Lukas 6, 1-11 (22. Januar)

„Der Sohn des Menschen ist auch Herr über den Sabbat“ (Lk 6, 5)

Wir können ganz sicher sein, dass Jesus wie jeder Jude der damaligen Zeit die Tora und deren Auslegung in- und auswendig konnte. Das Gesetz verbietet am Sabbat jegliche körperliche Tätigkeit, da Gott am siebten Tag der Schöpfung ruhte und dies auch so seinem Volk befohlen hat.

Es ist damit absolut verständlich, wenn sich Pharisäer und Schriftgelehrte darüber aufregen, wenn sich er und seine Jünger am Sabbat Essen auf dem Feld organisieren (Lk 6, 1) oder wenn Jesus an diesem Tag in der Synagoge einen Kranken heilt (Lk 6, 10). Die Gelehrten wissen es einfach besser!

Das ist das Problem mit dem Wissen – es verleitet zu Überheblichkeit und Stolz. Hier und an vielen anderen Stellen des Evangeliums wird deutlich, dass Wissen den Weg zum Glauben verstellen kann. Das heißt natürlich nicht, dass wir nicht ein Leben lang lernen sollen, im Gegenteil. Wissen befähigt uns, den Auftrag Gottes, den er uns für unsere Mitmenschen mit auf den Weg gibt, umsichtiger und besser auszuführen, als wenn wir völlig unvorbereitet drauf los stolpern. Das Wissen um die Welt ist aber genauso irdisch wie die Welt selbst. Im Zentrum des Gläubigen steht Gott, d.h., auch mein Wissen hat seinen Platz in der Peripherie meines Lebens und ordnet sich um das Zentrum herum ein, dazu zählt, wie Lk 6, 1-11 zeigt, auch das religiöse Wissen.

„Der Sohn des Menschen ist auch Herr über den Sabbat“ – damit fasst Jesus genau diese Sachlage in einem einzigen Satz zusammen. Mit der Heilung des Kranken in der Synagoge zeigt Jesus den Schriftgelehrten ganz deutlich seine Vollmacht; er erklärt ihnen sogar in beiden Fällen, dass sie die Schwerpunkte im Gesetz falsch gesetzt haben.  Die Anwesenden sollen sehen und hören, damit sie erkennen können. Ihr Wissen versperrt ihnen aber den Blick; in ihrer gelehrigen Frömmigkeit ist gar kein Platz mehr für Glaube. Dieser Mann widerspricht allem, was sie über Gott zu wissen glauben. Ihr umfassendes Wissen über die Heilige Schrift, die sie anbeten, hat den Glauben an Gott, den sie eigentlich anbeten sollten, ersetzt. Die Heilige Schrift ist für sie zum Götzen geworden! Ohne wahren Glauben, ohne Beziehung zu dem einen, wahren Gott sind sie blind und taub für Gott geworden, der in ihren Herzen in diesem Moment zum Feind wird, den es – zur Verteidigung ihres Glaubens – zu bekämpfen gilt.

Dies ist eine eindringliche Warnung an uns. Auch in unserem Glaubensleben muss Gott im Zentrum stehen und dort bleiben. Wir müssen regelmäßig prüfen, wo wir Gott durch durchaus aus der Bibel in bestem Glauben abgeleitete Traditionen und Regelungen ersetzt haben. Die Bibel ist heilig, aber sie ist nicht Gott. Und Kommunikation ist fehleranfällig und voller Missverständnisse, insbesondere wenn Menschen daran beteiligt sind.Dein alltäglicher, gelebter Glaube ist nichts anderes als deine Kommunikation mit Gott – in Gedanken, Worten und Werken. Prüfe deinen Weg und deine Entscheidungen regelmäßig, wenn möglich täglich. Für die Gemeinde, die Kirche Christi als Ganzes, gilt das natürlich auch.

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