Am Sortieren.
„Ich mache dieses Mal wieder einen harten Schnitt, sonst läuft es wieder wie im letzten Jahr.“ – Mit dieser Haltung und diesem Vorhaben habe ich mich gestern aus der Schule geschlichen, als alle Zeugnisse verteilt waren und ich, der Admin, damit Dienstschluss hatte. Mann, war ich k.o.!
Es hat geklappt! Heute Morgen, Schlag 10 Uhr, war ich auf dem Weg zum oberen Wald, zum ersten Mal seit zwei Jahren wieder auf meiner „Urlaubsroute“.
Und dann, irgendwann nach einer knappen Stunde passiert es. Der leicht böige Wind, der mich schon den ganzen Morgen begleitet und erfreut wird mir richtig bewusst. Er ist frisch, aber nicht kalt, gelegentlich etwas kräftiger aber gleichzeitig samtweich. Und mir wird bewusst, ich atme gerade die beste Luft seit Monaten! Ich schließe die Augen und atme tiefer. Ja, etwas ist anders geworden in den letzten Minuten. Wo beim Verlassen der Wohnung noch letzte Gedankenfetzen vom letzten Arbeitstag wild durch den Kopf schnatterten, ist plötzlich nur noch das Rauschen des Waldes. In mir selbst ist es ganz still geworden. Und selbst mit geschlossenen Augen sehe ich schemenhaft nur grüne Bäume um mich. Der Alltag von gestern ist nicht nur weit weg, er ist überhaupt nicht mehr da.
Da sind nur der Wind, der mich sanft berührt, der mich stärkt, wie Brot vom Himmel, indem ich einfach nur still bin und diese Luft – dieses Brot – tief in mich aufnehme und der Wald, dessen Rauschen sich anhört wie eine Stimme, die mir immer und immer wieder ins Ohr flüstert: „Du bist daheim.“ Und da bin ich, ganz und gar bei mir, ganz und gar daheim.
Und es kommen ganz andere Gedanken. Gedanken vom Tag 1 nach dem Tod. Wie passt das hierher? Es passt sehr gut, denn genauso stelle ich mir den jetzt vor, diesen Tag 1 nach dem Tod. Davor ist der Abend, an dem ich mich hinlege, niedergedrückt und erschöpft vom Tag und vom Leben. Und dann, wenn ich wieder aufstehe, gehe ich durch die Tür und weiß, ich bin daheim. Alles, was mich bis eben noch belastet hat bleibt hinter mir, bleibt hinter der Tür. Deshalb gefällt mir der Begriff „heimgehen“ auch besser als „entschlafen“, lieber Paulus. Denn nicht der Schlaf ist es, der mich beim Thema Tod reizt, sondern das Heimkommen, das „wieder Daheimsein“. Und wenn ich deine Briefe so lese, dann ist es doch auch dieses Daheimsein, auf das du dich gefreut hast, wenn du vom Tod sprachst.
Dieses Jahr werde ich konsequent sein. Ich werde in den nächsten Wochen so oft wie nur möglich, morgens nach dem Frühstück heimgehen durch „meinen Wald“. Mal sehen welche Bilder und Gedanken noch zu mir kommen.