Beistand und Gehorsam – 2. Mose 15, 22 – 17, 7 (27. – 30. Januar)

Das Hauptproblem bei einem Marsch durch die Wüste ist das Wasser und so geht den Israeliten bald das Wasser aus. Man könnte nun annehmen, dass das Volk – nachdem es gerade das Wunder am Schilfmeer am eigenen Leib erfahren hat – voll Vertrauen Gott um Wasser bittet, doch weit gefehlt. Wieder beschweren sie sich über die schlechte Führung und undurchdachte Organisation der Aktion bei Mose; erst recht, als sich das entdeckte Wasser als ungenießbar herausstellt. Mit einem „eher unbedeutenden” Wunder, einem herumliegenden Stückchen Holz, das Mose auf das Geheiß Gottes hin ins Wasser wirft, wird dieses rein. Gott nutzt die Gelegenheit, seinem Volk noch einmal seinem Schutz und seiner Fürsorge zu versichern, solange sie sich an seine Gebote halten.

Nachhaltig ist diese Lehre aber nicht bis in die Köpfe und Herzen des Volkes vorgedrungen.

Nach etwas über einem Monat gehen auch die Lebensmittel zur Neige und wieder fangen die Israeliten an zu meckern. Dieses Mal beklagen sie sich nicht nur über die schlechte Organisation, sie loben auch die vorzügliche Versorgung mit Lebensmitteln damals in Ägypten. Mit etwas zeitlichem Abstand und der Konfrontation mit aktuellen Problemen verklärt sich die Vergangenheit sehr schnell. Der Spruch „Früher war alles besser” (oder wie Loriot sagte: „Früher war mehr Lametta”) hat sich bis heute gehalten und jeder von uns fällt immer mal wieder auf diesen Trugschluss herein.

Doch Gott zeigt keine Starallüren und hilft unbürokratisch mit Geflügel am Abend und Brot vom Himmel am Morgen. Doch er verbindet diese Hilfe auch mit einem ersten Test: Das Brot vom Himmel, das Manna, darf nicht über Nacht aufbewahrt werden. Gott sagt zu, jeden Morgen für frisches Brot zu sorgen.

Natürlich gehorchen manche der Hebräer nicht und können tags drauf ihre Sammelgefäße wegwerfen, denn – Strafe muss sein – der Kram ist über Nacht stinkend geworden und Würmer leben darin. In solchen Gefäßen würde man anschließend sicher nur ungern frische Lebensmittel einsammeln und mehrere Stunden aufbewahren.

Wir lesen nichts über die Reaktion Gottes darauf – der kannte sein Volk und war sicher nicht überrascht – Mose wurde aber zornig, denn er fühlte sich verantwortlich, wie ein Vater, dem die Kinder nicht gehorchen oder ein Lehrer, der das Gefühl hat, nur die Wand hört ihm aufmerksam zu.

Obwohl also etliche bei der ersten Prüfung mit Glanz und Gloria durchgefallen waren, gibt Gott schon ein zweites Gebot heraus. Der siebte Tag ist ein heiliger Sabbat, an dem nicht gesammelt werden soll. Die Israeliten sollen am sechsten Tag doppelt sammeln, so dass sie auch für den siebten Tag genug zu essen haben. Natürlich wird in dieser Nacht dann das Lebensmittel nicht verderben.

Und natürlich gehen am siebten Tag wieder einige sammeln – und finden nichts!

Haben die Hebräer nun endlich gelernt, dass auf das Wort und die Zusagen Gottes Verlass ist und der Versuch seinen Anweisungen zu trotzen jedes Mal scheitern wird?

Natürlich nicht.

Auf dem weiteren Weg durch die Wüste wird wieder das Wasser knapp, ein Problem, das also schon einmal durch die Hand Gottes gelöst wurde. Und wieder jammern sie über die schlechte Organisation und den unfähigen Anführer. Es gibt Menschen, die nicht nur keinen Glauben haben, sondern die auch nicht einmal durch Erfahrung klug werden.

Mose fürchtet im Angesicht dieses unbelehrbaren, uneinsichtigen Mobs zu Recht um sein Leben, denn – und das beobachten wir täglich – Wut können diese Menschen sehr gut, so gut, dass wir inzwischen in der deutschen Sprache einen eigenen Namen für diese Gruppe haben.

Doch Gott lässt sich nicht lumpen. Das nächste Wasserwunder macht er größer und sorgt dafür, dass sein Knecht Mose bei dieser Aktion im Zentrum und gut dasteht, um so dessen Reputation vor dem Volk wiederherzustellen.

