Ritual vs. Sakrament

Vorab ein Hinweis: Ich verwende den Begriff „Sakrament“ hier in einer Art und Weise, wie er vermutlich nicht der offiziellen Lehrmeinung entspricht!

Ein Sakrament ist nach meinem Verständnis eine heilige Handlung, durch die ein Individuum seine Einheit mit Gott bekennt oder bekräftigt. Heilig wird die Handlung also allein durch die Herzenshaltung der handelnden Person. Handlung ohne Haltung ist Ritual.

Beispiele:

In der Säuglingstaufe bekräftigen die Eltern ihren Wunsch, ihr Kind mit Hilfe des Heiligen Geistes zu einem Kind Gottes zu erziehen. Dieses Sakrament betrifft also genau genommen, anders als die in der Bibel genannte Taufe, die Eltern, nicht das Kind. Das Kind kann in diesem Moment nicht bewusst entscheiden (über nichts) und steht deshalb ohnehin unter Schutz und Schirm unseres Herrn! Wenn die Eltern ihr Kind nur taufen lassen, um damit Gott zu sagen, dass ab hier alles in seiner Verantwortung liege, wird die Taufe zum Ritual (genau genommen zur Ausrede), erst recht natürlich, wenn sie der Großeltern zuliebe stattfindet oder wegen der Feierlichkeit und des Festes danach.

Die Erneuerung des Taufversprechens in der Osternacht ist ein Sakrament, wenn die Person den tiefen Sinn dieses Versprechens auch in sich fühlt – und nur dann, sonst ist es Ritual. Dasselbe gilt natürlich auch für die in manchen christlichen Gemeinschaften übliche Erwachsenentaufe. Nur dass der Mensch jetzt versteht, was hier geschieht und vielleicht sogar ein Taufversprechen in schönen eigenen Worten formuliert hat, macht aus der Taufe noch kein Sakrament. Er muss mit dem Herzen fühlen, was er hier tut. Dieses Taufversprechen ist auch nicht an einen bestimmten Zeitpunkt im Jahreszyklus gebunden. Wenn du fühlst, dass du deinem Gott dieses Versprechen geben möchtest, dann zögere nicht und tu es, denn es ist sein Geist, der dich ruft … und den interessieren unsere Kalender nicht. Wenn du bereit bist, bist du bereit.

Das Gebet ist ein Sakrament, in welchem der Gläubige sich der Gegenwart seines Gottes erinnert also sich dessen Gegenwart spürbar bewusst macht. Dabei kann das Gebet aus vielerlei Handlungen bis hin zur stillen Meditation (gar keine sichtbare Handlung) bestehen. Generell gilt: Alles, was ich mache, UM Gemeinschaft mit meinem Gott zu haben oder alles, was ich mache, WEIL ich dann seine Gegenwart spüre, ist Gebet. Ein so verstandenes Gebet ist eine heilige Handlung. Dabei ist es unerheblich, ob dieses Gebet einfach spontan entsteht oder ob ich mir ganz bestimmte Zeitpunkte im Tag dafür vornehme, weil ich befürchte, es sonst im Alltagstrott zu vergessen. Ein Gebet nur weil die Glocken läuten oder ein Priester zu einem bestimmten Gebet ruft (und alle anderen in diesem Moment auch beten) ist Ritual. Wir sehen hier aber schon: Wenn zum Zeitpunkt der Geläuts oder des Rufes die innere Herzenshaltung stimmt, ist es eindeutig ein Sakrament! Glaube, als Leben mit Gott, ist immer eine persönliche Beziehung.

Auch das Bußsakrament ist nur dann ein Sakrament, also eine heilige Handlung, wenn ich mir bei der Beichte bewusst bin, dass mich bestimmte zurückliegende Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen von meinem Gott entfernt haben und ich mir wirklich und wahrhaftig seine Nähe wünsche. Im Bußsakrament mache ich mir bewusst, dass ich – egal wie gerettet ich vor Gott sein mag – immer noch Mensch in dieser Welt bin und ein Leben fern von ihm für mich nicht lebenswert ist. Eigenartigerweise geht es also auch hier gar nicht um Gott, dessen Haltung zu mir immer dieselbe ist, sondern um mich, wie es in allen Sakramenten im Grunde nur um mich geht.

