Plädoyer für die katholische Kirche

Sich zur katholischen Kirche zu bekennen, ist nicht leicht, wenn man gegenüber der Geschichte nicht völlig ignorant ist. Die katholische Kirche hat sich in den 1700 Jahren ihres Bestehens mit viel Schuld beladen. Das fing an mit der gewaltsamen Missionierung der Welt, ging über Unterdrückung wissenschaftlicher Erkenntnisse (was letzten Endes die Botschaft für die sie in der Welt ist schwächer nicht stärker machte) und Ausnutzung und Missbrauch ihrer Macht gegenüber dem ganzen Volk im Mittelalter, Schutz von Verbrechern nur weil sie angeblich „gute Katholiken“ seien bis hin zu Missbrauch schutzbefohlener Kinder. Immer noch hängt dieser Männerverein an Zölibat und dem Priesteramt nur für Männer, obwohl doch bereits aus der Apostelgeschichte herauszulesen ist, dass die ersten großen Christen nach den Aposteln in den entstehenden Gemeinden oft verheiratete Frauen waren. Und dann gibt es da ja auch noch die ganzen Prunkbauten, von denen der Vatikan nur der protzigste ist. Kann man denn wirklich guten Gewissens Mitglied in einem solchen Verein sein?

Ich verstehe Menschen, die diese Frage mit „Nein!“ beantworten, aber trotzdem halte ich diese Entscheidung für falsch.

Sind denn das, was da oben aufgezählt wurde, wirklich die „Früchte“ der katholischen Kirche? Ich sage nein, es sind die Früchte von machtbesessenen Menschen, die es zu allen Zeiten und in allen Organisationen dieser Welt gegeben hat und das ist die katholische Kirche in letzter Konsequenz auch: Eine weltliche Organisation, die von sündhaften Menschen geführt wird – eben Blinde, die Blinde führen. Ich verstehe auch, dass sich die Führung meiner Kirche schwertut, mit der Aufarbeitung ihrer vielen Verfehlungen bis in die Gegenwart auch wenn ich den Umgang mit den erkannten und den immer noch standhaft verleugneten Fehlern für genauso schwach und falsch halte, wie den Austritt der Gläubigen aus der Kirche.

Die Früchte der katholischen Kirche sind – durch alle Verfehlungen hindurch – aber die Verkündigung des Evangeliums bis in den letzten Winkel der Erde, Missionsarbeit im Zeichen der Nächstenliebe. Natürlich wurde vieles von dieser Arbeit auch von der evangelischen, der anglikanischen, den frei-evangelischen Kirchen und anderen christlichen Organisationen geleistet. Diese sind aber Kinder der katholischen Kirche, die sich zwar von dieser mehr oder weniger losgesagt haben, aber es ändert nichts daran, dass sie aus ihr hervorgegangen sind, wie die ganze christliche Gemeinschaft ohne die jüdische und ihre Berufung von Gott nicht existieren würde.

Wir alle hängen doch an dem einen Gott, wir alle sind toter Staub ohne die Verbindung mit unserem Messias, der uns das Leben gibt. Dieser Messias hat mir gesagt: „Richtet nicht, dass ihr nicht gerichtet werdet“ und „was stört dich der Splitter im Auge deines Bruders, siehst du den Balken in deinem eigenen Auge nicht?“, und dieser Messias hat mich in diese katholische Kirche hineingestellt – übrigens eine, wie schon erwähnt, seit rund 1700 Jahre bestehende Organisation im Namen des Herrn. Das ist eine ganz schön lange Zeit, die mein Gott (vermutlich öfter mal die Hände über dem Kopf zusammenschlagend) den Weg mit dieser Kirche geht.

Nein, ich werde meine Kirche nicht verlassen! Ich werde zu meinem Gott beten, dass er ihren Anführern die Kraft gibt, mit ihren Fehlern offen umzugehen und beispielsweise weltliche Vergehen, für die es Gesetze in der Welt gibt, auch der weltlichen Gerichtsbarkeit zu unterstellen. Die Vergebung der daraus hervorgegangenen Sünden fällt dann in den Geschäftsbereich Gottes. Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist und gebt Gott, was Gottes ist!

Betet für mich und für euch, dass wir von Gott dieselbe Kraft für unsere Verfehlungen bekommen.