So klingen Wut und Verzweiflung! Gott zitiert Jeremia vor den Tempel in Jerusalem. Dort soll er Volk und Priestern den Urteilsspruch verkünden, was er ihm ja davor schon in kleiner Runde offenbart hatte. Offensichtlich ging Jeremia sogar mehrfach zum Tempel um Gottes Urteil zu verkünden, denn die Vorwürfe wiederholen sich und die angekündigte Strafe für den Vertragsbruch steigert sich.
Dass sich diese Kapitel in Jerusalem vor dem Tempel abspielen, macht deutlich, dass hier ganz gezielt die Glaubenswirklichkeit von Volk, König und Priestern in die Waagschale geworfen werden.
Gott ist total enttäuscht von der Untreue seines Volkes. Er wirft ihnen vor, dümmer als die Tiere zu sein, die doch immer wieder zu ihrem Ursprung zurückkehrten. Die Zerstörung und das Elend seien hausgemacht. Doch die Israeliten würden sich immer weiter in ihren Götzenanbetungen verzetteln und verirren. Um ihnen zu zeigen, dass die Götzen, die sie anbeteten das Problem und nicht die Lösung seien, veranschaulicht er an dem Bild, dass der Feind komme, die Gebeine ihrer Toten ausgrabe und die Knochen auf den Feldern zerstreuen werde. So werden die Gebeine in entwürdigender Weise den Kräften der Natur ausgesetzt, in denen die Israeliten ja ihre Götter sehen. Da die Israeliten in jener Zeit an die Auferstehung in dem Leib, in dem sie gestorben waren, glaubten, hätte sich damit auch die von Gott, ihrem einstigen Vertragspartner, zugesagte Auferstehung erledigt. Das Verstreuen der Knochen auf dem Feld (der Götzen) steht so für das Bild des zweiten Todes.
Gott hält auch im Richten seine Zusagen: Untreue gegen ihn bedeutet den endgültigen Tod!
Die Entscheidung zur Erfüllung dieser letzten Vertragsklausel ist nun endgültig gefallen. Gott untersagt sogar dem gerade von ihm auserwählten Jeremia für das Volk zu beten; er werde diese Gebete nicht mehr erhören.
Einen kleinen Trost hat Gott aber für das von ihm verstoßene Volk: Der gläubige Überrest unter ihnen wird zwar dasselbe Unheil erfahren wie alle Israeliten, aber Gott wird ihn wieder in sein Erbteil zurückführen. Mehr noch: Durch sie werden Menschen unter den Heidenvölkern ebenfalls an ihn, den lebendigen Gott glauben und auf diese Weise gerettet werden. Gott kündigt also nicht nur das Ende des Alten Bundes an, er verspricht auch gleich einen neuen.
Was hat nun das mit uns, den Menschen des Neuen Bundes zu tun?
Zunächst einmal natürlich: Gott hat sein Versprechen gehalten. Es gibt ihn, den neuen, den umfassenderen und besseren Bund. Der Bund der Gnade ist mehr als nur Ersatz für den Bund des Gesetzes. Er ist ein einseitig von Gott zugesagter Bund und nicht mehr vom Handeln der Bundesgenossen, also uns, abhängig. Somit kann er auch nicht mehr gebrochen werden, denn auch das sehen wir in diesem Urteilsspruch: Gott hält sich auch dann noch an den Vertrag, als die Israeliten ihn schon wiederholt gebrochen hatten. Damit ist absolut sicher: Wer von Gott im Bund aufgenommen ist, der ist gerettet.
Und das ist der Haken an der Sache!
Die Israeliten wurden durch zwei äußere Merkmale Gottes Bundesgenossen: Sie mussten von einer israelitischen Mutter geboren werden und alle männlichen Kinder mussten am achten Tag beschnitten werden, denn der Bund erstreckte sich vom Familienvorstand, also dem Vater, auf alle Familienmitglieder. War also der Vater Bundesgenosse, so waren es alle in seinem Haus. Wenn also der Sohn am achten Tag beschnitten wurde, so war damit sichergestellt, dass auch seine zukünftige Familie Bundesgenossen sein würden.
