnen wohnt als einen Fremden und drohen ihm mit noch schlimmerer Gewalt als seinen Gästen.

Hier greifen die Engel ein, holen Lot ins Haus, verriegeln die Tür und verwirren die Angreifer mit Blindheit. Schließlich fordern sie Lot auf, alle die zu ihm gehören zu versammeln und die Stadt auf schnellstem Wege verlassen. Doch seine Schwiegersöhne glauben ihm nicht.

Am Morgen wiederholen die Engel ihre Aufforderung noch einmal eindringlicher; sie schleppen die ganzen Sippe vor die Stadt und fordern Lot auf ins Gebirge zu fliehen. Doch Lot ist der Weg zu weit und zu anstrengend, er möchte nur bis zu einem nahen Kaff laufen. Die Engel lassen sich auf den Kompromiss ein, ermahnen Lot direkt und ohne Zögern dorthin zu gehen und sich nicht mehr umzudrehen. Die Frau Lots schaut trotzdem zurück und erstarrt zur Salzsäule.

Der Rest der Geschichte ist fast noch verwirrender. Obwohl Gott selbst ihm geboten hatte, in die von Lot selbst vorgeschlagene Kleinstadt zu fliehen, bleibt er nicht dort und zieht mit seinen Töchtern weiter ins Gebirge, wo er in einer Höhle Quartier nimmt. Diese entschließen sich nun ihren Vater betrunken zu machen und dann mit ihm Kinder zu zeugen. So werden durch Inzucht die Stammväter der Moabiter und der Ammoniter gezeugt.

Wie gesagt, eine durch und durch verwirrende Geschichte. Natürlich erklärte Moses mit dieser Geschichte den Israeliten zunächst einmal, warum ihnen, diese Völker – selbst Semiten, also Brudervölker – ihnen Feinde waren. Die Völker entstanden aus schwerem Ungehorsam gegen Gott. Völker, die auf diese Weise entstanden sind müssen ja Feindschaft mit Gott und damit Feindschaft mit dem Volk Gottes haben!

Doch Gott packt uns hier wieder einige andere, höhere Wahrheiten ein; die verwirrende Geschichte ist nur Träger dieser Wahrheiten und sollte daher nicht als historischer Bericht oder Ausdruck eines göttlichen Willens angesehen werden.

Das Gericht über Sodom ist ein Bild für das Gericht über die Welt, die handelnden Personen stehen für die Menschen an sich.

An dieser Geschichte wird zunächst deutlich: Gottes Gerichtsspruch über die Welt hat bereits stattgefunden, die Welt und alle die auf ihr leben, sind schuldig gesprochen, die Verhandlung ist bereits geschlossen. Die Welt wartet jetzt auf die Vollstreckung des Urteils.

Die Fürsprache Abrahams im letzten Kapitel steht für unseren Fürsprecher vor Gott. Es ist Christus der hier erwirkt, dass die Seelen, die Gott ihm gab, gerettet werden sollen. Sein Argument für das Gnadengesuch: Ich habe den Preis für diese bezahlt! Und das lässt Gott auch so gelten.

Im nächsten Schritt müssen nun die im wahrsten Sinne des Wortes „Begnadigten“ von der Hinrichtungsstätte weggeholt werden. Dies geschieht in unserem Fall wieder durch Christus, der uns als Bote Gottes unsere Begnadigung und Befreiung im Evangelium verkündet hat. Was wir nun tun müssen, ist, auch wirklich von der Hinrichtungsstätte wegzugehen und das fällt uns genauso schwer wie Lot und seiner Familie. Da sind Menschen, die hören zwar die Botschaft, glauben sie aber nicht und andere, die sie hören und glauben, fangen an zu verhandeln, weil sie eigentlich gar keine Lust zum Aufbruch haben oder weil sie sich vor der Anstrengung und der Ungewissheit fürchten – Zeichen von Ungehorsam und mangelndem Vertrauen.

Manchmal greift Gott hier dann tatsächlich ein und die Lebensumstände ändern sich in einer Art und Weise, dass der Aufbruch unausweichlich wird oder zumindest nicht mehr so abschreckend wirkt. Hier packen die Engel einfach die Männer und schleppen sie vor die Stadt. In deinem Leben kann das ein plötzlicher Umbruch sein oder – auch nicht unwahrscheinlich – einfach das Ende des von dir eingeschlagenen Weges. Plötzlich scheint alles zum Stillstand zu kommen und sich mehr oder weniger im Kreis zu drehen. Letzteres war meine Situaion.

