Woran erkennt man „wahren Glauben“?

Aus einem früheren Text wissen wir noch: Gottesdienst ist die vollendete Gemeinschaft (als Einzelner in einer Gruppe) mit Gott.

Glaube ist nun die vollendete Gemeinschaft mit Gott für mich als Individuum.

Aber was ist wahrer Glaube? Und – wenn es einen wahren Glauben gibt – was wäre dann falscher Glaube?

Der wahre Glaube ist ein Begriff der gerne von radikalen Gläubigen verwendet wird, um Menschen mit anderen Ansichten „Unglauben“ zu bescheinigen. Darum ist es wert, sich dieser Begrifflichkeit mal etwas genauer anzunehmen.

Nach meiner Ansicht macht die Bibel genau zwei Aussagen zum Thema „Wahrer Glaube“

„Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!“ (Jes 43, 1)

„Jesus spricht zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater als nur durch mich!“ (Joh 14,6)

Die zweite Aussage beschreibt sozusagen die äußere Voraussetzung zum wahren Glauben. Du erkennst an, d.h., du glaubst, dass sich durch Jesus die Prophezeiungen erfüllt haben, dass durch sein Leben, sein Tod und seine Auferstehung endgültiger Friede zwischen Gott und dir hergestellt wurde, du nun direkten Zugang zum himmlischen Vater hast, dafür also keine Mittler mehr brauchst und darum auch nichts tun kannst, um dir diesen Frieden auf anderem Wege, also durch Eigenleistung, zu verdienen.

Deine „Leistung“ ist also, du glaubst, dass du (nur) durch Jesus direkten Kontakt zu deinem Gott hast.

Die erste Aussage erklärt die Haltung Gottes zu diesem Sachverhalt. Gott spricht dich direkt mit deinem Namen an. Er kennt dich als Individuum, als das Individuum, als das er dich geschaffen hat. Der Frieden, den er anbietet, ist an dich persönlich gerichtet. Das heißt, bei derzeit über sieben Milliarden Menschen auf diesem Planeten spricht Gott jeden einzelnen persönlich an.

Für dich heißt das: Es gibt zwar nur einen Weg zu Gott und das ist Christus; wie du auf diesem Weg aber gehst, ob du schlenderst oder rennst, ob du dabei meditierst, schreibst, betest, singst, fastest, gärtnerst, schreinerst, malst oder sonst etwas tust, das hängt allein von den Gaben und Interessen ab, die dein Gott in dich hineingelegt hat. Über deine Gaben und Interessen möchte er Kontakt zu dir halten und diesen ausbauen.

Wenn du also nach Gott suchst, lautet die erste Frage, die du beantworten musst: Was sind meine Interessen – wofür brennt mein Herz?

Wenn du darauf die Antwort gefunden hast, lautet die zweite Frage: Wie kann ich das, was ich gerne tue, zur Ehre Gottes, also in Gemeinschaft mit ihm tun? Denn Paulus sagt ja: „Was immer du tust, tu es zur Ehre Gottes!“

Ich kann hier mich als Beispiel nehmen. Ich schreibe gern, das dürfte dir inzwischen aufgefallen sein. Gott hat mich nun genau bei diesem Interesse gepackt. Ich lese die Bibel und schreibe darüber. Auf diese Weise lerne ich Gott besser kennen und kann Zeit mit ihm verbringen. Diese gemeinsame Zeit bringt nun neben dem Bibelstudium aber noch weitere Erkenntnisse über Gott und meine Beziehung zu ihm. Ich kann beobachten, wie sie sich entwickelt und ich kann auch darüber hier berichten. Und ich kann diese Fähigkeit sogar in meiner Gemeinde unterbringen, erhalte von dort sogar Feedback und Ermutigung, etwas offensiver Zeugnis abzulegen, wenn ich mich mal wieder zurückhalte. Das ist natürlich der Jackpot! Ich mache etwas gerne, ich darf es in Gemeinschaft mit Gott tun und ich kann mich damit sogar noch in meine Gemeinde einbringen.

Es ist keine Sünde, wenn deine Ansprüche zunächst nicht so hoch sind! Suche in deinen Interessen zunächst nur die Gemeinschaft mit Gott und sei geduldig.

Vielleicht ist dein Hauptinteresse aber auch, einfach eine Leere, oft als Einsamkeit empfunden, zu überwinden. Dann kann es genügen, Kontakt zu einer Gemeinde zu suchen und dort einfach zu dem ein oder anderen Treffen zu gehen. Eine gute Gemeinde wird dir vor allem zuhören, wenn du reden möchtest und dich schweigen lassen, wenn du das nicht möchtest. Sie wird kein Glaubenszeugnis von dir verlangen. Sie nimmt dich an, wie du bist, weil Gott dich angenommen hat, wie er dich gemacht hat und du deshalb bist.

