Markus 5 (16. – 19. Januar)

Wir erleben, wie das Licht immer weitere Bereiche unserer irdischen Existenz erreicht und erleuchtet. In Kapitel 5 sind dies Unreinheit und Tod – beides Brandzeichen der Sünde am Menschen. Sowohl der Mann, der bei den Gräbern dahinvegetiert als auch die blutflüssige Frau sind Ausgestoßene in ihrer Gesellschaft. Das Gesetz will es in diesem Fall sogar so. Unreinheit ist im Alten Bund das Zeichen für die Sünde, das Zeichen dafür von Gott getrennt zu sein, genau wie auch der Tod. In der Erziehung zum Glauben musste das Volk diese Prüfung bestehen, indem sie diese Personen aus dem gesellschaftlichen Leben ausschloss und jegliche Berührung mit diesen unterband um nicht selbst unrein zu werden. Es ging darum zu erkennen, dass es sich bei der sündhaften Welt und der Heiligkeit Gottes um unvereinbare Gegensätze handelt. Es ging darum zu lernen, dass es Heilung und Heil nur von Gott geben kann. „Best of both worlds“ ist keine Option!

Jesus treibt die Dämonen aus dem Körper des Besessenen, stoppt den Blutfluss der Frau und erweckt das eben gestorbene Mädchen wieder zum Leben. Was zeigt er uns damit? Seine Mission ist es nicht, das durch den Vater gegebene Gesetz abzuschaffen, er überwindet es. Er hat Macht über alle Mächte dieser Welt, die uns vom Vater trennen und uns so letztendlich in die Hände des Todes, der letzten Instanz dieser Welt, ausliefern. Durch ihn haben diese todbringenden Kräfte keine Macht mehr über uns, wir sind frei von den Ketten der Welt.

Die „Legion“ von Dämonen, die den besessenen Mann peinigt, macht auch ganz deutlich, dass man meist nicht einen eindeutigen Schuldigen ausmachen kann; da sind viele Kräfte am Werk, die uns am Boden halten. Dies gilt für praktisch alle Vorgänge, die unser Leben beeinflussen. Es sind meist viele Ursachen, die sich in ein und demselben Symptom offenbaren. Aber soweit es unser Seelenheil angeht, ist nur eine Kraft notwendig, die alle diese Ursachen auf einmal besiegt. Und noch etwas: Die Schweine stürzen sich sofort in einen Abgrund, als sie von Legion befallen werden. Irgendetwas macht den Menschen also empfänglich, beeinflussbarer für den Einfluss von „Dämonen“, irgendwas unterscheidet ihn von der übrigen Natur. Da bisher alle Dämonen Jesus treffsicher als „Sohn Gottes“ identifiziert haben, erscheint es mir logisch, dass es genau dieses Göttliche in uns ist, das uns so verwundbar macht, wenn wir von Gott getrennt sind. Das Licht zieht nun einmal die Motten an und braucht deshalb einen wirksamen Schirm, damit es von diesen nicht gänzlich bedeckt wird. Dieser Schirm ist ganz offensichtlich (der Glaube an) das Wort. Dass sich aus dieser Einsicht ein Exorzismus-Kult entwickelt hat, der mit Beschwörungsformeln, fantasievoll zusammengebastelt aus Bibelsprüchen und dramatisch vorgetragen, das Böse binden möchte, ist allerdings bedenklich. Das Wort ist Jesus und der Glaube an ihn ist unser Schirm. Jesus hat keinen solchen Budenzauber veranstaltet und eine ganze Legion Dämonen hat sich in den Abgrund gestürzt – das sollte allen Exorzisten zu denken geben. 

Wenn du einen dunklen Raum betrittst, ist es egal, wievel du vom Licht erzählst, er wird dunkel bleiben. Wenn du aber selbst Licht bist, weil das Licht in dir ist, wird der ganze Raum durch dich erleuchtet werden, ohne dass du ein Wort sagst.

Was sehen wir noch? Der von Besessenheit geheilte Mann wird vielen Menschen von dem Wunder erzählen, das der Herr an ihm getan hat. Es werden aber nicht nur die Worte sein, die Menschen werden an ihm erkennen, wie Gott durch die Versöhnung das Leben der Menschen von Grund auf ändert. Als Besessener war der Mann ausgestoßen und war sich selbst eine Last, er hatte kein Leben, er existierte nur. Nun kehrt er in die Gemeinschaft zurück, wird durch seine Änderung und durch seine Verkündigung zum Segen für alle, denen er begegnet und die ihm zuhören. Er wird Leben ändern, in Extremfällen sogar Leben geben im Namen des Herrn.

