„Dieser König verkündet: »Ich gebe den Beschluss des HERRN bekannt. Er hat zu mir gesagt: ›Du bist mein Sohn, heute bin ich dein Vater geworden. Bitte nur darum, und ich gebe dir die Völker zum Besitz, ja, die ganze Erde soll dir gehören. Du wirst sie mit eisernem Zepter zerschlagen, sie wie Tongeschirr zerbrechen!‹« (Ps 2, 7-9)
Es ist erstaunlich! Es ist erstaunlich, wie dieser Psalm – tausend Jahre vor der Geburt Jesu geschrieben – die aktuelle Situation beschreibt. Worum geht’s? Die Völker der Welt lehnen sich gegen Gott auf. In ihrer üblichen Selbstüberschätzung meinen sie, Freiheit bedeute, sich von Gott zu befreien. Sofort muss ich da an den Ausspruch von Marx und Lenin denken, die die Religion als das Opium des Volkes brandmarkten!
Der Kommunismus hatte das erklärte Ziel Gott vom Thron zu stürzen und die Menschen so zu befreien. Nicht ein Mensch, der innerhalb des kommunistischen Systems lebte war auch nur einen Tag frei! Haben wir etwas daraus gelernt? Nein, denn autoritäre Staatssysteme, Regierungen mit einem unumstrittenen, gottgleichen Führer an der Spitze haben wieder Konjunktur. Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man direkt drüber lachen, dass einige dieser selbsternannten „Befreiungsgötter“ in ihrer Selbstsucht und ihrem Machtgehabe tatsächlich einen göttlichen Auftrag wittern. Objektiv betrachtet ersetzen sie den wahren Glauben durch eine selbst gebastelte, weltliche Religion mit sich selbst im Mittelpunkt. Ob es sich bei der angewandten Staatsreligion dann um eine kommunistische, national-rassistische, kapitalistische oder pseudo-theistische Lehre handelt macht keinen Unterschied. Immer wird der Mensch, meist sogar nur eine bestimmte mehr oder weniger elitäre Gruppe mit nur einer einzigen Person an der Spitze, an Gottes Stelle gesetzt, die sich dann das Recht zuspricht, gottgleich über den Rest herrschen und richten zu dürfen.
Ja, Paulus ruft uns dazu auf, den Mächtigen gegenüber gehorsam zu sein, denn Gott selbst habe sie auf ihren Platz gesetzt. Das ist sicherlich richtig, aber natürlich könnte er uns bei dem ein oder anderen auch einfach nur zeigen wollen, wohin die Reise geht, wenn wir ihn aus unserem Leben verbannen und ihm nicht mehr zuhören. Gehorsam im Sinne von „der weltlichen Macht gehorchen“ ja, Treue im Sinne von „nichts tun, was die gegenwärtige Ordnung in Chaos verwandelt“ ja – dazu sind Christen aufgerufen. Gott liebt die Ordnung. Aber Gott liebt auch die Freiheit seiner Kinder; wie sehr er sie liebt sehen wir an Ostern. Gehorsam und Treue im genannten Sinne darf zu keinem Zeitpunkt heißen Gott und den Auftrag, den wir von Christus bekommen haben zu verraten. Petrus und die Jünger bekamen nach Pfingsten vom Hohen Rat verboten weiterhin den Christus zu predigen. Ihre Antwort: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen!“ (Apg 5,29) Für Menschen, die blind ihren weltlichen Führern folgen und natürlich deren Führer selbst ist der zweite Psalm.
Gott hat Christus als König und Richter über die Welt eingesetzt. Wer ihn nicht als seinen König akzeptiert, der wird es mit dem Richter zu tun bekommen und das wird kein Spaß (Vers 9). Das gilt für „die Mächtigen dieser Welt“ (Vers 2) ebenso wie für deren „Hurra!“- und „Heil!“-schreiendes Fußvolk. Jeder noch so ausgeklügelte Plan eines weltlichen Herrschers Gott zu ersetzen wird letztendlich scheitern. Jeder Versuch, die göttliche Ordnung der Nächstenliebe durch eine weltliche der Selbstsucht und des Egoismus – des „Wir zuerst!“-Denkens – zu ersetzen ist gleichzusetzen mit einem Urteilsspruch des Richters.
Dabei herrscht Gott nicht nur ab dem Tag des Gerichts, wie die jüngere Geschichte zeigt: Wie ein geordneter Übergang von Unfreiheit zu Freiheit ohne Ungehorsam und ohne Chaos aussehen kann haben wir 1989/90 hier in Deutschland erlebt. Die Kirchen waren an dieser weltgeschichtlich einmaligen Bewegung beteiligt. Die Menschen haben sich ihr Land unter großem persönlichen Einsatz zurückgeholt, aber Gott war Teil dieser Bewegung. Es stellt sich (mir) die Frage, inwieweit er immer noch Teil der genannten Bewegung ist – Freiheit im Sinne Gottes ist ja kein deutsches Ziel, sein Heilsplan war zu keinem Zeitpunkt von einem bestimmten Pass abhängig! Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan?