Durch die Wüste (Spoiler-Alarm!)

Als am Montag in diesem Corona-Not-Bibelkreis-Gottesdienst als Thema „Wüste“ genannt wurde, wusste ich wieder einmal: Gott spricht in diesem Gottesdienst mal wieder direkt zu mir, ganz unabhängig von den dann folgenden konkreten Themen.

Tatsächlich stehe ich in diesen Tagen mit diesem Projekt hier am Rand einer Wüste mit dem Namen „Das Buch Hesekiel“ und ich habe in den letzten Tagen viel deswegen gebetet: „Papa, hier musst du mir helfen!“. (Nicht, dass ich nicht wüsste, dass er das auch bei allen anderen Büchern bereits getan hat – es erschien mir hier nur in besonderem Maße notwendig.) Da komme ich grade von den Briefen des Johannes, schwelge noch in einem liebenden Gott voller Licht, Wahrheit und Leben und jetzt das: ein eifernder Gott (ich bevorzuge hier die luthersche Übersetzung „eifernd“ vor „eifersüchtig“), ein verzweifelter Gott, der fast schon überfordert scheint mit der Begriffsstutzigkeit seines Volkes – ein Gott, der in seinem Eifer ankündigt, bis auf einen kärglichen Überrest all diese Tauben und Blinden vom Erdboden zu tilgen, der sein Volk mit bösen Tieren, Krieg, Hunger und Pestilenz schlagen möchte. Ein Gott, der mit diesem Gericht über sein Volk anfängt, indem er seinen Propheten ein symbolisches, aber nicht weniger schreckliches Gericht durchleben lässt, seinem Volk zum Zeichen.

Schon beim Lesen der ersten Kapitel erschien mir der Auftrag wie eine Schrift an der Wand: Es ist eine Brücke zu finden. Wo, in diesem eifernden Gott, steckt die eben noch besungene ewige Liebe des Herrn? Wo ist sie hin?

Hesekiel ist die Wüste vor mir. Da ist Gericht, da ist Trostlosigkeit, da ist Hoffnungslosigkeit – selbst in vielen Äußerungen dieses allwissenden Gottes.

Die Parallelen zum Heute sind natürlich schnell gezogen: Auch wir sehen das Elend, das unsere gottlosen Taten und unser Anbeten der falschen Götter dieser Welt anrichten. Auch wir hören die verzweifelte Klage Gottes in den Schreien unzähliger siechender und sterbender Menschen, ja einer sterbenden Welt und wir sind genau wie jene, die in der Zeit Hesekiels lebten! Wir sehen, aber wir erkennen nicht – wir hören, aber wir hören nicht zu!

Aber wo ist denn da die Liebe Gottes? Wo ist denn da dieser liebende Gott?

Eine Frage, die auch am Montag eine Rolle spielte.

In der Wüste ist es still, hieß es da, damit wir die Stimme Gottes hören können. Hesekiel zeigt uns aber, dass die Wüste nicht immer still ist. Die Wüste in Hesekiel schreit. Und auch in uns schreit die Wüste, in den kurzen Momenten, in denen wir uns nicht schnell genug abwenden können von unseren Verfehlungen, in den Momenten, in denen wir erkennen, dass unsere Verfehlungen wie Pech an uns kleben und uns folgen.

Vielleicht liegt ja darin die Liebe Gottes?

Wenn wir uns nach wie vor weigern unsere Irrtümer zu erkennen, weil wir Angst vor dieser Wahrheit haben. Wenn wir durch unseren eigenen Lärm den Aufschrei der Welt zu übertönen suchen, dann kommt irgendwann der Punkt an dem Gott diesen Schmerz aufnimmt und lauter schreit. Dann vereint sich der Schrei der Welt mit dem Schrei Gottes und erst darauf folgt die Stille.

Es muss uns klar sein: Der Schrei Gottes ist unser eigener, beharrlich verdrängter Schrei. Gott schreit in unserem Namen. Gott verzweifelt nicht an uns und nicht wegen uns, Gott verzweifelt für uns. Er macht das Leid, das wir einander und damit letzten Endes uns selbst antun, zu seinem Leid und ja, dieses Leid wird dann natürlich auch in der Welt sichtbar (es war ja nie unsichtbar, wir hatten uns nur abgewandt). Nicht als Strafe! Gottes Gericht ist kein Strafgericht, sondern eine Offenbarung. Gott lässt uns schauen und spüren, was wir tun. Er zwingt uns zu schauen, er nimmt uns die Möglichkeit uns länger abzuwenden. Einige werden umkehren, einige werden zugrunde gehen – es gibt nur diese beiden Möglichkeiten und unser freie Wille zwingt uns, eine davon zu wählen. Ausweichen, die Entscheidung vor sich herschieben, das ist nur eine begrenzte Zeit möglich. Wenn Gott uns in die Wüste führt, dann begegnen wir dort dem Schlimmsten, das diese Welt zu bieten hat: Wir begegnen uns selbst. In dem losbrechenden Sturm werden wir mit uns selbst konfrontiert.

Am Ende des tobenden Sturmes aber wird es über allem still sein!

Und in diese Stille sendet Gott sein Wort. In jener Stille (im Zentrum des Hurrikans) stand Jesus, er wird auch in der Stille stehen, die noch vor uns liegt – wenn der Sturm durchgezogen ist.

In die Stille unserer Finsternis strahlt eine Hoffnung hinein: Unser Gott kennt das Ende und es ist großartig. Für unseren Gott gibt es Hoffnungslosigkeit nicht, denn er kennt das Ende und er wartet dort. Und darum gibt es auch für uns die Hoffnungslosigkeit nicht, denn Gott selbst ist unsere Hoffnung.  

Uns so lade ich euch, die kleine Schar, die diesem Projekt folgt, nun ein, mit mir ab Samstag (5.6.) in die „Wüste Hesekiel“ zu kommen. Lassen wir uns überraschen, was uns dort (tatsächlich) erwartet.