Markus 11, 1 – 26 (11. + 12. Februar)

„Frohlocke sehr, du Tochter Zion; jauchze, du Tochter Jerusalem! Siehe, dein König kommt zu dir; ein Gerechter und ein Retter ist er, demütig und reitend auf einem Esel, und zwar auf einem Füllen, einem Jungen der Eselin.“ (Sach 9,9)

Auf den letzten Metern seiner Mission achtet Jesus darauf, auch wirklich jeden Punkt der Prophezeiungen über ihn abzuarbeiten. Jeder, der nicht Gefangener seiner eigenen Vorurteile ist, soll erkennen können, dass Jesus der angekündigte Messias ist. So sorgt er auch für den prophezeiten Einzug des Messias in Jerusalem, der Tochter Zions, und hat ein Eseljunges organisiert, das er von zwei seiner Jüngern holen lässt. Auf dem Weg durch das Stadttor sorgen die Jünger und die Gruppe Begleiter, die zu diesem Zeitpunkt ihre maximale Größe erreicht haben dürfte für einen triumphalen Einzug ihres Herrn und grüßen ihn mit einer anderen Prophezeiung aus Psalm 118, 25-26.

Doch es ist schon Abend und Jesus möchte seine letzten Tage als Mensch bei Freunden verbringen, nicht bei den Fans, die – das weiß er ja – sich schon bald wieder von ihm abwenden werden. Die Nacht verbringt er in Bethanien, dort wohnen Lazarus und dessen Schwestern Maria und Martha, wie wir an anderer Stelle der Evangelien erfahren haben.

Der nächste Tag ist „Gerichtstag“, natürlich nicht Tag des jüngsten Gerichts, aber Jesus wird die Verfehlungen des Volkes nun öffentlich anprangern. Bei der Rückkehr in die Stadt verflucht er zunächst einen Feigenbaum, weil der nur Blätter aber keine Frucht trägt. Es ist zwar noch nicht die Zeit für reife Feigen, aber auch die Knospen konnten mit etwas gutem Willen gegessen werden. Hat ein Baum zu diesem Zeitpunkt im Jahr nur Blätter, so wird er in diesem Jahr keine Früchte hervorbringen. Jesus verflucht diesen Baum, er solle nie wieder Frucht hervorbringen.

Anschließend macht er im Tempel Tabula rasa, d.h., er schmeißt unter wüsten Beschimpfungen alle Händler und deren Verkaufsstände aus dem Tempel hinaus und versetzt diesen offensichtlichen Marktplatz so wieder in den Zustand, in dem er eigentlich sein sollte: ein Gebetshaus für alle, die dort Gott begegnen möchten, ein Platz des – mein Lieblingswort – Innehaltens. Dieser einzige durch Jesus ausgeübte Akt der Gewalt ist eindeutig gegen die Schriftgelehrten und obersten Priester gerichtet, die aus den Opferzeremonien zum Passah Fest ein lukratives Geschäft für sich und ihre Spezis gemacht hatten. Die sind daher auch wenig begeistert und beraten einmal mehr, wie sie diesen unbequemen und jetzt auch noch geschäftsschädigenden Volksprediger loswerden können, ohne die Massen gegen sich aufzubringen.

Dann hat Jesus erst mal wieder genug von der verlogenen Sippschaft und zieht sich nach Bethanien zurück. Am nächsten Tag sehen die Jünger, dass der Feigenbaum vom Vortag bereits von den Wurzeln her verdorrt ist. Der Fluch hat sich also unmittelbar erfüllt.

Der Feigenbaum ist seit alters her ein Symbol für Israel, also das Volk Gottes. Fluch und Tempelreinigung gehören daher zusammen. Der Marktplatz innerhalb des Tempels zeigt sehr deutlich, was noch im Herzen des Volkes von Gottes Wort verankert war: Nichts! Übrig geblieben waren reine Äußerlichkeiten. Man legte Wert auf äußere Reinheit, während die Herzen nur ans Geschäft dachten. Gott war zum Markenzeichen degradiert worden, der Glaube eine Geschäftsidee. Man wurschtelte sich während des Jahres irgendwie durch, um dann zum Fest ein Monatsgehalt für Geschenke, pardon, Opfertiere auszugeben. Volksglaube, dargebracht auf dem Altar der Marktwirtschaft.

Glaube? Glaube würde tägliche Hingabe an den einen Gott bedeuten, nicht zu bestimmten Zeiten, jeder Tag wird als Geschenk Gottes begriffen und meine Taten – oder Opfer – sind ein kleines Dankeschön für dieses große Geschenk. Gelebter Glaube bringt ganz automatisch Frucht hervor, denn ich lebe durch den Einen und lebe daher für den Einen. Schon die Juden hatten dafür keine Zeit mehr und entschieden sich daher für den zeremoniellen Glauben. Hier erhält Gott feste Zeiten der Anbetung und Dinge, die dem einzelnen zu aufwändig erscheinen könnten, werden von anderen gegen Bezahlung organisiert. Man kauft die Opfertiere vor Ort, um den Weg nach Jerusalem zum Familienausflug machen zu können, man bündelt sein ganzes Glaubensleben in einzelne große Feste, man kauft eine Messe mit Fürbitten an Gott, um sich die Zeit des Innehaltens zu ersparen, man verkauft Ablassbriefe, um das Gewissen der Sünder zu beruhigen (und gleichzeitig einen teuren Prachtbau zu finanzieren), man veranstaltet Wallfahrten wie Kaffeefahrten … - „Seelenheil to go“ hatte schon immer Konjunktur und erfuhr schon immer eine große Nachfrage.

Tragischerweise ist schummeln in diesem Punkt völlig nutzlos. Glaube ist Wachsen im und durch den Geist Gottes; es ist die bewusste Hinwendung zur Liebe Gottes und deren Erwiderung. Es gibt nichts auf der Welt, was wir dafür kaufen könnten, denn Liebe ist nichts Materielles, und es gibt auch keine Abkürzung, denn Liebende wollen den ganzen Weg zusammen gehen und keinen Meter davon versäumen – auch Jesus ging den ganzen Weg. Alles andere ist Selbsttäuschung, denn Gott können wir ohnehin nicht täuschen. Darum spricht aus Jesu Aktionen an diesem Tag auch weniger die Wut als Enttäuschung und Verzweiflung über sein unverständiges Volk.  

Wenn wir Gott lieben, wenn wir in seiner Liebe aufgehen, dann wird uns alles möglich sein, was diese Liebe von uns in der Welt fordert. Dies beschwört Jesus in dem Ausspruch: „Habt Glauben an Gott!  Denn wahrlich, ich sage euch: Wenn jemand zu diesem Berg spricht: Hebe dich und wirf dich ins Meer!, und in seinem Herzen nicht zweifelt, sondern glaubt, dass das, was er sagt, geschieht, so wird ihm zuteilwerden, was immer er sagt.“ (Mk 11, 22-23), den er in den Versen 24 bis 26 präzisiert.

Ohne diesen Glauben, ohne diese tiefe Verbundenheit mit unserem himmlischen Vater, sind wir wie der Tempel nur eine Markthalle voller Geschacher und Geschrei und wie der Feigenbaum nur nutzloses Blattwerk ohne Frucht.

„Nur bei Gott komme ich zur Ruhe; geduldig warte ich auf seine Hilfe. Nur er ist ein schützender Fels und eine sichere Burg. Er steht mir bei, und niemand kann mich zu Fall bringen.“ (Ps 62, 2-3)

Markus 11, 1-26 >>