 

Ein armseliges Häufchen Volk, das Gott sich da zur Rettung auserkoren hat! Über viele Generationen hinweg hatten die Hebräer vollständig verlernt, eigenverantwortlich zu handeln. Sie hatten aber auch verlernt, sich vom Nutzen und Einhalten bestimmter Regeln überzeugen zu lassen. In Ägypten befolgten sie Anweisungen, weil eine Missachtung zu harten Strafen führte. Es war nicht Überzeugung sondern die nackte Angst, die sie Regeln einhalten ließ.

Gott geht einen anderen Weg!

Er befreit sein Volk, zeigt ihm seine Macht und sagt ihm zu, diese Macht nur zu seinem Nutzen einzusetzen, wenn sie seine Regeln einhalten. Mit allem, was er in den letzten Wochen für sie getan hatte, war für sie offensichtlich, dass er es gut mit ihnen meint. Er regiert mit Gnade und Zuwendung, nicht mit Angst.

Doch die Angst durch Einsicht zu ersetzen gelingt nicht bei allen. Ohne Angst stellen sie generell alles, was sie in ihren Entscheidungen einschränkt in Frage. Bei diesen Menschen tritt der unkontrollierte, unreflektierte Impuls an die Stelle der Angst. Sie behaupten gerne, dass sie Entscheidungen in Freiheit treffen möchten, doch tatsächlich halten sie sich auch an ihre eigenen Entscheidungen nicht, sobald der Impuls sie in eine andere Richtung drängt. Sie sind das berühmte Schilfrohr im Wind.

 

Mose ist bereits nach wenigen Wochen daran, an dieser Gruppe zu verzweifeln. Gott macht in diesem Abschnitt nur deutlich: Diese Menschen gibt es. Du wirst sie nicht überzeugen, sie werden nicht umkehren. Gott liefert das letztgenannte Wasserwunder nicht für die Zweifler; er liefert es für jene, die glauben, aber durch das ständige Murren der Wutbürger irgendwann ins Wanken geraten würden. Sie werden das Zeichen verstehen und sie werden erkennen, dass die Regeln ihres Gottes gut für sie sind.

Die letzten Kapitel haben damit auch nachhaltig mit einem von mir liebevoll gepflegten romantischen Bild von der Kooperation zwischen Gott und Mose aufgeräumt. Die Hebräer haben seit dem Auszug aus Ägypten, also innerhalb von sechs Wochen dreimal zu Gott geschrien und infolgedessen hat auch Mose zu Gott geschrien. Wenn man nun berücksichtigt, dass der Autor – Mose selbst – in der Rückschau nur noch die „Highlights” erzählt, können wir davon ausgehen, dass das erwähnte „Murren den Volkes” eher ein Dauerzustand, denn die Ausnahme war. Die Hebräer schrien zu Gott, weil sie an Mose zweifelten und Mose schrie zu Gott, weil auch er an Mose zweifelte.

Meine – natürlich völlig falsche und unrealistische – Vorstellung, wie Gott und Mose nachmittags um vier in der Stiftshütte bei Tee und Gebäck zusammensitzen und die weiteren Schritte besprechen sind unhaltbar – auch im bildhaften Sinn. Wenn Gott zu Mose spricht, dann ist das meist nicht, wie hier zum besseren Verständnis erzählt, eine klar hörbare Stimme, es ist eine innere Gewissheit, die Mose sagt, was als nächstes zu tun wäre. Mose spürt und interpretiert den Willen Gottes anhand einiger weniger, aber deutlicher äußerer Zeichen und ganz viel innerer Einkehr und Gebet.

Wenn dann das Volk nicht freudig und dankbar, sondern eher widerwillig motzend reagiert und am Sinn seiner Anweisungen zweifelt, so bleibt er von diesen Widerständen natürlich nicht unberührt. Sie nagen an ihm und irgendwann schreit er dann auch zu Gott, denn er zweifelt an sich selbst. Er weiß plötzlich nicht mehr, ob er das alles richtig verstanden hat und er schreit zu Gott in der Hoffnung, dass der zurück schreit – laut und deutlich, so dass an der göttlichen Anweisung kein Zweifel mehr besteht. Wie oft wünschte ich mir schon eine E-Mail von Gott, in der er mir einfach aufschreibt, was ich tun soll!

Doch Gott schreit nicht zurück (und er schreibt auch keine E-Mails). „Was schreist du zu mir?”, beschreibt Mose die Antwort Gottes auf sein Geplärre. Gott weiß um die Nöte seines Knechtes und Gott weiß um die Störrigkeit seines Volkes. Im Gegensatz zu seinem Volk und wahrscheinlich zum Entsetzen Moses bleibt Gott aber die Ruhe selbst. Und Gott handelt zur rechten Zeit, schreibt uns hier der Autor. Er schreibt nicht, wie sehr in der Zwischenzeit der Zweifel an ihm nagte. Doch alle, die mit Gott gehen, haben eine lebhafte Vorstellung davon.

2. Mose 15, 22 – 17, 7 >>