Gott macht in diesen Kapiteln aber auch Schluss mit diesen rein äußerlichen Merkmalen. Zum einen weitet er seine Zusage für die Zukunft auf alle Völker aus, zum anderen fällt hier aber mehrfach der Begriff „Beschneidung im Herzen“, und hiermit ist wahrhaftiger, ehrlicher Glaube gemeint! Nachfolge aus Glaube und Überzeugung! Kind wahrhaftig gläubiger Eltern zu sein, macht dich ebensowenig zu einem Genossen des Neuen Bundes, wie die Taufe mit Wasser. Selbst tätige, äußerliche Frömmigkeit wie regelmäßiger Gottesdienstbesuch, eifriges Beten und Beichten und so weiter genügen nicht, um zum Club zu gehören, auch wenn alle diese äußerlichen Zeichen natürlich gut und richtig sind. Gott prüft – wie es auch in diesen Kapiteln heißt – Herz und Nieren und wählt seine Kinder aus. Und die lässt er’s dann auch wissen, das bezeichnen wir (weil Jesus es so genannt hat) mit der Wiedergeburt im Geist oder mit der Taufe im Geist.
Darum: Das Gleichnis von den klugen und den törichten Jungfrauen (Mt 25, 1-13) bezieht sich nicht nur darauf, vorbereitet zu sein, wenn der Herr am Jüngsten Tag wiederkommt, es bezieht sich auf die ständige Aufmerksamkeit, um nicht den Moment zu verpassen, wenn der Herr in dein Leben tritt und dir sagt: „Dich kenn‘ ich, komm!“. Es ist der Moment, an dem dir ein neues, ein unvergängliches Leben angeboten wird, das nicht erst nach deinem Tod, sondern in diesem Moment beginnt. Alles ist ab diesem Moment anders (selbst die Dinge, die äußerlich gleich bleiben), alles ist neu. Das willst du nicht verpassen!
Und dann gibt es die anderen, von denen ist hier auch die Rede. Jene, die sagen: „Uns kann doch nichts passieren, denn der Herr ist doch in unserer Mitte!“ Verlasst euch nicht auf die Zusagen der Bibel, die betreffen die erste Gruppe. Im alten Israel stand der Tempel Gottes in der Stadt Jerusalem, die Gott liebevoll seine Tochter nennt. Das heißt, man konnte zu Gott hingehen. Heute sind die Kinder Gottes sein Tempel. Da kann man nicht hingehen, da geht Gott hin! Alle (äußerlich vorgetragenen) Rituale und Zeremonien sind nur Veranschaulichungen, Gleichnisse für uns. Damit machen wir uns bewusst, wer unser Gott ist. Durch die Wahl der Zeremonien wählen wir unseren Gott nicht, die beeindrucken ihn nicht, sondern nur unsere Herzenshaltung.
„Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt.“ (Joh 15, 16)
Womit wir noch einmal bei den törichten Jungfrauen wären.
Ich habe viele Rufe des Gottes, den ich heute Papa nenne, verpasst, einfach weil ich Götzen nachlief und meine Welt von meinen Wünschen und meinem Stolz zu laut war für sein Rufen und das, obwohl ich in all der Zeit, die ich zurückblicken kann, nicht eine Sekunde an der Existenz dieses Gottes gezweifelt habe – töricht! Doch irgendwann hat er mir meine Welt ganz leise gemacht, indem er mir all die Dinge, die um mich lärmten, nach und nach wegnahm (meine alte Welt löste sich auf, so in etwa, wie in diesen Kapiteln beschrieben, wenn auch nicht so gruselig), so dass ich ihn nicht mehr überhören konnte. Da habe ich zugehört und Gott ist groß im Vergeben – Gott sei Dank! Wer Gott hört, der hat in ihm auch die Ruhe ihn zu hören und der geht einen neuen Weg und lässt die alten hinter sich.
„Keiner, der die Hand an den Pflug gelegt hat und nochmals zurückblickt, taugt für das Reich Gottes.“ (Lk 9. 62)