Die blutflüssige Frau war ebenfalls eine Ausgestoßene. Sie war so sehr von ihrer Schuld überzeugt, dass sie es nicht einmal wagte, den Herrn um Hilfe zu bitten. Sie stahl gewissermaßen die Heilung von Jesus, indem sie heimlich sein Gewand berührte. Jesus bleibt prompt stehen und klärt den Diebstahl auf. Warum? Hier geht es eben nicht um eine erschlichene Dienstleistung, sondern um Mut und Bekenntnis. Ganz offensichtlich hatte die Frau so großen Glauben, dass sie sich selbst von einer heimlichen, flüchtigen Berührung Hilfe versprach. Sie glaubte, dass selbst ein flüchtiger Funken Licht ihr Leben erhellen würde. Welch ein Glaube! Doch das Wesen eines flüchtigen Funken Lichts ist, dass er flüchtig ist. Durch ihr Bekenntnis wurde sie selbst zum Licht, eine Botschafterin des Lebens von Gott. Durch ihr Bekenntnis tauschte Gott ihren kurzen Moment des Glücks durch die Versöhnung mit ihm, die Leben bedeutet. Glaube und Bekenntnis gehen Hand in Hand.

Glaube – Versöhnung/Erweckung/Veränderung – Bekenntnis – Verkündigung – Leben. Das sind die Zeichen des Neuen Bundes: Durch den Glauben an Christus, der uns dies alles erkauft hat, erfahren wir die Versöhnung mit unserem himmlischen Vater, die uns zu einem neuen Leben in seiner Gnade erweckt. Während die Entwicklung bis zu diesem Punkt in unserem Inneren stattfindet, wird die Erweckung unser Leben sichtbar verändern. Durch das Bekenntnis zum Urheber dieser Veränderung werden wir zu Verkündern des neuen Lebens mit Gott. Das heißt, nur wenn wir das Leben, das Gott uns schenkt auch wirklich leben, kann es uns erfüllen. Wenn wir das Licht verbergen, das uns erhellt hat, begeben wir uns freiwillig wieder in die Fesseln der Welt, mit einem Unterschied: Dieses Mal werden wir uns dieser Fesseln bewusst sein.

Leben.

Hier kommt die Tochter des Synagogenvorstehers ins Spiel. Sie starb, während Jesus der Volksmenge eine Lektion zum Punkt „Bekenntnis“ gab. Jesus vertreibt die Schwätzer und Berufstrauernden, erklärt den übrigen noch einmal die Wichtigkeit des Glaubens und sagt der Zwölfjährigen in sanftem Ton: „Mädchen, ich sage dir, steh auf!“ (Mk 5, 41) und das Mädchen gehorcht.

Erste Lehre: Der Glaube überwindet den Tod. Doch das Mädchen war gestorben und konnte gar nicht mehr glauben. Jesus macht uns deutlich, und das ist die zweite Lehre aus diesem Ereignis, dass Glaube keine individuelle Angelegenheit ist, die ich mit mir ganz allein im stillen Kämmerchen ausmachen kann. Mein Glaube wirkt in die Welt hinein, oder deutlicher ausgedrückt: Mein Glaube und was Gott dadurch in mir bewirkt, verändert nicht nur mich, sondern die ganze Welt. Darum ist es wichtig, den Glauben in Gemeinschaften zu leben. Jesus behielt Eltern und Jünger nicht nur als Zeugen des Wunders im Zimmer, er initiierte hier eine Gemeinschaft der Gläubigen. Bemerkenswert: Wieder fand kein Budenzauber statt!

Und nachdem die Tochter wieder lebte, befahl er den Anwesenden ihr Essen zu geben. Die Gemeinschaft der Gläubigen ist deren Schutz und Stärke in der Welt.

Die Bitte, es niemandem zu sagen, dürfte vergeblich gewesen sein, die Erweckung wird sich mit der Lichtgeschwindigkeit von Gerüchten verbreitet haben. Was hat Jesus also damit bezweckt? Zum einen ist Jesus nicht als Wunderheiler in die Welt gekommen. Der Ruf „Jesus heilt Kranke und weckt Tote auf!“ wäre sicherlich richtig gewesen, der Fokus wäre dann aber auf dem unwesentlichen Teil der Botschaft gelegen. Die eigentliche Botschaft: „Jesus ist der Herr! Er rettet durch seinen Dienst die Kinder Gottes, befreit sie von den Fesseln der Welt und versöhnt sie mit dem himmlischen Vater“ war auf Basis dieser Einzelaktionen für die Menschen noch nicht sichtbar. Erst nachdem die Menschen das erkennen konnten, waren auch die Zeichen, mit denen er seine Autorität belegt hat von Bedeutung, denn nun konnten sie im richtigen Licht gesehen werden.

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