Das ist das Geschenk Gottes, darin offenbart sich seine Liebe zu uns. Alles was wir zur Ehre Gottes tun, tun wir für uns selbst. Alle Pflichten, die er uns auferlegt hat, sind im Grunde genommen Privilegien. Solange wir sie als Pflichten verstehen, bleiben sie Rituale.

Abschließend sei noch die Eucharistiefeier (das Abendmahl) genannt. Wann ist es Sakrament und wann Ritual?

Wir haben gerade in den letzten Wochen im Buch Hesekiel einen tiefen Einblick in den Sinn der Eucharistiefeier bekommen. Wir haben erkannt, in der Hostie (oder auch in Brot und Wein) nehmen wir Christus selber auf, Christus, das Wort Gottes, Christus, die Wahrheit. Wie normale Nahrung vom Körper aufgenommen wird und ihn verändert, wie der Körper durch die Nahrung wächst und sich erneuert, wird auch der „Leib Christi“ von uns aufgenommen. Durch diese Aufnahme wächst der wahre Mensch, das von Gott geschenkte Leben, in uns. So verstanden ist die Eucharistiefeier eine heilige Handlung. Ob nun die Zeremonie genau in der bekannten Weise, nur von dazu autorisiertem Personal und mit den bekannten Worten durchgeführt werden muss, steht auf einem anderen Blatt. Dass die Worte insbesondere in einer größeren Gruppe aber nicht beliebig sein können, sieht man, wenn man sich die Eucharistiefeier als Ritual betrachtet. Ein Mensch, der den „Leib Christi“ empfängt, muss das Geheimnis um diese Feier kennen. Wenn er das in der Wandlung offenbarte Geheimnis nicht glaubt (dann ist die Feier für ihn ein Ritual) und trotzdem an dieser heiligen Handlung teilnimmt, so spottet er Gott, so wird sein Wissen um das Wort für ihn zum Gericht.

Einschub: Natürlich gedenken wir bei der Eucharistiefeier dem letzten Abendmahl und damit dem darauf folgenden Opfertod unseres Herrn! Doch zum ganzen Verständnis ist ein Blick auf die Opferpraxis der Juden gemäß den Zeremonialgesetzen notwendig. Jesus starb am Kreuz als vollkommenes Opfer für unsere Sünden, doch das Sündopfer wurde nach den Zeremonialgesetzen außerhalb des Tempels - vermutlich ziemlich genau auf dem Hügel Golgatha - vollständig verbrannt. Von den Priestern, dem Opfernden und dem von ihm Geladenen verspeist wurde aber das Friedensopfer. Wir sind von Christus - sowohl Opfer wie auch Opfernder - zum Abendmahl geladen. Die Eucharistiefeier ist demnach das Friedensopfer. Gott schließt in der Eucharistiefeier Frieden mit uns, verbündet und vereint sich mit uns, weil wir aus eigener Kraft nicht zu diesem Schritt in der Lage wären. Darum glauben wir auch, dass Christus in Brot und Wein gegenwärtig ist. Gott ist wahrhaftig und mogelt nicht mit Symbolen.

Und hierin erkennen wir auch gleich die Gefahr von Ritualen. Rituale lenken uns vom Kern unseres Tuns, von Christus ab, denn die Handlung selbst steht dann im Mittelpunkt. Ein Mensch, dessen Glaubensleben nur aus Ritualen besteht, betreibt Götzendienst.

Als abschließende Zusammenfassung: Deine innere Haltung offenbart dir, ob gewisse „Glaubenshandlungen“ Sakramente oder Rituale sind. Von den Ritualen solltest du dich schnellstmöglich und gewissenhaft trennen. An deinen Sakramenten halte fest, denn durch sie hält Gott dich fest.