Und dieses „wie du bist“ ist auch das Kriterium für eine gute Gemeinde. Eine Gemeinde wird dir nie sagen, was du tun musst, um die Nähe Gottes zu erfahren. Es gibt im christlichen Glauben keine vorgeschriebenen Rituale, Gebete, Übungen oder Veranstaltungen. Es gibt nichts, was du tun musst, um dich Gott (oder gar der Gemeinde) würdig zu erweisen.

Bei allem, was ich mit Gott tue – sei es für mich allein (spazieren gehen, schreiben,…) oder für die Gemeinde – fühle ich die unmittelbare Nähe Gottes zu mir. Das Glücksgefühl, also der Friede Gottes kommt von innen, als unmittelbar empfangener Lohn. Ich fühle mich gut, weil ich das tue und wenn ich mich schon vorher gut gefühlt habe, wird es dadurch noch etwas besser.

Das Gegenteil erfährst du, wenn das Glücksgefühl von außen auf dich kommt. Du tust Dinge, um dieses Glück zu erfahren. Wenn du diese Dinge nicht tust, bekommst du ein schlechtes Gewissen und tust sie dann, um dein Gewissen zu beruhigen. Das ist Werkegerechtigkeit, das ist falscher Glaube. Eine Gemeinde, die dich zu solcher Werkegerechtigkeit an- oder verleitet, ist eine schlechte Gemeinde – du solltest sie meiden. Was sie dir anbietet ist erlerntes Suchtverhalten (Dinge tun, um sich wieder gut zu fühlen). Sekten und Drogen funktionieren nach genau demselben Prinzip. Zugegebenermaßen funktionierten und funktionieren manche christlichen Gemeinden immer noch nach diesem Muster. Ein wachsames Auge lohnt sich daher überall.

Woran erkennt man also nun den wahren Glauben? Bei anderen kann ich ihn nicht erkennen, weil ich ihre innere Haltung, mit der sie bestimmte Dinge tun, nicht kenne. Ich kann, anders als Gott, nie tiefer in das Herz meines Gegenübers schauen, als der es zulässt. Darum sollen wir ja auch über andere nicht urteilen. Bei mir selbst erkenne ich den wahren Glauben, indem ich ihn vom falschen, der Werkegerechtigkeit, unterscheide.

Troubleshooting:

Und, angenommen ich tu, was mir Freude bereitet, zur Ehre Gottes und ich spüre seine Gemeinschaft trotzdem nicht? Was soll ich dann tun? Eine Standardantwort vieler Sekten wäre: Dann hast du nicht genug getan, dich nicht genug angestrengt! Tu also mehr: Spende mehr, meditiere mehr, mach mehr von dem, was dir von uns als richtig genannt wurde. Das ist falsch! Tu auf gar keinen Fall mehr, wenn du die Gemeinschaft Gottes nicht spürst, denn zum einen kannst du diese Gemeinschaft nicht erzwingen und zum zweiten: vielleicht – nur vielleicht – ist das gar nicht deine Art, auf dem Weg mit Namen Christus voranzugehen. Überlege dir lieber, ob es noch was anderes gibt, das dich interessiert. Die meisten von uns haben doch mehr als ein Interesse! In der Zwischenzeit kannst du ja ruhig mit dem Gewohnten weitermachen. Wer weiß, vielleicht tut sich ja noch was. Geduld ist die Schlüsselqualifikation.

Kann ich wirklich alles, was mich interessiert zur Ehre Gottes tun? Gute Frage. Die Bibel gibt dir darauf bereitwillig Antwort. Wenn du an einem eher übersichtlichen Fakten-Check interessiert bist, dann ist die Bergpredigt (Mt 5,1 - 7,29) immer eine Fundgrube.

Das heißt, ich muss gar nicht die ganze Bibel lesen? Es wäre nicht zu deinem Schaden, das zu tun. Kenntnis über das Wort Gottes verschafft dir schon ziemlich viel Kenntnis über den Willen Gottes und macht dich damit deutlich widerstandsfähiger gegen den Unsinn, der dir über diesen Willen oft erzählt wird. Eine aus dem Zusammenhang gerissene Bibelstelle, die in einem anderen Zusammenhang zitiert wird, um damit jene (andere) Aussage zu bestätigen, ist eine Lüge, auch wenn sie wie die reine Wahrheit erscheint. Doch das erkennst du nur, wenn du die Stelle in ihrem ursprünglichen Zusammenhang kennst und weißt, was die Aussage hinter den Worten ist. Aber dein Heil hängt garantiert nicht an der wortgetreuen Rezitation der Bücher der Bibel.

