Über die Freiheit und den Willen Gottes

Über die Freiheit und den Willen Gottes

Womit fange ich an? In meinem Kopf herrscht ein Gewirr von Stimmen. Da ist eine Person, mit der ich über die Freiheit spreche, die Gott uns gewährt. Dann steigt Gott selbst in dieses Gespräch ein, spricht mit mir, sprich mit dieser Person, die wiederum mit Gott spricht. Wie beschreibt man das? Wie schreibe ich das, so dass für dich rüberkommt, was eigentlich die Gedanken dahinter sind? Denn nur wenn du die Gedanken kennst, wirst du die Schlussfolgerung nachvollziehen können.

Alles fing damit an, dass Harald Lesch – einer der interessantesten Naturwissenschaftler, weil er offen mit seiner Überzeugung umgeht, dass die harten Fakten der Naturwissenschaften nicht in Konkurrenz zum Glauben an eine höhere Existenz, einer höheren Wahrheit (Gott genannt) steht – die Freiheit, die Gott den Menschen gewährt ungefähr so beschrieb:

Gott gab dem Menschen die Freiheit, so dass er anhand der Naturgesetze, denen er unterworfen ist, lernt, die Konsequenzen seiner Handlungen zu erkennen und zu bedenken. Die Gesetze, denen wir in diesem Universum unterworfen sind, sind also die Lehrmeister, die uns unsere Freiheit erkennen lassen. Überraschende erste Erkenntnis: Wenn unsere Handlungen keine – teilweise – weitreichenden Konsequenzen hätte, so wären wir nicht frei. Die Freiheit ist etwas, das wir von Klein auf unter Schmerzen erfahren und erlernen.

Die Konsequenzen unserer freien Entscheidungen sind im Fall der falschen Entscheidung immer schmerzhaft. Die Logik der Naturgesetze ist ebenso hart, wie die Gesetze selbst. Handlung X hat immer Konsequenz Y. Die Naturgesetze lassen nicht mit sich diskutieren! Und häufig überblicken wir gar nicht, welche Naturgesetze von der aktuellen Entscheidung gerade tangiert werden. Und viele Naturgesetze kennen wir noch gar nicht.

Und jetzt zur Frage meines Gespräches mit der imaginären Person … und den Einwürfen Gottes:

Warum lässt Gott all diese Kriege, all dieses Morden zu?

Es würde doch unsere Freiheit nicht einschränken, sondern sogar fördern, wenn wir es endlich schafften, in Frieden miteinander auf diesem Planeten zu leben!

Stimmt. Auf den ersten Blick.

Aber was ist denn die Ursache von Krieg? Da kommt eine ganze Liste von Faktoren ins Spiel. Ganz unten, auf der untersten Ebene, steht aber Egoismus. Er ist die Wurzel (des Übels). Wir leben in einer Welt mit begrenzten Ressourcen. Mein Egoismus sagt mir: „Versuche unbedingt das größte Stück vom Kuchen zu bekommen.“ Und wenn ich dann ein Stück bekommen habe, sagt mir der Egoismus: „Du willst mehr davon.“ Das können materielle Dinge sein, aber auch immaterielle – das Spiel des Egoismus ist immer das gleiche. Und da sehen wir schon, was auf dem Egoismus aufsetzt: die Gier. Egal, wie viel ich bekomme, mein Egoismus wird nie still sein und sagen, jetzt ist es genug. Ja, mein Gewissen sagt das vielleicht, doch meine Freiheit erlaubt mir, auf beide Meinungen zu hören und meine menschliche Natur kann nie von etwas zu viel haben. Damit ist klar, welche Stimme lauter ist. Andererseits kann ich auch auf der weniger begünstigten Seite stehen und nur ein paar Krümel oder gar nichts abbekommen. Dann schaue ich auf diejenigen, die mehr Glück hatten und meine Freiheit stellt mich vor die Wahl: Gönnen oder Missgönnen? Ja, sogar, wenn ich auf der begünstigten Seite stehe, stehe ich vor dieser Wahl: Gönne ich dem Krümeljäger seine Krümel oder hätte ich die auch gerne? Meine menschliche Natur findet es immer besser, wenn ich es habe!

Aus den negativen, egoistischen Entscheidungen entsteht Misstrauen, Ablehnung, Hass. Auch wenn es bei Licht betrachtet Unsinn ist, ich fühle mich vom anderen bestohlen.

