Dritte Strophe – Hohelied 3,6 – 8,3 (17. – 19. Juli)

Die längste Strophe und voller Action! Nun geht es zur Sache. Es ist definitiv Sommer, sogar ein Gewitter darf mitspielen.

Mit aller Pracht und Herrlichkeit sieht Sulamit ihren Geliebten in einem festlichen Hochzeitszug nahen. Salomo hat für seinen Auftritt an nichts gespart. Von Weitem hört man die Schritte des Heeres der Helden, sieht den weithin strahlenden Thron, auf dem der König getragen wird, riecht die königlichen Düfte und Gewürze.

„Siehe, schön bist du, meine Freundin, / siehe, du bist schön. Hinter dem Schleier / deine Augen wie Tauben.“ (Hld 4, 1)

Wieder überzieht Salomo seine Angebetete mit einer Decke aus Komplimenten über ihre äußerlichen Attribute.

„Verzaubert hast du mich, / meine Schwester Braut; verzaubert mit einem Blick deiner Augen, / mit einer Perle deiner Halskette.“ (Hld 4, 9)

Ganz eindeutig befindet sich der König in einem Rausch der Sinne und der Liebe. Einfach alles an Sulamit erscheint ihm perfekt und er nennt die „Freundin“ jetzt auch standesgemäß Braut. Doch der erste Aufmarsch misslingt; die Geliebt säumt, ihrem Angebeteten die Tür zu öffnen und er muss unverrichteter Dinge von dannen ziehen – allerdings nicht ohne eine in jener Zeit übliche, unmissverständliche Nachricht zu hinterlassen: Er reibt die Türklinke mit Myrrhe ein.

Sulamit läuft ihrem Geliebten hinterher, doch dieses Mal lassen sie die Wächter des Königs nicht durch. Die Antwort des Königs auf die erfahrende Abweisung, ein Hauch von Tragödie in einer Woge der Leidenschaft.

In einem Zwischenspiel wird Sulamit nun von den „Töchtern Jerusalems“ – sie spielen in diesem Stück wohl den klassischen Chor, wie in einem griechischen Drama – gefragt, was an ihrem Geliebten denn so besonders sei – Anlass für ein weiteres Liebebekenntnis!

Neben den bereits bekannten Vergleichen mit Erscheinungen der belebten Natur kommen nun auch Edelsteine, Edelmetalle und anderes Geschmeide ins Spiel. Dies beschreibt die stattgefundene Veränderung der Liebe. Während die Phänomene der belebten Natur dem ständigen Wandel der Jahreszeiten unterworfen sind, sind Letztere beständig, unveränderlich, ewig – genau wie die Liebe Sulamits zu ihrem König.

Sulamit endet ihr Bekenntnis mit dem bereits bekannten Ausruf:

„Ich gehöre meinem Geliebten / und mein Geliebter gehört mir, / der unter Lilien weidet.“ (Hld 6, 3)

Da kommt auch schon der Geliebte und erwidert das Bekenntnis seiner Angebeteten mit weiteren Vergleichen ihrer Schönheit mit der Natur. Dabei läuft der König zur Höchstform auf, man könnte spöttisch sagen: Er redet seine Geliebte schwindlig. Aber das unablässige Werben wirkt. Sie hat verstanden und wiederholt ihr Bekenntnis zu ihm:

„Ich gehöre meinem Geliebten / und ihn verlangt nach mir.“ (Hld 7, 11)

Sie ist jetzt bereit, sich ganz ihrem Geliebten hinzugeben.

Wenn das Liebesspiel zwischen Christus und seiner Braut doch nach unserem Empfinden genauso abliefe! Dass der Geist Gottes dieses Hohelied in die Bibel mogelte, zeigt mir: Gott empfindet es in der Tat genauso!

Ab dem Zeitpunkt, da wir sein Rufen gehört haben, ist es ein ständiges Werben und auch wir verfehlen uns ein ums andere Mal. Und auch uns wird dann die Frage gestellt: Ja, was ist denn so besonders an deinem Gott?

Die Antwort steht im Grunde hier in der dritten Strophe. Unsere Beziehung zu unserem Gott ist sinnlich – wenn es denn eine wahre Beziehung ist. Und weil sie sinnlich ist, schärft sie auch unsere Sinne. Auch wir erfahren unseren Bräutigam überall in der Natur. Alles, was in irgendeiner Weise unsere Sinne berührt, erinnert uns an ihn, verstärkt unser Sehnen. Und sobald wir bereit sind uns zu diesem Bräutigam zu bekennen, bekennt er sich zu uns. Und wir erkennen hier auch Bekenntnis ist mehr als ein gegenseitiges Versprechen. Ein Bekenntnis ist öffentlich.

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