Markus 15, 1 – 15 (27. Februar)

Der Schauprozess geht weiter. Der Hohe Rat, der sonst keine Skrupel hatte zum Beispiel Ehebrecherinnen zu steinigen – die Evangelien berichten davon – schleppt Jesus vor den römischen Stadthalter Pilatus, damit der ihn auch zum Tode verurteilt. Wir sehen hier: Ganz offensichtlich hatten die Juden von der römischen Besatzungsmacht weitestgehend Freiheit, was ihre religiösen Riten bis hin zu religiösen Urteilssprüchen angeht. Es ist historisch belegt: Die Römer tolerierten fremde Religionen, die attraktivsten adoptierten sie sogar. Dieser einzelne Gott der Juden erschien ihnen aber vermutlich einfach zu gering, deshalb ignorierten sie ihn, solange die Ausübung der zugehörigen Religion nicht die öffentliche Ordnung störte. Der Hohe Rat wollte aber wohl kein religiöses Urteil, bei dem man sich dann irgendwann vor Gott oder gar vor den Anhängern des Ketzers rechtfertigen musste.

Also wurde aus der Gotteslästerung mal eben ein Aufruhr gegen den römischen Kaiser konstruiert. Man schob also die Verantwortung auf die verhasste Besatzungsmacht ab, die eh niemand leiden konnte – außer vielleicht die Zöllner, die gute Geschäfte mit den Römern machten.

Auf Pilatus Frage, ob er der König der Juden sei, antwortet Jesus mit „Du sagst es!“ (Mk 15,2), sonst schweigt er aber auch hier auf die zahlreichen Vorwürfe seiner Ankläger. Historisch nicht überliefert ist die nachfolgend geschilderte Begebenheit, wonach die Römer zum Passah-Fest einen Gefangenen begnadigten. Man kann sich aber gut vorstellen, dass Pilatus so seine Probleme mit dem Angeklagten hatte. Sicher hatte man ihn auch bei den Römern in den letzten drei Jahren wahrgenommen, da seine Anhängerschaft stetig anwuchs. Es ist sogar anzunehmen, dass der Mann beobachtet wurde, einfach um frühzeitig zu sehen, ob er sich zu einer Gefahr für die öffentliche Ordnung entwickelte. Bis auf den einen Ausfall vor ein paar Tagen im Tempel, war dieser Prediger aber vor allem dadurch aufgefallen, dass er seine Anhänger zur Freundlichkeit gegenüber den Römern aufrief, dass er den totalen Gewaltverzicht predigte. Und wenn es dann auch noch das ein oder andere Wunder bis zu den Ohren des Pilatus geschafft hatte, könnte sogar ein Stück weit Bewunderung oder doch zumindest Neugierde im Spiel gewesen sein. Kurzum: Die Römer hätten Jesus vermutlich lieber in ihren Diensten denn vor Gericht gesehen. Wir dürfen also auf jeden Fall annehmen, dass Pilatus versucht hat, sich um diesen Richterspruch zu drücken – und sei es nur, weil dieser an Einfluss gewinnende und sich selbst als „König der Juden“ bezeichnende Galiläer ihm dann was schuldig gewesen wäre. Insofern ist der geschilderte Versuch, diesen Mann freizulassen, durchaus glaubwürdig.

Doch die Ankläger haben genügend Claqueure mitgebracht, so dass sich Pilatus dem Druck ergeben muss, wenn er es nicht mit einem tatsächlichen Aufstand zu tun bekommen möchte. Sein Urteil: Jesus soll zuerst ausgepeitscht und dann gekreuzigt werden. Damit sind die Ankläger zufrieden gestellt.

Weitere Punkte der Prophezeiung erfüllen sich: Jesus wird den Heiden ausgeliefert, wird misshandelt und wird wie die am meisten verachteten Verbrecher am Holz (am Kreuz) sterben.

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