Markus 6, 30 – 44 (24. + 25. Januar)

„Wir und ihr“, in der Welt ist dies ein Ausdruck der Spaltung, „die Anderen“ gehören nicht dazu; es gilt, die Vorrechte der eigenen Gruppe gegen Außenstehende zu verteidigen.

Jesus sieht das anders. Natürlich ist es ihm wichtig, dass seine Kernfamilie – die Apostel – nach getaner Arbeit, die sicherlich ebenso aufregend wie kräftezehrend war, erst mal zur Ruhe kommen. Als er aber merkt, das wird nichts mit der Ruhe, weil die Massen hinter ihm herlaufen, da entscheidet er, dass niemand weggeschickt werden soll. Die Menschen sind hungrig auf sein Wort und er will, dass sie satt werden. Das Wort Gottes kennt keine Geschäftszeiten!

Doch dies muss er am Abend auch seinen Jüngern erklären, als diese die Menschen wegschicken möchten, damit „die Anderen“ sich selbst versorgen. Niemand wird weggeschickt. Jesus teilt die Menschen – etwa 5000 Männer, d.h., Frauen und Kinder nicht mitgerechnet – in ca. 100 Gruppen auf, um sich einen Überblick zu verschaffen und dann lässt er fünf Brote und zwei Fische an die Gruppen verteilen. Alle werden satt und es bleibt sogar mehr übrig, also zu Beginn ausgeteilt wurde – zwölf Körbe mit Brot!

Gewiss, ein Wunder, aber auch ein klares Statement an seine Kirche. Gott überträgt uns Verantwortung für die Menschen, die zu uns kommen. Natürlich sollen sie von dem Gott erfahren, der uns leitet, aber es sind auch biologische Wesen mit entsprechenden Bedürfnissen.

„Gebt ihr ihnen zu essen!“ (Mk 6,37)

Jesus sagt nicht: Überprüft, wer das Wort angenommen hat und die das taten schickt zu mir, den Rest schickt weg. Alle, die kommen, sollen auch versorgt werden. Das ist Diakonie, der weltliche Arm der Kirche. In dem Wunder versichert uns Jesus, auch in der Diakonie wird der himmlische Vater durch uns wirken, genau wie in der Mission – wenn wir auf ihn vertrauen und dieses Wirken zulassen. Wenn wir das tun, d.h. auch hier, wenn wir uns mit ganzem Herzen und ganzer Kraft und ganzem Vertrauen auf Gott dieser Herausforderung stellen und – wie die Einteilung in Gruppen zeigt – dabei auch noch unseren Verstand einsetzen, dann wird immer mehr als genug für alle da sein.

Und warum hat Jesus es abgelehnt, Lebensmittel für die 200 Denare zu kaufen? Zum einen wäre die nächste Frage dann gewesen: Und wie sollen wir mit 200 Denaren diese vielen Menschen satt bekommen? Zum andern repräsentiert das Geld die irdische Macht und damit auch die (angenommenen) Grenzen irdischer Möglichkeiten. Wir sollen uns eben nicht auf unsere Kraft und unsere Möglichkeiten verlassen, sondern auf Gott! Christen sind dazu aufgerufen, das Land hinter dem von klugen Menschen aufgestellten Schild „Hier endet die Welt!“ zu betreten. Gott ruft uns vom Horizont auf der anderen Seite.

Was hat es mit den zwölf Körben auf sich? Die Zahl wurde sicherlich nicht zufällig erwähnt. Die zwölf Körbe stehen einmal für die zwölf Stämme Israels, aber vor allem stehen sie hier für die christliche Glaubensgemeinschaft, die in dieser Phase von den zwölf Aposteln repräsentiert wird. Es gibt einen vollen Korb für jeden Apostel. Hier steht: Wir versorgen uns, indem wir die anderen versorgen. Es wurde nicht ein Brot für die Apostel zurückgelegt, nicht einmal Jesus hat sich erst mal einen eigenen Teller gerichtet, sondern die Güter wurden gerecht auf alle verteilt, genau wie bei der Gnade Gottes (Mission) ohne Ansehen der Person oder der Stellung der Person. Das ist mit Sicherheit einer der schwierigsten Punkte des Auftrags zur Diakonie: Wir müssen den uns angeborenen Existenztrieb, der von uns unaufhörlich fordert, uns mit allen gegebenen Möglichkeiten abzusichern, auch und gerade gegen den Existenztrieb „der Anderen“, unter Kontrolle bekommen. Ja, im Grunde sollen wir uns in diesem Punkt selbst verleugnen, denn das geht gegen unsere menschliche Natur. Gegen die eigene Natur zu handeln dürfte für uns Normasterbliche im Alltag meist ein Ding der Unmöglichkeit sein. Ein Anfang wäre aber, uns bewusst zu machen, dass dieser Existenztrieb da ist und dass er uns von unserer Bestimmung abhält.

Und nein, ich glaube nicht, dass hier – wie man manchmal hört – von der geistlichen Sättigung die Rede ist; die fand davor durch die Lehren Jesu statt. Es geht hier wirklich um die materielle Welt. Gott sagt: Gebt, ohne zu zögern, so wie auch ich gebe, ohne zu zögern und ihr werdet Überfluss erleben. Dabei ist der Begriff Überfluss natürlich interpretierbar. Ich bin absolut sicher, dass Mutter Theresa den Begriff Überfluss ganz anders definiert hätte als jeder deutsche Bischof der letzten 60 Jahre – und das, obwohl alle an den selben Gott glauben und ihnen das selbe Evangelium verkündigt wurde.

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