1. Samuel 2 + 3 (3. – 6. August)

„Der Bogen der Starken ist zerbrochen, aber die Schwachen haben sich mit Kraft umgürtet.“ (1 Sam 2,4)

Das zweite Kapitel beginnt mit dem Lobpreis der Hanna, die Gott nicht nur für die erfüllte Bitte dankt, sondern ihn als gerechten Richter über alle Zeiten hinweg erhebt, der am Ende bei seinem Gericht über die Erde sein Reich errichten und darin herrschen wird.

Ab diesem Tag dient Samuel bei Eli in der Stiftshütte zusammen mit dessen beiden Söhnen Hophni und Pinehas. Diese beiden Früchtchen zeigen aber sehr genau, was dabei herauskommt, wenn Menschen erkennen, welche Macht ihnen ein von Gott übertragenes Amt gibt und sie nicht die Nähe zu Gott haben, die es ihnen ermöglicht richtig damit umzugehen.

So sehen sie in den Opfern, die die Gläubigen ihrem Gott darbringen nichts weiter als ihr Einkommen. Opferdienst ist für sie nur ein Gewerbe und bald ist Gewinnmaximierung mit allen Mitteln und aller Härte ihr Geschäftsprinzip. Der Schaden, den sie im Glauben der Menschen damit anrichten ist gewaltig, denn das Bild, das Gott den Gläubigen mit den Opfern sichtbar machen wollte, das einer sichtbaren und wirksamen Beziehung zwischen ihm und den Menschen mit einem Mittler zwischen Himmel und Erde, dem Hohepriester – das war damit zerstört. Das Opfer in der Stiftshütte verkam durch die beiden zu einer erzwungenen Abgabe an die irdische Staatsgewalt. Es gab ja noch keinen König in Israel, die Stämme wurden von den Ältesten geführt, das Land unterstand dem Hohepriester und der Gott.

Vielleicht haben die beiden im Volk damit sogar erst den Wunsch nach einem König, der sie regiert, geweckt – zwei Pole der Macht, die sich hoffentlich gegenseitig kontrollieren. So könnte diese Situation auch ein Bild für jeglichen Machtmissbrauch in der Kirche sein: Wenn die von Gott eingesetzten Führer der Kirche nicht mehr Gott, sondern ihre Macht ins Zentrum ihres Amtes stellen, so beschädigen sie dieses letztendlich, bis es von den Gläubigen ganz in Frage gestellt wird. Wenn ein solches Verhalten schon damals, als der Hohepriester noch ein Mensch in der Stiftshütte, später im Tempel, war die Menschen am Amt zweifeln ließ, um wieviel leichter fällt dann heute dieser Schritt, wo unser Hohepriester Christus selbst ist und wir hier auf Erden gar keine Mittler mehr brauchen, sondern Diener Gottes, mit der Gabe, den Laden zusammen zu halten? Aber das ist eine andere Baustelle…

Samuel wächst bei seinem täglichen Dienst vor dem Herrn sowohl körperlich wie geistlich und entwickelt sich derweil ganz zum Gefallen seines Gottes. Dies zeigt sich auch darin, dass Samuel wieder Visionen (Gesichte) hat, die er den Menschen mitteilt und die sich allesamt erfüllen (Kapitel 3). Gott zeigt damit ganz offensiv zu wem sich sein Herz hinwendet, er macht aber auch deutlich, dass er das Priesteramt nicht aufgeben wird, er wird lediglich die festgefahrenen Strukturen korrigieren.

Was er in dieser Angelegenheit vorhat, teilt Gott auch Eli mit und zwar durch irgend einen nicht näher genannten Fremden, einen Außenstehenden. Wäre es jemand aus dem inneren Machtzirkel gewesen, also ein Levit, die ja alle irgendwie in den Tempeldienst eingebunden waren, so wäre dieser sicherlich namentlich genannt worden. Dieser sagt ihm, dass Gott entschieden hat, Elis Haus die übergebene Aufgabe und das damit einhergehende Ansehen und die Macht wegzunehmen. Es werde damit beginnen, dass seine beiden Söhne am selben Tag sterben werden. Ab diesem Zeitpunkt werden alle männlichen Nachkommen Elis – also auch die seiner Kinder und Kindeskinder – sehr früh sterben, so dass der Glanz und Wohlstand seines Hauses vergehen werde.

Der Fremde wirft für Eli sogar einen Blick in die ferne Zukunft: Gott werde sich selbst einen Diener schaffen, dem er sein Haus (sein Reich) auf ewig übergeben wird. An diesem Tag hat Gott dem Volk Israel damit durch diesen Fremden verkündet, dass der alte, mit Moses geschlossene Bund nur ein Provisorium, ein Bild für den kommenden ewigen Bund darstellt. Er hat sein Volk also wirklich frühzeitig über seine Pläne in Kenntnis gesetzt. „Wer Ohren hat, der höre“ hat Jesus während seiner Predigertätigkeit immer wieder dem Volk gesagt.

Schließlich meldet sich Gott eines Nachts persönlich bei Samuel und ruft ihn beim Namen. „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein“ wird Jesaja einige Jahrhunderte später schreiben, doch für Samuel ist das so ungewöhnlich, dass er davon ausgeht, Eli habe nach ihm gerufen und zu ihm hinläuft; der wüsste natürlich, wenn er den Samuel gerufen hätte. Erst beim dritten Mal begreift der alte Mann, dass dies nur Gott gewesen sein kann und erklärt seinem Schüler und Ziehsohn, wie er das nächste Mal reagieren soll. Und Gott erklärt Samuel, dass die vor Jahren vom Fremden gebrachte Prophezeiung nun bald eintreten werde.

Natürlich möchte Eli am nächsten Morgen wissen, was ihm Gott gesagt habe. Es ist überaus verständlich, dass Samuel das gerne für sich behalten hätte, doch der Alte droht bis Samuel mit der ganzen Wahrheit herausrückt.

Eli, der seine leiblichen Söhne bereits wegen deren Treiben ermahnt hatte, nimmt die angekündigte Strafe gelassen hin. Er weiß, dass der Richterspruch Gottes gerecht und endgültig ist.

Verschiedene Lehren können wir aus diesen beiden Kapiteln ziehen:

  • Wenn der innere Zirkel um Gott nicht mehr zuhört, schickt er gerne Außenstehende zur persönlichen Aussprache.
  • Gott weicht von seinem Plan niemals ab, er passt ihn in der Ausführung aber den Wegen an, die seine Auserwählten einschlagen.
  • Gott ruft die Seinen bei ihrem Namen und führt sie spürbar, auch wenn ihnen das zunächst oft gar nicht bewusst ist.
  • Nicht immer wird den Geführten der vorgegebene Weg gefallen.
  • Wenn Gott entschieden hat, können wir diese Entscheidung nur akzeptieren.

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