Richter 17 (11. Mai)

„Zu jener Zeit gab es keinen König in Israel; jeder tat, was recht war in seinen Augen.“ (Richter 21, 25)

Das ist die Kernaussage der letzten fünf Kapitel im Buch Richter. Sie handeln vom endgültigen Zusammenbruch des Glaubenslebens der Israeliten in der nun ausklingenden Zeit der Richter.

Schauen wir noch einmal kurz zurück. Israel hatte mit Abimelech einen ersten, eigenmächtigen Versuch unternommen, ein Königreich zu gründen und war darin kläglich gescheitert. Es folgten eine Reihe weiterer Richter, die ihre Ämter mal mehr mal weniger gottestreu ausübten. Zuletzt folgte Simson, ein eigenbrödlerischer Hau-Drauf-Typ, der das Recht wortwörtlich in seinen Händen hielt und an dem man bereits erkennen konnte, wie einsam und still es um Gott geworden war.

In diesen letzten Kapiteln nun, spielen Richter überhaupt keine Rolle mehr. Niemand kümmert sich noch um Gott (den eigentlichen König über Israel) oder um dessen Gesetz; jeder tut, „was recht in seinen Augen war“. Eine Situation, die uns bekannt vorkommt, denn auch in unserer Zeit ist sich ja jeder selbst der Nächste und Gott nicht mehr als Traditionspflege einer überschaubaren Minderheit. Wenn jeder nur an sich selbst denkt, ist auch an alle gedacht – das scheinen die letzten Überreste der über Jahrhunderte gewachsenen Zivilisation zu sein. Jede Verantwortung, die über die unmittelbare eigene Existenz hinausreicht, wird als unzumutbare Einschränkung des persönlichen Egoismus erlebt.

Ganz genau, wie in den Kapiteln 17 – 21! Schauen wir uns die Früchte einer solchen gottlosen und egoistischen Gesellschaft etwas genauer an.

Kapitel 17 beginnt mit einem Diebstahl. Micha bestiehlt seine Mutter. Als die den Dieb verflucht, gibt der Sohn das Geld zurück, ein Fluch zählte damals noch was. Die Reaktion der Mutter ist dagegen verblüffend. Sie lässt von einem Teil des Geldes Götzen herstellen und macht den Dieb zum Herrn über die Götzen. Und es wird noch besser: Micha kauft sich daraufhin einen Leviten und macht ihn zum Priester über seine eben gegründete Familien-Kirche.

Kein Bezug zu unserer Zeit? Oh, doch! Der Diebstahl – besonders, dass der Sohn die Mutter bestiehlt – zeigt doch nur: Die über Generationen entstandenen Regeln und auch die Furcht vor Gott (Gott selbst verflucht im Gesetz Kinder, die ihre Eltern nicht ehren!) sind verloren. Aber sie sind nicht nur bei den Kindern verloren! Die Mutter sucht eben nicht Hilfe bei Gott, sondern macht sich eine eigene Religion, sucht ihr Heil also in der Welt. Wo das Verhalten des Kindes herkommt, ist damit geklärt. Überhaupt scheint diese Familie im Sinne Gottes überhaupt keine zu sein, denn ein Vater wird nicht erwähnt.

Damit soll hier natürlich nicht das traditionelle Familienbild bestehend aus Vater, Mutter und einer größeren Anzahl Kinder als die einzig richtige und gottgewollte Form von Familie zementiert werden, aber wenn wir uns im Alten Testament bewegen, spielt das traditionelle Familienbild nun einmal eine gewichtige Rolle – und hier ist es aus den Fugen geraten. Es ist somit ein weiteres Bild dafür, dass das Volk Gottes den vorgezeichneten Weg verlassen hat.

Das Heil in der Welt, statt bei Gott zu suchen, lässt sich aber 1:1 in unsere heutige Zeit übertragen. Richtig wäre gewesen, wenn die Mutter erst einmal geklärt hätte, warum sie vom eigenen Sohn bestohlen wurde (materieller Mangel kann es ja wohl kaum gewesen sein), vielleicht die eigene Mitverantwortung für den Vorfall erkannt hätte und so vielleicht so etwas wie Buße und Umkehr bei Mutter und Sohn entstanden wären. Stattdessen überdeckt sie das Problem mit überbordender Fürsorge, zerstreut eventuell aufkommende Zweifel an ihrer Erziehungsleistung damit, dass sie den Sohn zum König erhebt und ihm eine eigene Kirche schenkt, die Playstation oder – je nach Alter und vorhandenem Vermögen – der Ferrari der damaligen Zeit. „Mein Haus! Mein Auto! Mein Pferd! Meine Kirche!“

Und der Sohn führt die Fehlleitung und -leistung der Mutter in gerader Linie fort: Eine Kirche braucht einen Priester. Er beruft ihn, d.h., er nimmt die Rolle als Gott-König direkt an. Wir können es ihm nicht verdenken; er hat’s ja nicht anders gelernt.

„Gewöhne den Knaben an den Weg, den er gehen soll, so wird er nicht davon weichen, wenn er alt wird!“ (Sprüche 22,6)

Das funktioniert natürlich auch mit Wegen, die nicht gut für den Knaben sind!

Ab morgen werden wir dann sehen, was passiert, wenn solch ein familiärer Einzelfall zur gesellschaftlichen Regel wird.

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