Das ist der Ausgangspunkt für fast alle großen Probleme aller Zeiten! So fangen Streitereien an, so kommt es zu Gewalt, so beginnt ein Krieg. Egoismus ist ein komplexer Vorgang, der viele Naturgesetze – auch die öffentlich nicht so breit diskutierten sozialen – missachtet und so zu negativen Konsequenzen führt. Aber Egoismus ist eine notwendige Option der Freiheit. Und Egoismus muss eine starke Triebfeder sein. Denn wenn ich ihn nicht überwinden muss, wenn ich mich nicht bewusst (dagegen) entscheide, bin ich nicht frei.

Wenn Gott heute alle Kriege beenden würde, würden wir spätestens morgen neue beginnen. Denn die Ursache der Kriege, der Egoismus wäre damit nicht aus der Welt geschafft: Zuerst die Gemeinschaft oder ich zuerst, Deutschland zuerst, Amerika zuerst, Italien zuerst, Frankreich zuerst …?

Wie wir miteinander umgehen, ist unsere Entscheidung. Krieg ist die Konsequenz falscher Entscheidungen. Armut und Not sind Konsequenzen falscher Entscheidungen. Umweltzerstörung ist die Konsequenz falscher Entscheidungen. Auch diese Liste lässt sich beliebig fortsetzen!

Hat der Teufel also recht? Haben wir versagt?

Ja und nein.

Ja, denn wir können ganz offensichtlich nicht mit der uns gewährten Freiheit umgehen. Wenn wir frei entscheiden, so entscheiden wir meist zugunsten unserer menschlichen Natur. Wir tun bevorzugt die Dinge, die auf der Gebrauchsanweisung zum Leben im Abschnitt „Warnungen und Gefahren“ aufgelistet sind.

Nein, denn Gott sagt, dass er auf unserer Seite steht und wir bei ihm sein werden, wenn wir schon in diesem Leben mit ihm gehen – auch wenn uns unser Egoismus, für den wir uns immer wieder frei entscheiden, immer wieder von ihm trennt.

Johannes, der Täufer forderte seine Leute zur Umkehr auf. Jesus fordert dasselbe von uns. Wir haben das gehört aber wir interpretieren Umkehr häufig falsch. Wir interpretieren Umkehr oft als Rückkehr zu irgendetwas Zurückliegendem. „Früher war alles besser!“ Wir wissen, dass es nicht stimmt, aber trotzdem fühlt es sich richtig an. Anstehende Veränderungen erschrecken uns. Nicht von ungefähr glauben wir bevorzugt Politikern, die uns versprechen, dass sich nichts ändern wird, wenn sie regieren. Und wenn wir mit dem Aktuellen nicht zufrieden sind, dann hören immer mehr auf Politiker, die uns versprechen, zu irgendeinem früheren Zustand zurückzukehren.

Diese Neigung der Menschen ist mindestens so alt wie die Bibel selbst. Wir finden diese Haltung der Menschen bereits beim Exodus aus Ägypten. Auch hier spielte den Israeliten der Egoismus einen Streich. Sie mussten nämlich ihr altes Leben aufgeben, um in ein neues in Freiheit wortwörtlich zu gehen. Vielleicht war das alte Leben schrecklich, vielleicht war es erniedrigend, entwürdigend – ganz sicher war es unfrei, aber sie mussten nichts entscheiden. Nun, zudem noch in einer lebensfeindlichen Wüste, mussten sie über jeden Schritt selbst entscheiden (Moses war im Empfinden des Volkes ein gewählter Anführer, dessen Entscheidungen für sie nicht automatisch verbindlich waren!). Sie waren zwar frei, aber auch ganz allein für ihre Entscheidungen und die knallharten Konsequenzen verantwortlich. Sie konnten den Pharao nicht mehr für ihre Lebensumstände verantwortlich machen. Sie konnten nicht mehr zu Gott beten, dass er sie befreie, denn er hatte es ja tatsächlich getan! Sie mussten bei jedem Schritt entscheiden: Höre ich auf Gott (Moses) oder höre ich auf meinen Egoismus, der mir sagt, dass ich es viel bequemer haben könnte … ohne Freiheit, ohne den Zwang selbst zu entscheiden. Freiheit ist ein schöner Traum, als gelebte Realität ist sie unbequem.