Muss ich nur tun, was mir Freude bereitet? Das kommt auf deine Sichtweise an. In den meisten Fällen macht mir Freude, was ich zusammen mit Gott tun und erleben darf, sonst würde ich diese Zeiten ja nicht suchen und herbei sehnen. Aber Gott kennt mich nur zu gut und weiß daher, welche Dinge mir Freude bereiten würden, wenn ich mich nur an sie heranwagte. Doch ich schrecke vor ihnen zurück, weil ich dafür aus meiner Komfortzone müsste. Also treibt er mich auch mal in Richtungen, in denen ich mich nicht sicher fühle. Und dann gibt es natürlich Dinge, die wir wirklich lieber nicht täten (mir sind bisher noch keine solche begegnet, aber die Bibel spricht davon, dass es sie gibt), die wir dann aber doch tun zu seiner Ehre. Ich bin aber überzeugt: Gott wird nie etwas von dir verlangen, das absolut nicht deinen Gaben entspricht, auch wenn es sich manchmal um eine von dir bisher unentdeckte Gabe handelt. Gottes Plan ist, dich zu dem aufzubauen, zu dem er dich bestimmt hat – das kann auch mal Zerbruch (Abschied von alten Sicherheiten, Gewohnheiten) bedeuten, aber nur um Platz zu schaffen, für etwas Neues, Stärkeres, Beständigeres in dir. Doch solche Aufträge Gottes zu erkennen und erst recht sie zu befolgen, setzen schon eine sehr enge, sehr persönliche Beziehung voraus. Ich glaube einfach nicht, dass dir Gott sowas durch einen Boten ausrichten lassen würde; das würde er dir in irgendeiner Weise persönlich mitteilen, d.h., du würdest dann spüren, dass das direkt von ihm kommt. Zur Selbstprüfung über den Absender des Auftrags wären hier wieder einmal gute Kenntnis über Wort und den darin geäußerten Willen Gottes und eine gute Gemeinde als Ratgeber (nicht als Auftraggeber!) hilfreich.

Wenn alles individuell ist, welche Bedeutung haben dann Taufe und Eucharistie/Abendmahl? Beide sind wichtig! In der Taufe bekennst du dich zur ersten Aussage über den Glauben (Jes 43,1), Eucharistie/Abendmahl weist auf die zweite Aussage (Joh 14,6) hin. Man könnte sagen, diese beiden Sakramente bilden den äußeren, den sichtbaren Rahmen deines Glaubens, also deiner gelebten Gemeinschaft mit Gott. Auch hier gilt dann aber wieder nach meiner Ansicht: Es kommt nicht auf die äußere Form einer Zeremonie an, sondern auf deine Haltung dazu. An meine Taufe kann ich mich zum Beispiel gar nicht mehr erinnern, ich war ja noch ein Säugling. Ich weiß aber, dass ich getauft bin und ich mache mir damit bewusst: Es ist ein persönlicher Gott. Er ist eine Person, denn nur eine Person kann sagen: „Ich habe dich gerufen.“ Und er nimmt auch mich als Person, als einzigartiges, einmaliges Individuum wahr, denn er hat mich bei meinem Namen gerufen, also dem, was mich in dieser Welt zu einer Person macht. Darum haben die Vornamen von Personen für mich auch eine besondere Bedeutung, ebenso, wie dieser Satz aus dem Buch Jesaja. Die Eucharistiefeier macht für mich die Gegenwart Gottes in meinem Leben fühlbar. Ich kann ihn natürlich auch spüren, während ich hier sitze und schreibe oder während ich spazieren gehe und diesen Text aus heiterem Himmel plötzlich in meinem Hirn vorfinde. Es gibt aber Lebenssituationen, die einem diese unmittelbare Gotteserfahrung verwehren. Darum ist es wichtig, eine Erfahrung (hier als Ritual) an der Hand zu haben, die nicht von meinem aktuellen Befinden abhängig ist. Und nur darum, weil es wichtig für mich ist, sagt Jesus: „Tu dies zu meinem Gedächtnis.“

Meine Glaubensgemeinschaft macht mir immer wieder Vorschläge, dass ich mehr ihrer Regeln und Rituale befolgen soll, um Gott zu beweisen, dass ich seine Nähe wünsche und ich fühle mich verunsichert. Was kann ich tun? – Glaube das Folgende und sage ihnen: „Gott hat mich bei MEINEM Namen gerufen, nicht bei DEINEM/EUREM! Ich kann in deiner/eurer Hilfestellung nichts erkennen, das der Tatsache Rechnung trägt, dass Gott mich mit meinen Gaben und Begabungen anspricht.“ Kirchen und andere Glaubensgemeinschaften sind Werkzeuge Gottes, sie wurden also nicht beim Namen gerufen und auch nicht (als Gemeinschaft/Organisation) erlöst. Sie haben keinen eigenen Willen, keine eigenen, heilsbringenden Regeln, keine eigenen Glaubensbücher. Sie haben nur das Wort Gottes und nur dieses können und dürfen sie verkünden – in Wort und Tat Wenn sich eine Glaubensgemeinschaft darüber hinwegsetzt, dann ist sie kein Werkzeug Gottes mehr und hat damit auch keinen Auftrag (Gottes) mehr. Sie kann als Ganzes umkehren (also alles aufgeben, was sie sich selbst geschaffen hat) oder sollte durch ihre Mitglieder (als deren tätige Umkehr) aufgelöst werden. Ich glaube sogar, dass Gott solche der Umkehr unwillig oder unfähig gewordenen Organisationen mit den ihm gegebenen Mitteln irgendwann selbst auflöst.

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