Dann kommt die nächste Hürde:

„Jesus erwiderte ihm: Keiner, der die Hand an den Pflug gelegt hat und nochmals zurückblickt, taugt für das Reich Gottes.“ (Lk 9,62)

Lots Gattin ist von diesem Schlag. Natürlich ruft die Beschreibung ihres Blickes zurück in jedem Wort „Neugierde“, doch die himmlische Wahrheit dahinter ist eine andere. Die Geretteten sind in ein neues, ihnen von Gott geschenktes Leben aufgebrochen. Sie werden dieses neue Leben nur dann leben können, wenn sie das alte ganz zurücklassen. Der nach hinten gerichtete Blick ist Zeichen dafür, dass die Frau zwar aufgebrochen ist – sie hat die Hand an den Pflug gelegt, aber nicht dazu bereit ist, das neue Leben vorbehaltlos anzunehmen. Das Ergebnis ist, sie erstarrt zur Salzsäule. Das klingt eigenartig und mystisch, meint aber, sie bleibt im Niemandsland zwischen altem und neuem Leben stecken. Wenn ihr aufbrecht, dann tut es mit ganzem Herzen und mit aller Kraft – und mit dem vollen Vertrauen auf den Retter vor euch! Wenn ihr aufbrecht, dann seid ihr mit einem Mal Fremdlinge – Pilger – in dieser Welt. Das werdet ihr nur ertragen, wenn ihr eurem Scout vertraut.

Aber auch Lot ist nicht frei von Zweifeln. Er bleibt nicht in der Stadt, die er selbst vorgeschlagen hatte, sondern flieht nun doch mit seinen Töchtern in die Berge. Vielleicht wollte Mose in diesem Punkt auf die Wankelmütigkeit der Israeliten anspielen. Wir erinnern uns: Nach mehreren Wochen Wüstenwanderung kommen die Israeliten an der Grenze zum Gelobten Land an und Gott sagt: „Geht einfach rein, ich gehe euch voraus und werde die Hindernisse – einschließlich Bevölkerung – aus dem Weg räumen. Was machen die Israeliten? Sie zögern und schicken ein paar Spione voraus. Und als die zurückkommen und von „Riesen“ berichten, bekommt das Volk kalte Füße und will lieber einen neuen Anführer als den Willen Gottes tun. Dann, als Gott gesagt hat: Ihr sollt das Land nicht haben, aber eure Nachkommen, überlegen sie es anders, stürmen munter drauf los und werden gnadenlos verprügelt und tief in die Wüste gejagt.

Auch hier: Sei nicht wankelmütig, wenn du mit Gott gehst! Natürlich ist es nicht ausgeschlossen, dass du dir auf dem Weg, den Gott dir zeigt auch mal eine blutige Nase holst – so ist diese Welt! – aber es läuft immer auf eine Katastrophe zu, wenn du halbherzig handelst. Bedenke deine Schritte sorgfältig und wenn du mit Gott gehst, vertraue ihm. Lot war in Sodom als „Fremdling“ beschimpft worden. Es hätte ihm also klar sein müssen, dass dieses Gefühl in einer fremden Stadt – erst reicht in einer kleinen, wo jeder jeden kennt – umso stärker sein würde. Der Entschluss nach Zoar zu fliehen war aus Angst vor Einsamkeit gefällt und nicht aus Überlegung. Der Entschluss aus Zoar in die Berge zu fliegen war wieder aus Angst gefällt und überhastet.

Hier kommt also erstmals ganz deutlich das Innehalten, die Zwiesprache mit Gott ins Spiel, und insbesondere, wie es sich auswirkt, wenn man darauf verzichtet. Wir haben eine Rumpffamilie irgendwo in der Einsamkeit, abgeschnitten von den Menschen und von Gott und es kommt, wie es kommen muss: Eine falsche Entscheidung zieht in der Reaktion darauf weitere falsche Entscheidungen nach sich. Die Töchter begehen Inzucht mit dem Vater, es entstehen „verkehrte Völker“, das heißt, es entsteht eine Realität, die völlig unvereinbar mit dem Willen Gottes ist.

Und das ist dann gar nicht mehr verwirrend, denn das ist die Situation der Welt; das ist der Grund, warum sich die Welt nicht selbst retten kann, sondern einen Retter braucht. Ohne Retter, ohne den Scout, entfernt sich die Welt immer weiter von ihrer Bestimmung. Ohne Scout gibt es für uns kein Entrinnen von der Hinrichtungsstätte, egal, wohin wir laufen.

Noch ein Wort zu dem Kuhhandel, den Lot den Menschen in Sodom anbot. Man könnte hierin die abartigen Wertevorstellungen einer patriarchischen Gesellschaft herauslesen, die wir mit unserem heutigen Wertekanon nicht mehr verstehen. Man könnte auch wohlwollend herauslesen, dass Lot das Vertrauen auf Gott höher schätzt als das eigene Leben, könnte hier also die Opferbereitschaft Lots loben. Doch es ist nichts Gutes in diesem Angebot Lots! Das wird darin deutlich, dass die Engel die Situation mittels himmlischer Intervention schlagartig beenden. Gott fordert keine Menschenopfer!

1. Mose 19 >>