Markus 10, 32 – 52 (9. + 10. Februar)

Jesus zieht es nun zielstrebig zur letzten Station seiner Reise – nach Jerusalem. Wir lesen, dass die Jünger das „mit Bangen“ bemerkten. Jesus dürfte in dieser Zeit ernster als sonst gewesen sein; der fröhliche Mann, der die ganze Zeit begeistert vom Kommen des Reiches Gottes und der Erlösung der Menschen durch die Liebe des Vaters erzählt hatte, dürfte zunehmend bedrückter und düsterer geworden sein. Und in dieser Stimmung erzählt Jesus seinen Jüngern nun, dass er dort in Jerusalem sterben werde, um die Schrift zu erfüllen. Natürlich steht am Ende seiner Prophezeiung, dass er am dritten Tag auferstehen werde, aber wenn ich mir die Situation vorstelle, weiß ich nicht ob ich nach „sie werden ihn zum Tode verurteilen … und ihn töten“ noch auf den Rest der Prophezeiung geachtet hätte. Der Mensch, mit dem ich nun drei Jahre unterwegs war, von dem ich in den drei Jahren mehr über mich und über Gott erfahren habe, als mein ganzes Leben davor, der Mensch, den ich deshalb über alle Maßen bewundere, ja liebe, der sagt mir, dass er jetzt bald stirbt. Dass es ihm damit ernst ist, erkenne ich an der Finsternis, die ihn seit Tagen umgibt.

Wenn ich das sehe und höre, dann geht es nicht um diesen geliebten Menschen, dann geht es um mich, denn ich werde allein zurückbleiben. Jakobus und Johannes wagen an dieser Stelle nicht zu widersprechen, sie beziehen sich auf das Wiedersehen im Reich Gottes, das ihnen von alters her in den Schriften verheißen wurde. Sie wünschen sich daher im zukünftigen, jenseitigen Reich an seiner Seite zur Rechten und zur Linken sitzen zu dürfen. Auch wenn ich ihnen hier keine böse Absicht unterstelle, sie wollen sich einfach darauf freuen dürfen, ihrem Herrn dort ganz besonders nahe sein zu dürfen – gerade Johannes fühlt sich ja auch schon hier Jesus besonders nahe – so sind nach menschlichem Verständnis diese Plätze herausragenden Personen vorbehalten. Neben der Nummer 1 im Reich sitzen die Nummer 2 (rechts) und die Nummer 3 (links), der Rest ist Gefolge.

Jesus macht ihnen zwei Dinge klar: Erstens muss man sich diesen Platz verdienen durch eine Hingabe in besonderem Maße, in dem Maße nämlich in dem sich Christus selbst der Welt hingibt. Und er verheißt ihnen dabei nichts Gutes, denn sie werden ihm in der Tat nachfolgen, d.h., sie werden um seinetwillen verfolgt und getötet werden. Zweitens ist er aber hier im Moment nur der Knecht Gottes und bestimmt nicht über die Sitz-/Rangordnung in dessen Reich. Jesus wird in Jerusalem letztendlich seine ganze Macht, die er in der Welt hatte, auf- und sich selbst in die Hände seines Vaters begeben. Letzten Endes erfüllt er hier nur das Werk des Vaters, das der ihm aufgetragen hat, er handelt im Auftrag. Daher bestimmt er, der Mensch Jesus, der natürlich auch unter den Zwölfen einige hatte, die ihm vielleicht etwas näherstanden als die anderen, nicht über die Vollendung des väterlichen Planes in dessen Reich.

Das sind viele Enttäuschungen, die die Jünger da auf einmal zu verdauen haben. Ihr Herr, der Messias nur ein Knecht, der nichts zu sagen hat? Und genau in diese Situation bricht der blinde Bettler Bartimäus am Ortsausgang von Jericho. Als er hört, dass Jesus vorbeikommt, ruft er nicht den Propheten Jesus um Hilfe, er fleht zum Sohn Davids – er spricht Jesus direkt als den angekündigten Messias an. Was heißt hier ansprechen! Als die Menschen um ihn herum versuchen ihn zu beruhigen, schreit er nur um so lauter nach dem Messias und als der ihn fragt, was er für ihn tun soll, spricht er ihn mit „Rabuni“ an, das ist die vertrautere Form von Rabbi, denn es bedeutet mein Lehrer. Noch ehe er Jesus sagt, dass er sehen möchte (was sonst), bekennt er sich zu Christus. Jesus betont, dass es der Glaube ist, der Bartimäus sehend machte.

Auch seinen Jüngern, die sich nun zunehmend von seiner düsteren Stimmung anstecken und verunsichern lassen und denen durch den – bald noch deutlich größer werdenden – Kummer der Blick aufs Wesentliche verstellt ist, bringt Jesus hier noch mal eindringlich bei:

Glaubt und ihr werdet sehen!

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