Umkehren heißt also nicht zurückkehren zum Alten, umkehren heißt, sich losreißen von den Fesseln unseres Egoismus (von den alten Gewohnheiten, in denen man sich eingerichtet hat) und sich unserem Gott zuzuwenden, der uns diese unbequeme Freiheit gibt, die sich aus Entscheidungen und den knallharten Konsequenzen zusammensetzt. Umkehren ist ein permanenter Aufbruch ins ferne, gelobte Land. Ja, permanent. Denn jede Zwischenstation, die wir erreichen, lädt uns ein, zu bleiben. Egal, wo wir ankommen, wir müssen weiter, denn unser Ziel liegt nicht in dieser Welt. Das wird jedes Mal wieder hart und es wird schwerer, je mehr Ziele wir in dieser Welt erreichen. Jesus beschreibt es so: „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher ins Reich Gottes kommt“ (Mt19,24). Je mehr wir erreicht haben, desto schwerer wird es wieder aufzustehen und sich loszureißen.

Der Satz, den viele angesichts der vielen Probleme heute als Ausrede benutzen, um nichts tun zu müssen – um nicht umkehren zu müssen – ist wahr: „Ich kann doch nicht die ganze Welt retten!“

Aber das hat auch niemand verlangt!

Gott sagt uns: Die Welt ist verloren, aber ihr seid gerettet!

Unsere Aufgabe ist es, auf dem Weg zu bleiben, unterwegs zu bleiben, bei Gott zu bleiben – zu Gott umzukehren. Wenn wir das energisch genug tun, sind wir Anregung und Vorbild für andere, die das dann vielleicht ebenfalls tun werden.

„Ihr seid das Licht der Welt. Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben. Man zündet auch nicht eine Leuchte an und stellt sie unter den Scheffel, sondern auf den Leuchter; dann leuchtet sie allen im Haus. So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Taten sehen und euren Vater im Himmel preisen.“ (Mt 5, 14-16)

Gott rettet nicht die Welt, er rettet jeden einzelnen von uns. Das dauert zwar länger, ist aber im Endeffekt effektiver, denn um seine Erben sein zu können, müssen wir begreifen, was Freiheit ist. Es klingt hart und das ist es auch: Um die Freiheit zu begreifen, ist das Scheitern genauso wichtig wie der Erfolg.

Außerdem hat Gott genügend Zeit jeden einzelnen zu retten. Er hat sie ja gemacht und er hat so viel davon gemacht, dass sie sicher reicht.

 

Nachtrag:

Während ich heute Morgen aufwache, höre ich wieder die Stimme dieser imaginären Person. Sie fragt mich vorwurfsvoll: „Wenn Egoismus falsch ist, darf ich dann nur noch an die anderen denken? Jesus hat doch aber gesagt: Liebe deinen Nächsten WIE DICH SELBST!“

Es ist richtig immer zuerst an die Gemeinschaft zu denken; die Gemeinschaft, sind aber nicht „die Anderen“, denn du bist auch ein Teil der Gemeinschaft!

Wenn du bei der einen Entscheidung nur an dich denkst und bei der anderen nur an die Anderen, besteht die Gefahr, dass beide falsch sind.

Du musst einen Weg finden, der die Bedürfnisse aller berücksichtigt, deine eingeschlossen. Liebe deinen Nächsten WIE dich selbst, redet von einer Gleichzeitigkeit.

Nochmal: Freiheit ist ein schöner Traum, als gelebte Realität ist sie unbequem.

„Aber wer genau ist diese ‚Gemeinschaft‘? Wer sind meine Nächsten?“

Die Gemeinschaft, von der du immer ein Teil bist, sind alle, die von deiner Entscheidung betroffen sind oder zukünftig betroffen sein werden. Und hier wird schon deutlich, du wirst es nie hundertprozentig treffen können.

Darum ist es beruhigend, dass Gott für dich die Verantwortung übernimmt, wenn du etwas übersehen hast, das du nicht sehen konntest.

Trotzdem musst du es bei jeder Entscheidung ehrlich versuchen, ohne diese Anstrengung bist du nicht frei, sondern durch irgendetwas gebunden. Gelebte Freiheit ist unbequem.

 

Related Articles